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Hillary Clinton schlägt vor, kurzfristige Aktiengewinne zu bestrafen und erwischt damit die Konservativen auf dem falschen Fuss 

Hillary Clinton bei ihrer Rede in New York.
Hillary Clinton bei ihrer Rede in New York.Bild: JUSTIN LANE/EPA/KEYSTONE

Hillary Clinton schlägt vor, kurzfristige Aktiengewinne zu bestrafen und erwischt damit die Konservativen auf dem falschen Fuss 

Die voraussichtliche Präsidentschaftskandidatin der Demokraten legt eine Steuer gegen das kurzfristige Gewinndenken vor und erhält dabei Applaus von Unternehmern und den Linken.  
28.07.2015, 12:0528.07.2015, 13:45
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«It’s the economy, stupid», war das Motto, mit dem Bill Clinton 1992 die Wahlen gewonnen hat. Die Wirtschaft wird auch nächstes Jahr darüber entscheiden, wer ins Weisse Haus einzieht. Das hat Hillary Clinton wie ihr Ehemann klar erkannt. Während die Republikaner ihre grotesken Donald-Trump-Festspiele abhalten, bereitet die mutmassliche Kandidatin der Demokraten das Terrain geschickt vor.

Wer die Aktien länger hält, zahlt weniger Kapitalgewinnsteuern

Nach ihrem Engagement für einen höheren Mindestlohn schlägt sie nun eine Änderung der Steuergesetze vor, die das kurzfristige Gewinndenken bestrafen soll. Konkret sieht ihr Plan vor, dass die Kapitalgewinne bei Aktien gestuft besteuert werden sollen. Wer seine Aktien kauft und sogleich wieder abstösst, wird mit einem Satz von 39,6 Prozent belastet. Je länger die Aktien behalten werden, desto tiefer wird der Steuersatz auf dem Kapitalgewinn. Nach sechs Jahren beträgt er bloss noch 20 Prozent. 

Auch grüne Themen forciert Hillary Clinton: hier bei einer Rede in einer Velo-Werkstätte.
Auch grüne Themen forciert Hillary Clinton: hier bei einer Rede in einer Velo-Werkstätte.Bild: Charlie Neibergall/AP/KEYSTONE

Mit diesem Vorschlag ist Hillary Clinton ein äusserst geschickter Schachzug gelungen. Das kurzfristige Gewinndenken ist bei Linken und Konservativen gleichermassen verpönt, auch in der Schweiz übrigens. Kein HSG-Professor, der nicht Brandreden gegen das kurzfristige Denken der Manager hält, und kein Unternehmenspatron, der nicht versichert, er werde sich niemals von Quartalsgewinnen terrorisieren lassen. 

«Es mag Sie erstaunen, aber ich stimme Hillary Clinton in vielen Dingen zu.»
Carl C. Icahn, Shareholder-Aktivist

Hillary Clinton erhält denn auch für ihre Vorschläge Applaus von ungewohnter Seite. Laurence D. Fink, CEO von Blackrock, dem grössten Vermögensverwalter der Welt, hat seinerseits einen Vorschlag lanciert, der fast identisch ist. Selbst Carl C. Icahn, der legendäre Shareholder-Aktivist, unterstützt den Plan. «Es mag Sie erstaunen, aber ich stimme Hillary Clinton in vielen Dingen zu», erklärte er gegenüber der «New York Times». 

Aktienrückkäufe als Zeichen der Dekadenz

Vor allem jedoch kommen Clintons Vorschläge bei den Progressiven, dem linken Flügel der Demokraten, sehr gut an. Für sie sind kurzfristige Gewinne und die damit verbundenen Manager-Boni schon lange ein Zeichen der Dekadenz des US-Kapitalismus. 

Dabei waren die Quartalsgewinne in der Amtszeit von Bill Clinton noch äusserst beliebt. Im Boom der Neunzigerjahre galt die Devise: Wenn Manager permanent für die Interessen der Aktionäre schuften müssen, dann kommen sie nicht auf dumme Gedanken und verschwenden das Geld der Unternehmen nicht für Firmenjets und grosszügige Stiftungen. Das kurzfristige Denken galt als Zeichen der Überlegenheit des US-Kapitalismus gegenüber der europäischen sozialen Marktwirtschaft.

Warum Hillary Clinton eine sehr kluge Politikerin ist

Die Entwicklung nach dem Jahrhundertwechsel hat zu einem Umdenken geführt. Die Quartalsgewinne und die daran gekoppelten Manager-Boni haben dazu geführt, dass die Unternehmensgewinne nicht mehr in neue Projekte investiert, sondern in aufwändige Aktienrückkauf-Programme gesteckt werden. Das treibt zwar kurzfristig den Aktienkurs in die Höhe, höhlt jedoch langfristig die Substanz der Unternehmen aus. 

Hillary Clinton legt mit ihrem Vorschlag den Finger auf einen wunden Punkt und bringt ihre Gegner in Verlegenheit. Sie schlägt keine neue Steuer vor, sondern belohnt einzig die Langfristigkeit und entzieht sich so geschickt dem Vorwurf, den Staat zulasten der Wirtschaft aufzublähen. Mag sein, dass Hillary Clinton nicht die brillanteste aller Rednerinnen ist. Aber sie hat einmal mehr bewiesen, dass sie eine äusserst kluge Politikerin ist. 

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12 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Mandelmus
28.07.2015 12:15registriert März 2014
Fände ich auch für uns ein prüfenswerter Vorschlag
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