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Der soeben überstandene Osterstau hat es einmal mehr gezeigt: Unsere Strassen sind überfüllt, und es wird täglich schlimmer. Dazu sind sie auch schweineteuer. Spezialisten des Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) haben schon vor Jahren ausgerechnet, dass wir bis 2030 allein für den Ausbau der Nationalstrassen rund 45 Milliarden Franken aufwenden müssen.
Dazu kommen 19 Milliarden Franken für den Unterhalt, und zusätzlich müssen Kantone und Gemeinden jährlich gegen sechs Milliarden Franken für Kantons- und Gemeindestrassen hinblättern.
Das Deprimierende dabei ist: Diese teure Infrastruktur wird alles andere als effizient genutzt. Privatautos stehen durchschnittlich mehr als 90 Prozent der Zeit herum, und wenn sie in Bewegung sind, dann sitzen in den meist fünfplätzigen Vehikeln durchschnittlich gerade mal 1,6 Personen. Viel mehr Verschwendung geht nicht.
Das müsste nicht sein, findet Hermann Spiess aus dem Luzerner Hinterland. Der dipl. Ing. Agr. ETH sagt: «Dank Internet, Smartphones und den Apps verfügen wir heute über die Technik, um diese Infrastruktur sehr viel besser ausnützen zu können.» Was Uber im Taxibereich bereits vorexerziert, lässt sich tatsächlich jederzeit auf den Privatverkehr übertragen: «Eine moderne Verkehrsdaten-Austausch-Plattform ist schnell realisierbar und kostet praktisch nichts», sagt Spiess.
Das Rad müsste dabei nicht neu erfunden werden. Die Deutsche Bahn betreibt mit «Oxxit» bereits ein solches System, in Frankreich gibt es «Covivo». Sehr erfolgreich werden ähnliche Modelle in den Oststaaten eingesetzt, etwa in Polen und in Ungarn. «Es gibt dort keinen oder einen sehr schlechten öffentlichen Verkehr», erklärt Spiess.
Trotz SBB und Postautos hat ein mit moderner IT unterstütztes Mitfahrersystem auch in der Schweiz ein grosses Potenzial. Das hat eine gross angelegte Untersuchung der Sozialforschungsstelle der Universität Zürich zutage gefördert. Sie kommt zu Schluss, dass auch hierzulande «dank Car Pooling rasch ein grosser Sprung nach vorne» zu machen wäre. Fazit der Studie: «Die heute verbreitete Verkehrsüberlastungen liessen sich mit Fahrgemeinschaften leicht aus der Welt schaffen – vorausgesetzt, die Gesamtmobilität würde nicht umso stärker zunehmen. Es lohnt sich sogar, darüber nachzudenken, statt in aufwändige neue Verkehrsinfrastruktur zu investieren.»
Der einst führende Handyhersteller Nokia – inzwischen von Microsoft übernommen – hat schon vor Jahren das Potenzial einer Verkehrsdaten-Austausch-Plattform untersucht und dabei die wichtigsten Hinderungsgründe analysiert. Hier die vier wichtigsten Vorurteile – und die Gründe, weshalb sie ihre Berechtigung verloren haben:
Dank Facebook und anderen sozialen Medien kann die Identität von Mitreisenden rasch und zuverlässig festgestellt werden. Das zeigt unter anderem das Beispiel von Airbnb. Die Angst vor bösen Unbekannten erübrigt sich.
Wie die Passagiere können auch die Lenker rasch identifiziert werden. Ebenso unbegründet ist die Angst, dass man als Autostopper einen schlechten Ruf geniesst. «Eine Autofahrt zu teilen heisst nicht, dass man sich kein eigenes Auto leisten kann. Es ist vielmehr eine Kosten-Nutzen-Überlegung», heisst es in der Nokia-Studie.
Wie Uber schon beweist, können Mitfahrgelegenheiten blitzschnell und äusserst flexibel arrangiert werden.
Auch dieses Vorurteil schiesst am Ziel vorbei. Nicht die Moral, sondern der Verstand ist entscheidend: Wer rechnet, schliesst sich einer Verkehrsdaten-Austausch-Plattform an, weil er erkannt hat, dass er nirgends billiger und bequemer reisen kann.
Selbstverständlich profitiert aber auch die Umwelt vom Mitfahrermodell. Der Verkehr wird nicht zunehmen, das System wird bloss effizienter genutzt. Wenn nur ein Bruchteil der Autofahrer mitmacht, entstehen gewaltige zusätzliche Transportkapazitäten.
Das zeigt ein einfaches Beispiel: Zwischen Zürich und Olten könnten sämtliche 100'000 täglichen Benutzer der öffentlichen Verkehrsmittel auch auf der Autobahn A1 in privaten Motorfahrzeugen transportiert werden. Ohne Mehrverkehr – nur auf den freien Plätzen der bereits heute fahrenden Fahrzeuge.
Angesichts dieser Zahlen ist es nicht verwunderlich, dass sich die Begeisterung bei SBB und Postautos in Grenzen hält. Sie fürchten um ihr Geschäft, eine verständliche, aber trotzdem falsche Reaktion. «Solange der öffentliche Verkehr die neuen Mitfahrermodelle als Konkurrenz betrachtet, hat er nicht begriffen, was auf ihn zukommen wird», warnt Spiess.
Die aktuellen Verkehrsprobleme lassen die alte Feindschaft zwischen Privatauto und öffentlicher Bahn zum Anachronismus verkommen. Nur partnerschaftliche Lösungen werden in der Lage sein, tragfähige Lösungen zu schaffen, welche die Herausforderungen der Zukunft zu lösen wissen.
Diese Lösungen müssen jedoch schon heute getestet werden. Spiess schlägt deshalb dem Bund vor, in einer Region ein Mobilitätsexperiment durchzuführen. Er denkt an eine Verkehrs-Austausch-Plattform, zu der alle Dienstleistungserbringer Zugriff hätten. Sechs Monate lang sollte so getestet werden, ob das in der Theorie so einleuchtende Modell auch in der Praxis funktionieren wird.
Spiess – der übrigens dabei keine kommerziellen Interessen hat oder vertritt – ist zuversichtlich: «Es gibt bereits heute genügend Autofahrer, die bereit sind, mitzumachen», sagt er. «Was fehlt, sind die Passagiere.» Mit der Unterstützung der öffentlichen Verkehrsbetriebe und mit einem einmaligen Beitrag des Bundes von einer halben Million sollte auch dies zu schaffen sein.