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Granit Xhaka im Interview über seine bisher beste Saison

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Captain Granit Xhaka beim Fussball-Länderspiel gegen Katar.Bild: EPA/KEYSTONE
Interview

«Ich bin so gut wie noch nie» – Granit Xhaka im Interview über seine bisher beste Saison

Granit Xhaka spricht über das Nationalteam, das Leben in London – und er verrät, warum er bei Arsenal mehr Wertschätzung spürt.
17.11.2018, 11:05
Etienne Wuillemin / ch media
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Granit Xhaka, wie ausführlich müssen wir über das Spiel Schweiz - Katar sprechen?
Granit Xhaka: Wie Sie mögen. Wir können auch ausschliesslich darüber reden. Kein Problem.

Das lassen wir. Trotzdem: Was sagt dieses Spiel aus über das Nationalteam?
Es war ein Ausrutscher. Und natürlich waren wir schlecht. Aber ich bedaure eben auch, dass wir auf einem Platz spielen mussten, wo man vor jeder Ballannahme zuerst schauen musste, dass man sich nicht verletzt. Das soll keine Ausrede sein, keine billige Entschuldigung. Wir hätten gegen Katar auch unter diesen Umständen gewinnen müssen.

Nun folgt am Sonntag der «Final» in der Nations League gegen Belgien. Was fehlt diesem Team zu einem Exploit gegen einen Weltklasse-Gegner?
Ich wage zu sagen, es liegt nicht an der Qualität. Wir verloren gegen England 0:1, gegen Belgien 1:2, aber wir mussten ja nicht hinstehen und sagen: «Wow, die haben uns auseinandergenommen, zum Glück haben wir nicht höher verloren.» Im Gegenteil. Es waren gute Spiele. Vielleicht liegt es an der Cleverness. Wir müssen künftig auch einmal ein Unentschieden über die Zeit bringen. Aber nicht dass jetzt jemand meint, ich wäre am Sonntag mit einem 1:1 zufrieden.

Switzerland's Granit Xhaka reacts during an international friendly soccer match between Switzerland and Qatar at the Cornaredo stadium in Lugano, Switzerland, on Wednesday, November 14, 2018. (KE ...
Bild: KEYSTONE
Granit Xhaka
Obwohl Granit Xhaka im September erst 26 Jahre alt geworden ist, gehört er zu den Nationalspielern mit der meisten Erfahrung. In 71 Länderspielen hat sich der Arsenal-Spieler zum wahrscheinlichen neuen Captain emporgearbeitet. Seine Karriere hat Xhaka beim FC Basel begonnen. 2009 war er Teil jener U17, die als erstes Schweizer Fussballteam überhaupt einen Weltmeistertitel errang. (ewu)

Es gab eine Phase, bis zum WM-Achtelfinal, da verlor die Schweiz von 25 Spielen nur eines. Seither sieht die Bilanz anders aus: Sechs Partien, vier Niederlagen. Wird man da plötzlich unsicher?
Wir verlieren deswegen nicht das Vertrauen. Aber zugegeben, jeder Spieler hat ein anderes Selbstverständnis auf dem Platz, wenn er weiss: Am Ende gewinnen wir doch immer.

Nationaltrainer Vladimir Petkovic hat den Herbst zur Phase des Experimentierens ausgerufen. Was bleibt?
Dass wir einen Plan B haben. Wir haben drei Mal mit Dreierkette gespielt. Das gibt uns Möglichkeiten, wenn wir Alternativen brauchen, einen Rückstand aufholen oder auch mal mauern. Zwar verloren wir alle drei Spiele mit Dreierkette, aber das bedeutet nicht, dass alles schlecht war. Das ist normal in einem Entwicklungsprozess.

«Einerseits bin ich stolz auf uns. Andererseits haben wir das Ziel nicht erreicht.»

Fünf Monate ist es nun her seit dem Startspiel der WM gegen Brasilien. Wenn Sie auf Russland zurückblicken, welche Erkenntnisse bleiben?
Da müssen wir eigentlich nicht mehr gross darüber sprechen. Wir freuen uns auf den Vergleich mit Belgien. Und dann die EM-Qualifikation im neuen Jahr.

