Der redselige Chef von Tag Heuer hatte die Katze bereits am Mittwoch aus dem Sack gelassen. Oder zumindest einen Teil der Katze ...
Der Nachrichtenagentur Reuters verriet Jean-Claude Biver, dass sein Unternehmen am Donnerstag eine Smartwatch präsentieren werde. Die Antwort des Westschweizer Uhrenherstellers auf die Apple Watch ist eine Smartwatch, die nicht als solche zu erkennen ist. Oder genauer gesagt: Sie verbirgt sich im markanten, sprich klobigen Panzer der legendären Carrera-Uhr.
Heute legte Biver nach. Es handle sich um die grösste Ankündigung, die er je gemacht habe. Im Gepäck hatte er eine neue Partnerschaft mit dem amerikanischen Chiphersteller Intel und mit Google, und auch noch mehrere Kilogramm Käse.
Es handle sich um den besten Zusammenschluss zwischen traditioneller Uhrmacherkunst und Hightech aus dem Silicon Valley, hiess es am Donnerstagnachmittag. Die Uhr wird mit dem von Google entwickelten mobilen Betriebssystem Android Wear laufen und mit Intel-Chips.
Es werde die erste Luxus-Android-Wear-Uhr, hiess es. Allerdings wurden weder der Preis noch weitere Informationen zum Funktionsumfang gegeben. Die neue Smartwatch soll «vor Ende Jahr» verfügbar sein.
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Die Uhr werde in der Schweiz gebaut, sagte Biver in der anschliessenden Fragerunde. Die Prozessortechnik komme aus dem Silicon Valley. Die Schweizer Uhrenindustrie sei heute nicht in der Lage, Vergleichbares zu liefern.
Tag Heuer hat den Firmensitz in La Chaux-de-Fonds und gehört zum französischen Luxusmarkenkonzern LVMH. Wie andere bekannte Uhrenhersteller wollen die Westschweizer den Smartwatch-Markt nicht kampflos dem neuen Herausforderer Apple überlassen. Die Kalifornier wollen ihre erste Uhr ab dem 24. April in den USA, Deutschland und weiteren Ländern verkaufen. Die Schweiz gehört nicht dazu. Die Apple Watch gibts in der günstigsten Version ab 349 Dollar, die Luxusausführung ab 10'000 Dollar.
Das idiotischste Gerücht zur Apple Watch brachte diese Woche ein US-Finanzanalyst in Umlauf und natürlich wurde es von einigen Journalisten dankbar aufgegriffen. Der Analyst, der sich bislang nicht durch präzise Vorhersagen zu Apple-Produkten hervorgetan hat, will von Branchen-Insidern in Asien erfahren haben, dass die zweite Generation der Apple-Uhr eigenständig funktionieren werde. Für die Internet-Verbindung sei die Uhr nicht mehr auf ein iPhone angewiesen. Ausserdem werde die Apple Watch 2 noch in diesem Jahr in den Verkauf kommen.
Die Vermutungen ergeben allerdings keinen Sinn. Apple wird sicher nicht ein halbes Jahr nach dem Verkaufsstart der ersten Generation deren Absatz kannibalisieren, indem man bereits die nächste Generation auf den Markt wirft. Ausserdem haben die Kalifornier ihre Uhr bewusst so konzipiert, dass sie eng mit dem iPhone zusammenarbeitet. Eine Abkehr davon nach nur einer Geräte-Generation wäre unsinnig und wohl nur mithilfe einer revolutionären neuen Batterie möglich.
Finanzanalysten prognostizieren, dass die Apple Watch herkömmliche Uhrenhersteller in Bedrängnis bringen wird. Bei mehreren Marken, die zur Swatch Group gehören, dürften die Verkäufe sinken. So zum Beispiel bei Tissot und Omega. Laut Schätzungen von JPMorgan könnte die Apple-Uhr einen Drittel des Profits des grössten Schweizer Uhrenkonzerns beeinträchtigen.
Die Swatch Group reagiert mit einer eigenen Smartwatch-Strategie auf die Bedrohung. Zum einen werden günstige Smartwatches lanciert, die sich gezielt an ein Publikum wie Sportler oder Köche richten. Zum andern wollen sich die Schweizer mit innovativer Batterie-Technologie von der Konkurrenz abheben und Uhren anbieten, die länger durchhalten.
Konzernchef Nick Hayek kündigte letzte Woche an, dass die NFC-Technologie in die Uhren von Swatch, Tissot und Omega integriert werde. NFC steht für Near Field Communication und ermöglicht den drahtlosen Datenaustausch mit einem Computer und damit das mobile Bezahlen, indem man das Handgelenk mit der Uhr in die Nähe eines Abrechnungs-Terminals hält.
Tissot entwickelt seit Jahren Uhren mit berührungsempfindlichem Bildschirm. Am Mittwoch enthüllte die Swatch-Tochter mit der T-Touch Expert Solar die laut eigenen Angaben erste solarbetriebene Touchscreen-Uhr. Demnach wird der Akku durch Lichtstrahlen aufgeladen, die auf das Zifferblatt fallen.
Die Anbieter teurer Chronometer geben sich gelassen und haben laut Reuters-Bericht keine Pläne, in den Smartwatch-Markt einzutreten. Begründung: Es werde immer eine Nachfrage nach «echten Dingen» geben. Denn im Gegensatz zur Smartwatch-Technologie, die nach wenigen Jahren veraltet sei, hielten die Luxusuhren Jahrhunderte.
Wer eine Patek Philippe kaufe, kaufe ein zeitloses Kunstwerk, sagte der Chef der Luxusuhrenfirma. Und bei Hermes heisst es, man wisse im Moment noch nicht, wie sich der Markt entwickle. «Wir beobachten, was passiert.»