Unvergessen
Leichtathletik

20.07.1984: Sein Weltrekord zwingt den Verband dazu, den Speer anzupassen – weil die Stadien zu klein sind

Der Rekordhalter und sein Rekord.
Der Rekordhalter und sein Rekord.Bild: AP/Edwin Reichert
Uwe Hohns Rekordwurf

20.07.1984: Sein Weltrekord zwingt den Verband dazu, den Speer anzupassen – weil die Stadien zu klein sind

20. Juli 1984: Speerwerfer Uwe Hohn schleudert sein Sportgerät als erster Mann über die 100-Meter-Marke. Weil die Stadien zu klein werden, muss darauf der Speer angepasst werden. Über seinen bis heute bestehenden Weltrekord will der DDR-Athlet aber nicht reden.
20.07.2014, 00:0120.07.2014, 09:42
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«Ein Wurf ist dann gelungen, wenn der Speer von hinten nur noch wie ein Punkt in der Luft erscheint.» So beschrieb der deutsche Speerwerfer Uwe Hohn einst den perfekten Wurf. Genau solch einer ist ihm am 20. Juli 1984 gelungen.

Der Speerwerfer Uwe Hohn im Einsatz.
Der Speerwerfer Uwe Hohn im Einsatz.Bild: Bundesarchiv/Jan Peter Kasper

Die Hochspringer auf der anderen Seite des Berliner Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks schrecken auf, als ihnen ein fliegender Speer gefährlich nahe kommt. Im zweiten Versuch katapultiert der damals 22-Jährige das Sportgerät auf eine magistrale Weite und erreicht Historisches.

«Die 100 Meter standen auf der Tagesordnung, auf die war ich vorbereitet.»
Uwe Hohn

Die Zuschauer müssen lange auf die offizielle Messung warten. Bis schlussendlich ein «04,80» auf der für diese Weite nicht angepassten Anzeigetafel erscheint. Gemeint ist natürlich die Weite von 104,80 Metern – Weltrekord damals, wie auch heute noch.

Der Rekordwurf auf 104,80 Meter.Video: Youtube/ASAD0726

Es ist der Traumwurf, auf den die ganze Leichtathletik-Szene gewartet hat. Der Wurf, welcher die Schallmauer von 100 Metern durchbricht. Das Stadion explodiert. Nur einer nimmt den Superwurf mit Fassung: Das junge Kraftpaket aus Neuruppin etwas nördlich von Berlin. Kühl kommentiert der frischgebackene Rekordmann hinterher: «Ist schon eine schöne Weite. Zuerst frontal gegen den Wind, das gab ihm Höhe, und dann hat er sich hinten schön lang gemacht.» Der Rekord sei zwar schön, aber ihm sei der Europameistertitel von 1982 in Athen wichtiger. «Der kam überraschender», so Hohn. «Die 100 Meter standen auf der Tagesordnung, auf die war ich vorbereitet.»

Olympiasieger schafft nur 86,76 Meter

Ein paar Wochen nach dem Rekord reagiert der Weltleichtathletikverband IAAF. Hohns Wurf zeigt auf, dass die Stadien den menschlichen Kräften nicht mehr gewachsen sind, was die IAAF veranlasst, eine Regeländerung durchzuführen. Der Schwerpunkt wird um ein paar Zentimeter nach vorne verlegt, was dazu führt, dass ab dem 1. April 1986 die Speere früher zu Boden sinken. Den ersten Rekord mit dem neuen Speer stellt Hohns Landsmann Klaus Tafelmeier am 20. September des gleichen Jahres auf: 85,74 Meter weit fliegt sein Geschoss.

Uwe Hohn.
Uwe Hohn.Bild: Bundesarchiv/Wolfgang Kluge

Nur einen Meter weiter segelt davor der Speer des Olympiasiegers von 1984. Zwei Wochen nach Hohns Weltrekord finden in Los Angeles die Olympischen Sommerspiele statt. Hohn ist dabei nur Zuschauer. Die DDR und die meisten anderen sozialistischen Länder boykottieren die Spiele als Revancheakt für das Fernbleiben der USA 1980 in Moskau. 

So muss Hohn mitansehen, wie sich der Finne Arto Kalevi Härkönen mit 86,76 Metern Olympiagold sichert. Mit einem Wurf, der 18 Meter weniger weit schwebt als jener von Hohn – noch mit dem alten Wurfgeschoss versteht sich. 

«Am liebsten will ich gar nicht reden darüber.»
Uwe Hohn

Hohn, der für den ASK Vorwärts Potsdam startet, wird 1985 zwar noch Welt- und Europacupsieger, muss zwei Jahre später seine Karriere aber wegen Bandscheibenbeschwerden frühzeitig beenden. Sein Name taucht zu allem Übel noch in Unterlagen zum DDR-Staatsdoping auf. So verschwindet eine aussergewöhnliche Persönlichkeit unwürdig von der Bildfläche – ohne Olympiagold. «Am liebsten will ich gar nicht darüber reden, auch wegen der aktuellen Dinge», sagt er Jahre später dem deutschen Journalisten Erik Egger.

Unvergessen
In der Serie «Unvergessen» blicken wir jeweils am Jahrestag auf ein grosses Ereignis der Sportgeschichte zurück: Ob eine hervorragende sportliche Leistung, ein bewegendes Drama oder eine witzige Anekdote – alles ist dabei. 
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