Warum nicht? Zu jeder Bilanz gehört ein Rückblick. Die WM war im Länderspieljahr, das nun zu Ende geht, prägend.
Einerseits bin ich stolz auf uns. Andererseits haben wir das Ziel nicht erreicht. Es wird sich nicht mehr ändern, aber Schweden wäre ein schlagbarer Gegner gewesen im Achtelfinal.

Wie sehen Sie rückblickend Ihre persönliche Leistung an der WM?
Man kann immer besser spielen. Der Achtelfinal war nicht das beste Spiel. Auch nicht von mir. Genau dann, als es hätte sein sollen. Leider.

In Russland ist viel passiert. Es gab die Geschichten rund um Ihren Jubel mit dem Doppeladler. Es gab danach die Debatten über die Doppelbürger mit all ihren Folgen. Und mittendrin Sie als Nationalspieler. Können Sie aus diesen Monaten etwas mitnehmen, das Sie vielleicht im Reifeprozess weiterbringt?
Vielleicht. Aber ich sehe das nicht an erster Stelle, dass ich davon hätte profitieren können. Es gibt für mich mehr enttäuschende, ja gar traurige Aspekte, die im Vordergrund stehen.

«Das Schlimme ist ja: Egal, wo du hinkommst, irgendein Spruch kommt eben immer wieder.»

Konkret?
Rund um Schweiz gegen Serbien waren sehr viele Emotionen im Spiel. Aber ab dem Moment des Schlusspfiffs dieser Begegnung war die WM eigentlich vorbei. Es ging nie mehr um den Fussball. Was in den Wochen und Monaten danach auf uns einprasselte, war aus meiner Sicht übertrieben. Und darum enttäuschend. Und ich bin sicher, dass die Diskussionen auch noch während der WM einige Spieler beeinflussten.

Im ersten Zusammenzug des Nationalteams nach der WM standen Sie als Team geschlossen vor die Medien, sprachen über Ihre Wahrnehmung der Geschichte, auch darüber, was in Ihnen vorging. Das kam sehr gut an. Konnten Sie das Erlebte nun verdauen?
Das Schlimme ist ja: Egal, wo du hinkommst, irgendein Spruch kommt eben immer wieder. Das hat man bei Xherdan Shaqiri gesehen, er durfte darum auch nicht nach Belgrad ans Champions-League-Spiel. Ich habe es kürzlich erlebt in einem Spiel mit Arsenal gegen Crystal Palace, als ich mir von Zuschauern Schimpf und Schande anhören musste. Ich frage mich: Was soll das? Wo führt das hin? Wenn ich darüber nachdenke, macht mich das traurig. Im Rückblick muss ich sagen: Ich hätte nie gedacht, dass wir so einen Einfluss haben. Und dass eine kleine Geste so einen Knall auslöst.

Sie sind seit etwas mehr als zwei Jahren in London zu Hause. Wie ist das Leben in der Grossstadt?
Ich kenne die Stadt auch heute noch nicht wirklich. Nicht, weil ich nicht will. Aber ich brauche die Ruhe zu Hause. Ich könnte auch frei herumlaufen, das wäre alles kein Problem. Aber wenn man so viele Spiele hat, dauernd unterwegs ist, dann sehnt man sich manchmal einfach nach Erholung.

Aber Ihre Frau möchte doch sicher die Vorzüge von London geniessen?
Na klar, und das soll sie auch! Ich schreibe ihr ja nicht vor, dass sie stets zu Hause bleiben müsste (lacht). Aber sie hat viel Verständnis. Der Genuss zu zweit kommt nicht zu kurz.

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Granit Xhaka und Ehefrau Leonita Lekaj an den FIFA Football Awards.Bild: EPA/EPA

Zurück zum Fussball. Der Eindruck von aussen ist: Sie haben bei Arsenal an Präsenz, Selbstverständnis, aber auch Dominanz gewonnen.
Es ist eindeutig meine beste Saison bis jetzt.

Dann würden Sie auch sagen: «So gut wie heute war ich noch nie.»
Ja.

