Schummriges Licht, Rauch aus den Nebelmaschinen, in der Mitte der Bühne steht ein Käfig. Darin ein Mann mit Hundemaske auf allen vieren. Um ihn herum tanzt eine junge Frau im schwarzen BH, Minirock und Bikerboots.
Wer am Donnerstag einen Blick auf die «La Fabrik»-Stage am Openair Frauenfeld warf, konnte diesen wohl nicht so schnell wieder davon lösen. Die Frau im knappen Outfit ist Ikkimel, die wohl polarisierendste und beliebteste Newcomer-Rapperin, die Deutschland gerade zu bieten hat.
Am Donnerstag ist die Berlinerin am Openair Frauenfeld mit ihrer Tour zum Album «Fotze» aufgetreten. Hunderte Fans strömten zur Bühne, um die Show der 23-Jährigen zu bejubeln. Dabei gehört das Einsperren eines männlichen Fans mit Hundemaske zum festen Bestandteil des Auftritts – Dutzende melden sich jeweils freiwillig. Die Lyrics, die Ikkimel dabei mitsingt, unterstreichen die Botschaft der Szene: «Schnauze halten, Leine an – Schatz, jetzt sind die Weiber dran.»
Doch diese Show ist längst nicht das einzige, was Dutzende Medien dazu veranlasst, Ikkimel als «Skandal-Rapperin» zu betiteln. In ihrem Song «Who's That» teilt sie etwa gegen Christen aus, sexualisiert sich selbst und positioniert sich gleichzeitig als Feministin. Dabei singt sie: «Nimm das Kreuz aus deiner Bio, du Fotze» und spielt darauf an, dass Hassnachrichten oftmals von Gläubigen kommen. Zudem heisst es: «Berliner Schlampe, ich bin too bad. Guter Ass und du siehst ihn in dei'm Newsflash» und «Ich kann machen, was ich möchte, weil ich bin eine Frau.»
Tatsächlich gilt Ikkimel als feministische Ikone bei ihren Fans. So verwendet die Rapperin in ihren Texten immer wieder Begriffe, die als Beleidigungen für Frauen benutzt werden, und versucht so, ihnen eine andere Bedeutung zu geben. Sozusagen, um sie vom Patriarchat zurückzugewinnen. Sie nennt sich «Schlampe» oder «Fotze» und degradiert Männer.
Zudem betont sie auch immer wieder, dass sie ihre knappen Outfits nicht für die Männer trage, sondern weil sie sich selbst gerne sexy fühle. In einem Interview mit «Deutschrap Ideal» meinte sie dazu: «Nur weil ich gerne Drogen nehme, Sex habe und feiern gehe, heisst das nicht, dass ich inkompetent bin.»
Dieses Statement wird unterstrichen, wenn man einen Blick auf die Biografie der Musikerin wirft. Melina Strauss – wie Ikkimel mit bürgerlichem Namen heisst, zusammengesetzt aus dem berlinerischen Wort für ich «Ikke» und ihrem Spitznamen Mel – hat an der Universität in Berlin den Bachelor in deutscher Philologie, Sozial- und Kulturanthropologie gemacht. Bis die Musik ihr Hauptberuf wurde, arbeitete sie in einem Labor für Gehirn- und Sprachforschung. Aus dem Fakt, dass sie sich selbst intelligent findet, macht Ikkimel auch kein Geheimnis: «Ich bin mitunter die beste Rapperin in Deutschland, ich schreibe meine Texte selbst, ich mache alles selbst und ich bin halt f*cking smart.»
Kritikerinnen und Kritiker können aber genau mit solchen und ähnlichen Aussagen der Rapperin nicht gut umgehen. In Videos und Kommentaren wird Ikkimel regelmässig angegriffen. «Wenn so ein Scheiss in die Charts kommt, ist uns nicht mehr zu helfen» oder «Frauen und Rap war noch nie eine gute Mischung» steht etwa unter TikTok-Videos der Rapperin. Feministinnen und Feministen kritisieren zudem, dass echter Feminismus nicht zum Männerhass umschwingen solle und dass ihre Selbstsexualisierung auch eine Auswirkung des Patriarchats sei.
Doch Ikkimel weiss sich bei solchen Bemerkungen zu verteidigen. Immer wieder macht sie auf die Doppelmoral aufmerksam, dass Männer in der Rapszene seit Jahrzehnten sexistische Texte schreiben und das von der Gesellschaft toleriert wird. Sie weist zudem auch darauf hin, wie viele Frauen ihre Texte als Empowerment sehen.
Dass Ikkimel mit ihrer Musik aber mehr Erfolg hat, als dass sie aneckt, zeigen die Charts, in denen ihre Songs wie «Böser Junge» oder «Who's That» immer höher klettern. Auf Spotify und TikTok holen die Songs zudem Millionen von Streams.
Aber eine Frau, die Begriffe für sich verwendet, mit denen manche Männer Frauen abwerten, gilt u.a. genau deshalb als feministische Ikone?!
Dass eine Frau sich als Schl... betitelt und auf eine Fo.... reduziert, ist für mich weiter von meinem Bild von Weiblichkeit und Emanzipation entfernt, als das, was die chauvenistischsten Männer von einer Frau halten.
... Oder es ist einfach zu "modern" für mich. 🤷