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Interview

«Chinas Industrie ist unschlagbar geworden»

epa12159686 The skyline of Beijing, China, 06 June 2025. US President Donald Trump and China's President Xi Jinping held a phone call on 05 June 2025 to discuss trade negotiations. EPA/JESSICA LE ...
Bild: EPA
Interview

«Chinas Industrie ist unschlagbar geworden»

Chinas Wirtschaft produziert mehr als diejenige der USA, Japans und Deutschlands zusammengenommen. Warum deshalb Grosskonzerne nicht mehr auf China verzichten können, erklärt Jing Qian, Mitbegründer des Center for China Analysis.
12.07.2025, 19:5213.07.2025, 12:35
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China ist heute technologisch auf dem gleichen Stand wie der Westen, hört man derzeit öfter. Teilen Sie diese Einschätzung?
Jing Qian: In China sprechen wir von einem DeepSeek-Moment. Die chinesische Antwort auf ChatGPT wurde im November 2024 lanciert. Das war für uns ein wichtiges Symbol, dass wir mit dem Westen mithalten können. China hat auf mehreren Gebieten bedeutende technische Durchbrüche erzielt, und zwar zu weit tieferen Kosten als der Westen.

Woran denken Sie konkret?
Etwa an die chinesischen Roboterfirmen. Sie können inzwischen mit den Produkten von Boston Robotics mithalten, kosten aber zehnmal weniger.

Auch, was die Qualität betrifft?
Ja, manchmal sind so sogar qualitativ besser.

Weshalb?
Inzwischen werden in China mehr Produkte hergestellt als in den USA, Japan und Deutschland zusammengenommen. Das erhöht die Effizienz enorm. Was Geschwindigkeit und Qualität betrifft, ist China unschlagbar geworden. Wir haben auch viele sogenannte Cluster, Ansammlungen von verschiedenen Unternehmen, die sich gegenseitig ergänzen. Viele multinationale Unternehmen können deshalb den chinesischen Markt gar nicht mehr verlassen. Sie brauchen unsere Lieferketten und unsere Cluster, um ihre Produkte zu fertigen.

BEIJING, CHINA - OCTOBER 20: A Chinese customer and his son look at the iPad in the newly opened Apple Store in Wangfujing shopping district on October 20, 2012 in Beijing, China. Apple Inc. opened it ...
Auch in China beliebt: Apples iPad.Bild: Getty Images AsiaPac

Apple ist ein bekanntes Beispiel dieser Abhängigkeit von China geworden. Donald Trump will diese Entwicklung jedoch wieder rückgängig machen. Wird ihm dies gelingen?
Ich weiss zu wenig über Apple, um dies zu kommentieren. Generell gilt jedoch, dass die Abhängigkeit nicht so schnell abnehmen wird, denn heute gilt nicht mehr die Aussage, dass China billige Produkte von geringer Qualität herstellt. Heute stellt China hochwertige Produkte zu weit tieferen Kosten her. Zudem sind unsere Unternehmen auch sehr innovativ geworden.

Schön und gut, aber die besten Chips werden nach wie vor in den USA designt (Nvidia) und in Taiwan gefertigt (TSMC). Und sie dürften nicht nach China exportiert werden.
Ich bin auch kein Fachmann für Exportkontrollen. Generell kann ich jedoch feststellen: Die amerikanischen Exportkontrollen haben die chinesischen Entwicklungen nicht gebremst, sondern im Gegenteil beschleunigt. Die chinesische Software-Industrie hat gerade wegen der US-Sanktionen gewaltige Fortschritte gemacht. Allerdings muss ich auch zugeben, dass die Kontrollen teilweise Wirkung erzielen. Die jüngste Version von DeepSeek wird verzögert, weil die hochwertigsten Nvidia-Chips China nicht zur Verfügung stehen.

Welche Folgen hat der von Trump entfachte Handelskrieg auf die chinesische Wirtschaft?
Es gibt derzeit ein wildes Auf und Ab. Das hat auch sein Gutes. Es stärkt Chinas Selbstständigkeit. Doch Verhandlungen sind immer noch im Gang, und ich möchte mich bei der Schweiz bedanken. Die Gespräche zwischen den USA und China in Genf waren sehr wichtig.

Jing Qian
Jing Qian, Mitbegründer des Center for China Analysis. Er war Referent bei der Asia Society Switzerland in Zürich.

Danach konnte man vielerorts lesen, China sei als Sieger aus diesen Gesprächen hervorgegangen.
In einem Handelskrieg gibt es nie Sieger und Verlierer. Er ist für beiden Seiten schlecht. Was den Handel betrifft, müssen die USA, China und Europa derzeit eine neue Balance finden.

Wenn Sie Europa ansprechen: Ist es nicht der Verlierer des Handelskrieges? Die EU – und auch die Schweiz – geraten zwischen Hammer (USA) und Amboss (China). Wie lautet in dieser Situation Ihr Rat an die Schweiz?
Zunächst: Ich liebe die Schweiz und besuche sie regelmässig. Die Schweiz versucht, neutral zu bleiben. Das ist gut so. Aber es wird zunehmend schwierig werden. Trotzdem sollte die Schweiz ihre Neutralität nach Möglichkeit nicht aufgeben.

Wo sehen Sie die Möglichkeit, dass Europa und China zusammenarbeiten können?
Etwa bei der Entwicklung von Afrika. Oder natürlich, was das Klima betrifft. Ein ganz wichtiges Thema für eine Zusammenarbeit zwischen China, Europa und den USA könnte der Kampf gegen den Krebs sein.

