Die drei Medaillengewinnerinnen der Abfahrt vom Vormittag sind herausgeputzt für den grossen Auftritt mitten im Olympiapark. Dominique Gisin trägt die Fellkappe des Schweizer Teams, Lara Gut ihr langes blondes Haar offen.
Wieso darf die zuerst rauf? Dominique Gisin ist etwas verwirrt, als im ersten Moment nur Tina Maze aufs oberste Treppchen aufgerufen wird. Im nächsten Augenblick steht auch die Engelbergerin dort. «Tina war etwas nervös, abgemacht war es anders», erzählt Gisin nach der Siegerehrung.
Klitzeklitzekleines Skandälchen! Zwar werden korrekterweise sowohl die slowenische wie auch die Schweizer Flagge am mittleren Mast aufgezogen. Aber diejenige des anderen Alpenlandes ist oben, die Schweizer darunter.
Nachdem Tina Maze die slowenische Hymne mitgesungen hat, zeigt Dominique Gisin, dass die beiden auch im Singen gleichauf sind. Voller Inbrunst singt sie die Schweizer Nationalhymne mit.
Nachdem die Augen schon zuvor glasig waren, kann Gisin die Tränen nicht mehr zurückhalten. Muss sie auch nicht, im grössten Moment ihrer Karriere! Sie singt und strahlt ganz einfach weiter.
Die drei Abfahrerinnen präsentieren ihre Medaillen, winken mit dem Blumensträusschen und mittendrin strahlt Dominique Gisin und wirkt, als würde sie ewig weiterstrahlen.
Kaum haben Gisin und Gut die Medal Plaza verlassen, ist auch schon der nächste Schweizer da: Iouri Podladtchikov. Flankiert wird er von zwei Japanern, die neben ihm ausschauen wie schüchterne Schulbuben, von denen man als Klassenkamerad erst zwei Tage vor den Sommerferien merkt, dass sie da sind.
Während Dominique Gisin auf die Fellkappe als Accessoire setzte, ist dem stylischen Snowboarder seine Haarpracht zu wichtig. Er erscheint oben ohne.
Die offiziellen Sprachen der Olympischen Spiele sind französisch und englisch als «Amtssprachen» des IOC sowie russisch. Wohl als erster und einziger Olympiasieger verstand «iPod», der Schweizer mit russischen Wurzeln, sämtliche drei Ankündigungen. Die zwei Japaner haben wahrscheinlich kein Wort verstanden ausser ihren Namen.
Podladtchikov erhält die Medaille umgehängt. Er fasst sie an, schüttelt den Kopf. Auch einen Tag später kann er es wohl noch kaum fassen, dass er im Halfpipe-Final die Ikone Shaun White geschlagen hat. «Ich stehe nicht so gerne still», beschrieb er im SRF den Moment auf dem Podest.
Der Zürcher geniesst die Nationalhymne stumm. In seinen Augen ist ein gewisser Glanz auszumachen, doch Tränen gibt es keine. Dafür ist ein Boarder wahrscheinlich zu cool. Die beiden Japaner wirken immer noch verloren.
Als Ausgleich zum Profisport schiesst Iouri Podladtchikov gerne Fotos, doch heute Abend ist er das Sujet. Der «iPod» präsentiert stolz seine Medaille, die beiden Japaner zucken innerlich jedes Mal zusammen, wenn es blitzt.
Schluss für heute mit Schweizern auf der Medal Plaza. Aber so langsam haben wir uns an das «Trittst in Morgenrot» mitten in Sotschi gewöhnt – diese Hymne dürfte ruhig noch ein paar Mal gespielt werden.