1992 wurde Francis Fukuyama mit seinem Essay «Das Ende der Geschichte» über Nacht weltberühmt. Er läutete damit den theoretischen Beginn der Supermacht USA und der liberalen Weltordnung ein. Der ehemalige Neokonservative Fukuyama hat in der Folge seine Position mehrfach revidiert und gilt heute als liberal. In zahlreichen – sehr lesenswerten Büchern – hat er seine Stellung als führender Politologe der Gegenwart bestätigt. Heute lehrt er an der Stanford University in Kalifornien.
Nun hat sich Fukuyama in einen Thesenpapier mit zwölf Punkten zu Putins Krieg geäussert. Die «NZZ» hat sie in deutscher Sprache veröffentlicht. watson greift die zentralen Punkte auf und ordnet sie ein.
Fukuyama spricht von einer «inkompetenten Planung» des russischen Feldzuges, der zudem auf «fehlerhaften Annahmen» basierte. Er hält daher einen «plötzlichen und katastrophalen Zusammenbruch» der russischen Stellungen für möglich.
Einschätzung: Selbst Militärexperten verlieren sich oft im «Nebel des Krieges». Fukuyamas Prognose kann daher eintreffen – oder auch nicht.
Sicher ist jedoch bereits heute, dass Russland eine katastrophale Niederlage an der Propaganda-Front erlitten hat. Das fängt bei den beiden Präsidenten an und hört mit dem Ruf des Landes auf. Während sich Wladimir Putin bleich und aufgedunsen an grotesk langen Tischen in Szene setzt, präsentiert sich Wolodymyr Selenskyj in Militärkluft, mischt sich unter die Soldaten und strahlt dabei Zuversicht aus. Der Kontrast könnte nicht grösser und zu Ungunsten des russischen Präsidenten ausfallen.
Dazu kommt, dass Russland im Begriff ist, seinen im Kampf gegen Hitler errungenen Ruf zu verspielen. So schreibt der russische Publizist Ilia Krasilchik in einem Gastkommentar in der «New York Times»: «Russland war das heldenhafte Land, das den Faschismus besiegt hat, selbst wenn dieser Sieg danach 45 Jahre lang halb Europa unter das Joch des Kommunismus gezwungen hat. Das gilt nicht mehr. Russland ist nun die Nation, die neues und teuflisches Elend gebracht hat. Und anders als früher verfügt es über Atomwaffen.»
Fukuyama ist überzeugt, dass eine Niederlage zwangsläufig zum Sturz des starken Mannes Putin führen wird. «Was hat er noch zu bieten, wenn er seine Unfähigkeit unter Beweis gestellt hat?», so Fukuyama.
Einschätzung: Vorausgesetzt, die russische Armee wird tatsächlich geschlagen, ist diese These glaubhaft. Bereits jetzt hat Putin Mühe, seine Widersprüche zu überspielen. Er, der sich als Retter des christlichen Abendlandes aufspielt, muss muslimische Kämpfer aus Syrien und Tschetschenien als Söldner aufbieten, weil seine christlichen Soldaten versagen.
Putin, der sich immer wieder als Super-Macho präsentiert hat und die Ukraine von «Nazis und Drogenabhängigen» befreien wollte, müsste bei einer Niederlage erklären, weshalb er von einem Russisch sprechenden Juden kapitulieren musste. Das schaffen selbst die besten Spindoktoren der Welt nicht.
Fukuyama zählt auf: Matteo Salvini, Jair Bolsonaro, Eric Zemmour, Marine Le Pen, Viktor Orban und natürlich Donald Trump: Sie alle haben immer wieder Sympathien für Putin bekundet und zahlen nun den Preis dafür.
Einschätzung: Diese These trifft ins Schwarze. All die oben erwähnten drücken sich möglichst um eine Stellungnahme oder streuen sich Asche über den Kopf. Selbst Trump, der Putins Vorgehen anfänglich noch als «genial» bezeichnet hat, rudert nun zurück. Putin habe sich sehr geändert, seit er ihn zum letzten Mal gesehen habe, lässt er jetzt kleinlaut vernehmen. So sad!
Nicht nur populistische Politiker fressen kiloweise Kreide, auch Journalisten tun es. Die Starmoderatoren bei Fox News wissen weder ein noch aus und verheddern sich in irrste Widersprüche. Selbst Tucker Carlson schlägt mittlerweile gemässigte Töne an.