«Die chinesische Software-Industrie hat gerade wegen der US-Sanktionen gewaltige Fortschritte gemacht.»

Trump hat gerade die Subventionen für die Krebs-Forschung drastisch reduziert. Wie soll das funktionieren?
Auf dem Papier kann jede Krebserkrankung geheilt werden. Das Problem liegt darin, dass es sehr lange dauert, bis die Forschungsresultate in die Praxis umgesetzt werden können, denn dazu müssen die Resultate der klinischen Versuche abgewartet werden. Weil China eine so grosse Bevölkerung hat, hat es auch viel mehr Krebserkrankungen. Wenn wir alle klinischen Versuche zusammenlegen, erhalten wir die Resultate viel früher, und auch die Kosten reduzieren sich massiv. Eine Zusammenarbeit aller würde daher sehr viel Sinn für alle machen. Im Kampf gegen die Masern haben die USA und die Sowjetunion im Kalten Krieg ebenfalls kooperiert.

Die USA wollen grosse Teile des Green New Deals rückgängig machen. Ist das nicht ein Geschenk an China?
China ist Weltmarktführer, was Solarpanels betrifft. Das hat übrigens nichts mit Subventionen der Regierung zu tun. Diesbezüglich herrscht im Westen ein grosses Missverständnis. Es hängt damit zusammen, dass die lokalen Behörden ein grosses Interesse daran haben, diese Industrien bei sich anzusiedeln. Daher gibt es Überkapazitäten und heftigen Wettbewerb zwischen den Herstellern. Die Folge davon sind die tiefen Preise. Doch sowohl China als auch Europa haben ein Interesse daran, diese Überkapazitäten zu reduzieren.

HANDOUT - Testfahrt anlaesslich des Dynamic Brand Launch von BYD, aufgenommen am Dienstag, 1. April 2025 in der Umwelt Arena Schweiz in Spreitenbach. (BYD Switzerland/AWP/KEYSTONE/Ennio Leanza) *** NO ...
Auch in der Schweiz erhältlich: ein Elektroauto von BYD.Bild: keystone

Gilt dies auch für Elektroautos?
Ja, es ist das gleiche Prinzip. Es gibt auch Subventionen der Regierung, aber bei weitem nicht so viele, wie im Westen geglaubt wird. Zwischen den Elektroauto-Herstellern herrscht ein sehr harter Wettbewerb, deshalb gibt es auch so viele Innovationen.

Die europäischen Hersteller haben grosse Angst, von BYD & Co. an die Wand gedrückt zu werden.
Die Situation hat sich in ihr Gegenteil verkehrt. Einst haben uns VW & Co. gelehrt, wie man Autos baut, heute ist es umgekehrt. Die chinesischen Hersteller würden sehr gerne Joint Ventures mit den Europäern eingehen. Das wäre auch für die Konsumenten ein grosser Gewinn.

Das tönt alles wunderbar. Aber was ist mit Chinas Problemen? Was ist mit der Jugendarbeitslosigkeit und mit der Überalterung der Gesellschaft?
Ja, es stimmt, China hat ein Jugendarbeitslosigkeits-Problem. Viele Universitäts-Abgänger haben Mühe, einen Job zu finden. Auf dem Arbeitsmarkt gibt es eine Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage. Es hat viel zu wenig Pflegepersonal und Handwerker.

Willkommen im Club. Bei uns wollen auch alle Jungen Influencer werden.
Doch die chinesische Regierung ist sehr pragmatisch. Präsident Xi Jinping hat die wichtigsten Unternehmer zusammengerufen – darunter Ren Zhengfei von Huawei und Jack Ma von Alibaba – und mit ihnen die wirtschaftlichen Probleme besprochen. Dabei geht es vor allem darum, wie der einheimische Konsum angekurbelt werden kann.

Versucht man dies nicht seit Jahren?
Nein. Zum ersten Mal ist der einheimische Konsum zur Top-Priorität der Wirtschaftspolitik erklärt worden.

Und was ist dran an der Behauptung, China werde alt, bevor es reich werde?
Diese Gefahr ist leider sehr gross. Die älter werdende Bevölkerung ist eine der grössten Herausforderungen, vor denen China derzeit steht.

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136 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Viva Svizzera
12.07.2025 20:53registriert März 2023
China perfektioniert den staatsgelenkten Kapitalismus – mit milliardenschweren Subventionen, erzwungenem Technologietransfer und asymmetrischen Marktregeln. Während der Westen vom freien Handel träumt, spielt Peking Schach mit Industriestrategie.

Joint Ventures mit 51 %-Mehrheitsbesitz dienen als Mittel zum erzwungenen Technologietransfer. Der Westen agiert oft zu nachsichtig, statt mit gleichen Massnahmen für marktwirtschaftliche Fairness zu sorgen.

Freier Handel funktioniert nur, wenn beide Seiten nach denselben Regeln spielen. China tut das nicht.
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Hypnos350
12.07.2025 20:10registriert August 2015
Bravo, hat der gute alle fragen richtig beantwortet, Präsident Xi Jinping wird zufrieden sein.
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Tom Scherrer (1)
12.07.2025 20:22registriert Juni 2015
Schön.

Und nun noch ein interview des Gründers des MAGA Swiss Forums, der über die Grösse und Stärke der USA fantasiert ;))
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