Ohne Zweifel?
Ohne Zweifel. Ich glaube, ich habe nochmals einen Schritt nach vorne gemacht.

Woher kommt das?
Zunächst einmal war es ein tolles Zeichen des Vereins, meinen Vertrag vorzeitig zu verlängern, neu bis 2023. Das war schon vor der WM und für mich ein riesiges Zeichen von Wertschätzung. Ich wusste: Aha, ich bin dem Verein sehr wichtig. Und dann ist natürlich Trainer Unai Emery ein wichtiger Grund. Ich hatte bis nach der WM nie Kontakt mit ihm. Erst im Urlaub. Als ich dann zurück im Training war, hat er mir als Erstes gleich gesagt: «Granit, du bist einer meiner fünf Captains.» Bei einem der besten zehn Klubs weltweit. Das macht schon stolz. Und gibt Vertrauen.

«Es ist die beste Phase von Arsenal, seit ich bei diesem Klub bin.»

Der Trainer scheint bedingungslos auf Sie zu setzen. Das geht so weit, dass er Sie in der Not auch als linken Aussenverteidiger nominiert.
Er will einfach Konkurrenz für Ricardo Rodriguez schaffen im Nationalteam (lacht schallend). Das ist tatsächlich eine Vertrauenssache. Er fragte mich: «Granit, kannst du das?» Ich sagte: «Ja, warum nicht. Ich habe da einfach noch nie gespielt.» Und dann war ich eben plötzlich hinten links.

Spüren Sie, dass der Wind in der Öffentlichkeit dreht? Dass Sie, gerade in England, mehr Respekt erhalten und Ihre Qualitäten da und dort anerkennend zur Kenntnis genommen werden?
Ich habe immer ein bisschen Zeit gebraucht. Das war ja in Deutschland nicht anders. Ja, der Wind dreht langsam. Fakt ist aber auch, dass bei mir Fehler schneller zum Thema gemacht werden, als wenn ich gut spiele. Auch das war und ist stets gleich, ob in der Schweiz, in Deutschland oder in England.

Der «Guardian» schrieb zuletzt: «Xhakas Steigerung ist womöglich das deutlichste Zeichen für die Veränderung, die Arsenal unter Emery gemacht hat.»
Ich spüre das ja selbst auch. Es ist die beste Phase von Arsenal, seit ich bei diesem Klub bin. Und der Trainer hat da enormen Einfluss. Er bereitet uns alle super vor. Wir haben einen Plan. Wir wissen, wie es geht mit Ball, ohne Ball. Wir wissen wie und wann wir wo zu stehen haben. Emery ist wie Lucien Favre, ein Freak, der uns hin- und herschiebt, zehn Mal, bis es jeder verstanden hat.

Und dieser Plan variiert für jedes Spiel?
Genau. Die erste Videoanalyse folgt schon direkt nach dem Spiel. Und dann geht es so weiter, jeden Tag. Am Spieltag nach dem Frühstück 30 Minuten Video – und dann sogar noch einmal, bevor wir zum Spiel fahren. (aargauerzeitung.ch)

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21 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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rodolofo
17.11.2018 11:44registriert Februar 2016
Wie unschweizerisch ist dieses Selbstbewusstsein!
...
Nein, war nur Witz.
Mit der "Mediterranisierung" der Schweiz (dank der Migration!) wird die Schweiz farbiger, emotionaler, wärmer UND selbstbewusster!
Der verschupfte Bank-Bürolist mit Hornbrille und über die Glatze geklebten Resthaar-Strähnen (wie ihn Viktor Giaccobo so wunderbar karikiert und wie er auch im Original auf den Strassen einer Schweizer B-Stadt zu sehen ist) ist nicht mehr gleichbedeutend mit "Schweiz".
Heute stehen dafür auch Namen wie Xhaka, Shaquiri, oder Embolo, Akanji, usw.
Allez, allez allez allez! Allez! Allez!
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ManuL
17.11.2018 13:09registriert Juni 2015
Wenn ich das Interview lese, hat er „Ich bin so gut wie noch nie“ ja anscheinend nicht einmal gesagt. Klever gemacht vom Journalisten, gibt eine tolle Schlagzeile...
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