Kenner wissen es längst: In Grossbritannien gibt es grossartigen Käse. Erstaunlich ist dies mitnichten, denn auf der Insel gibt es viel gutes Gras, Ziegen, Schafe, Kühe im Überfluss – und nicht zuletzt Menschen, die das Käsen aus Leidenschaft betreiben.
Letzteres so sehr, dass Britannien inzwischen nachweislich um die 1500 Käsesorten vorweisen kann. Das sind einige mehr als in Frankreich. Und mehr als in der Schweiz.
Unter den Sorten von der Insel hat es etliche, schlicht umwerfende Spezialitäten. Höchste Zeit also, der Käsenation Schweiz ein paar Konkurrenzprodukte näher zu bringen:
The King of Cheeses! Mittlerweile hat jedes Edelrestaurant, das etwas auf sich hält, einen anständigen Stilton im Dessert-Käse-Angebot. Einer der Besten, der «Traditional» von Cropwell Bishop, wird nach alter Methode mit tierischem Lab hergestellt.
Ein Vacherin-ähnlicher Weichkäse der bei der Schweizer Kundschaft ebenso beliebt ist wie beim Promi-Biobauern Prince Charles, dessen Landsitz sich unweit der Käserei befindet. Die Käselaibe werden in Birnen-Cider gewaschen, was erheblich zum bemerkenswerten Geruch beiträgt.
Gestatten, der Supreme Champion des 2007er British Cheese Festival in Cardiff. Dort setzte er sich gegen 700 Konkurrenten durch ... Aber das ist eigentlich nicht so wichtig. Relevant ist, dass dieser Käse aus deftiger Jersey-Milch hergestellt wird, weshalb der Blauschimmelkäse unglaublich sahnig und reichhaltig daherkommt.
Mit Cheddar verhält es sich ähnlich wie beim Emmentaler: Es gibt ihn überall auf der Welt, aber er ist selten wirklich gut. Beim Godminster Bio-Käse ist das anders: Der ist vortrefflich. Dazu etwas Chutney und ein Glas Bier – Lebensfreude pur!
Dieser Ziegenkäse aus der Edelmanufaktur Neal's Yard Dairy im westenglischen Herefordshire beschert dem Geniesser ein geradezu psychedelisches Gaumenerlebnis – so vielfältig sind die Geschmacksnoten. Die Milch stammt aus einer einzigen, kleinen Ziegenherde, und die Herstellung erfolgt mit dem traditionellen Zickleinlab. Das hat auch seinen Preis: Sage und schreibe 25 Franken bezahlt man für einen 250-Gramm-Laib. Ja, das sind 100 Franken pro Kilo! Man sagt aber, die Erinnerung an den traumhaften Geschmack sei anhaltender als die Erinnerung an die Kosten.
Der Nationalkäse von Wales und die einzige Rohmilch-Version, die heute noch hergestellt wird. Am besten schmeckt er, wenn er zwischen drei und vier Monaten alt ist und das trockene, frische, leicht nach Zitrone schmeckende Innere an der Rinde etwas weich und sämig wird. Eignet sich übrigens auch prima für Raclette.
2007 gewann der Barkham Blue (siehe oben), 2013 war es dieser Tunworth, der sich am British Cheese Festival in Cardiff gegen 900 Konkurrenten durchsetzte. Ein Rohmilch-Weichkäse, dessen Geschmack, obwohl einzigartig, am ehesten zwischen französischem Brie und Camembert einzuordnen wäre.
Ein Artverwandter des Stilton: Dieser Käse wurde ursprünglich in Schottland hergestellt, wo man ihn Caledonian Blue nannte. Als eine der grösseren Stilton-Käsereien die Rezeptur kaufte, musste laut Vertrag ein nicht-schottischer Name her: Shropshire, weil ... Nun, niemand weiss das genau. Vielleicht, weil es in Shropshire bis dato keine berühmte Käsesorten gab. Was sicher ist: Dieser Käse ist unglaublich und der Favorit des Autors dieser Zeilen.
Ein herrlicher Weichkäse aus Rohmilch von Guernsey-Kühen (die ähnlich wie Jersey Kühe, Milch mit hohem Fettanteil produzieren). Er wird auf dem Landgut des Duke of Wellington hergestellt. Wellington? Der Feldherr, der Napoleon besiegte? Ach, deshalb der Name!
Hergestellt am Rand des Sherwood Forest (wo Robin Hood sein Versteck hatte) und zwar von einem Amerikaner: Der New Yorker Exzentriker Joe Schneider wollte einen Rohmilch-Stilton herstellen, bekam aber die Erlaubnis der Stilton-Hersteller nicht. Analog wie beim Schweizer Vacherin Mont d'Or schreibt die Stilton-Rezeptur vor, pasteurisierte Milch zu benutzen. Schneider scherte sich aber keinen Deut darum und setzte seinen Plan um – und benannte seinen Blauschimmel-Käse nach der altenglischen Ortsbezeichnung Stiltons: Stichelton. Eine nette Geschichte. Und ein noch netterer Käse!
Ein Cheddar-ähnlicher Rohmilch-Hartkäse, der auf der schottischen Insel gleichen Namens hergestellt wird. Die Kühe, welche die Milch für dieses Produkt liefern, werden mit der Gersten-Schlempe der nahegelegenen Tobermory-Whisky-Distillerie gefüttert. Merkt man das dem Geschmack des Käses an? Vielleicht. Gut ist er, hin oder her!
Ein Rohmilch-Ziegenkäse mit Ascherinde aus Somerset, von Käse-Fundi Mary Holbrook – mit viel Aufwand und Liebe von Hand hergestellt. Im Geschmack leicht und lecker!
Der ursprüngliche englische Orange Cheese: Vor 400 Jahren sah Leicester-Käse ähnlich aus wie Cheddar, worauf die Käser beschlossen, Farbe beizufügen, um ihn für die Kundschaft unterscheidbar zu machen. Anfänglich nahm man dazu Randensaft, welche dem Käse eine tiefrote Farbe – und den Namen – gab. Der vier Jahrhunderte alte Marketingtrick funktioniert bis heute: Sofort ist der Red Leicester in einer grösseren Auslage erkennbar. Der Geschmack unterscheidet sich inzwischen aber erheblich vom Cheddar: mild, fast süsslich und mit einer Nussnote.