Betretenes Schweigen herrscht auch bei den Putin-Verstehern wie Alice Schwarzer, David Precht, Sahra Wagenknecht. Unser aller Roger Köppel macht derweil auf Appeasement und empfiehlt, man solle doch Putins Forderungen nachgeben, damit das Gemetzel aufhöre.
Fukuyama stellt fest, dass China in den letzten zehn Jahren ebenfalls «scheinbar hochmoderne Streitkräfte» aufgebaut habe – «die jedoch über keinerlei Kampferfahrungen verfügen. Der chinesischen Regierung rät er daher, einen möglichen Angriff auf Taiwan nochmals zu überdenken.
Einschätzung: Tatsächlich hat Putin mit seinem Krieg seinen besten Kumpel Xi Jinping in arge Nöte gebracht. Die Beschwörungen des chinesischen Präsidenten, er werde Putin «grenzenlos» unterstützen, bezeichnet die China-Expertin Jude Blanchette im Magazin «Foreign Affairs» als den «schlimmsten Fehler in der Aussenpolitik», den Xi in seiner beinahe zehnjährigen Amtszeit begangen habe.
Putins Irrsinn wirft auch ein schlechtes Licht auf Xi und schwächt dessen Stellung. China hat null Interesse daran, den globalen Handel zu stören. Genau dies geschieht derzeit, weil gegen Russland immer härtere Sanktionen verhängt werden. Die Weigerung des chinesischen Präsidenten, die russische Invasion zu verurteilen, wirkt ebenfalls entlarvend. Schliesslich hat China immer und immer wieder betont, wie unantastbar die Souveränität eines Landes sei.
Fukuyama schreibt, eine solche Niederlage «wird den Blues vom Niedergang der globalen Demokratie vertreiben», und die mutigen Ukrainer würden den Geist von 1989 wiederbeleben.
Einschätzung: Es ist in der Tat erstaunlich, wie sich über Nacht die politische Diskussion verändert hat. Das gilt sowohl für die Ukraine wie für den Westen.
Unter grossen Opfern entsteht im Osten eine neue geeinte Nation. «Wir werden Zeugen der Geburt einer neuen Ukraine», sagt etwa Andriy Sadvyy, Bürgermeister von Lwiw. «Ich kann mir kein anderes europäisches Land vorstellen, das einen solchen Widerstandswillen an den Tag gelegt hätte.»
Wie geeint die Ukrainer sind, zeigt beispielhaft die Stadt Charkiw. Deren Bevölkerung spricht weitgehend russisch und die meisten Menschen haben Beziehungen zum Nachbarland. Der seit Wochen andauernde Beschuss der Stadt durch russische Artillerie hat die Stimmung endgültig kippen lassen. Sergei Utenkow, der Direktor des Institutes für Physik und Technologie an der örtlichen Universität, erklärt gegenüber der «Financial Times»: «Wir haben die Russen immer gemocht. Wir haben sie nie als Feinde betrachtet. Nun hassen wir sie alle.»
Auch hier im Westen ist die Stimmung radikal gekippt. Putin wird, wenn überhaupt, höchstens noch von extremen Verschwörungstheoretikern wie den QAnon-Anhängern bewundert. Wolodymyr Selenskyj hingegen hat beste Chancen, als Winston Churchill des 21. Jahrhunderts in die Geschichte einzugehen. Er und seine heldenhaften Kämpfer haben uns einen eindrücklichen Beweis geliefert, dass es sich nach wie vor lohnt, für Demokratie, Freiheit und Rechtsstaat einzustehen.
Putin glaubte sich von Feinden umgeben, jetzt ist er es tatsächlich, und was zuvor noch neutral war strebt jetzt in die NATO.
Diejenigen Ukrainer welche sich bisher eine engere Anbindung an Russland wünschten wünschen jetzt Putin zum Teufel.
Aber noch dürfen wir nicht zu siegesgewiss sein, solange noch russische Truppen in der Ukraine stehen werden die Kriegsverbrechen weitergehen, noch weit darüber hinaus wird die Ukraine auf Hilfe angewiesen sein.
Er griff an um die Ukraine zu entmilitarisieren und entmilitarisiert jetzt Russland in der Ukraine. Wirtschaftlich fährt er sein Vaterland an die Wand und sorgt in der Ukraine, wie auch in seinem Land für viel Leid.
Ich hoffe sehr, dieser Wahnsinn endet möglichst bald. Auch wenn es keinen „Sieger“ gibt, gibt es unzählige Verlierer.