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Bundesgericht schraubt Bussen für Casinos in Präzedenz-Urteil massiv herunter

Das Basler Airport Casino, in dem M. innert fünf Jahren die Treuhandfirma von sich und seinem Geschäftspartner verspielte. 
Das Basler Airport Casino, in dem M. innert fünf Jahren die Treuhandfirma von sich und seinem Geschäftspartner verspielte. Bild: KEYSTONE
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Bundesgericht schraubt Bussen für Casinos in Präzedenz-Urteil massiv herunter

Das Basler Airport Casino liess einen Immobilientreuhänder sich und Dutzende seiner Kunden in den Ruin spielen, obwohl er längst hätte gesperrt werden müssen. Das Bundesgericht hat die ursprüngliche Busse für das Casino von fast 5 auf rund 1,5 Millionen Franken reduziert. 
24.06.2014, 11:5524.06.2014, 15:10
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Der Fall ist für die Schweiz beispiellos: Der Basler Immobilientreuhänder K. Müller* verspielte in den Jahren zwischen 2003 und 2008 im Basler Airport Casino Millionen von Franken. Dabei veruntreute er rund 6,5 Millionen Franken aus Kundenkonten der Immobilien-Firma, die er mit einem Geschäftspartner betrieb. Die Firma ist bankrott, die Stockwerkeigentümer sind ihr Geld los. 

Die Eidgenössische Spielbankenkommission, von geschädigten Stockwerkeigentümern alarmiert, verhängte mit rund 4,9 Millionen Franken eine Rekordbusse über das Casino, da dieses sein eigenes Sozialkonzept zur Verhinderung von Spielsucht missachtet und fast «eventualvorsätzlich» gegen die Spielbankengesetzgebung verstossen habe. Nun hat das Bundesgericht die Rekordbusse auf knapp 1,5 Millionen Franken reduziert, wie aus einem heute veröffentlichten Urteil hervorgeht. 

Grosse Casinos fahren besser

Der Entscheid hat jedoch nicht nur für diesen Fall Konsequenzen, sondern ist ein Präzendenz-Urteil, das insbesondere grosse Casinos in Zukunft massiv günstiger wegkommen lässt. Im Grundsatz berechnen sich die Bussen nach dem Nettogewinn, den die Casinos mit den unrechtmässig eingenommenen Beträgen von zu sperrenden Spielern gemacht haben. Künftig müssen die auf die illegal erworbenen Einnahmen bezahlten Spielbankenabgaben bei der Berechnung des Nettogewinnes abgezogen werden. Und zwar nicht Durchschnittssteuersatz, sondern zum Grenzsteuersatz. Und dieser schenkt ein. Je nach Umsatzstärke des Casinos können so bis zu 80 Prozent der Erträge als Spielbankenabgabe abfliessen.

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Im Fall des Basler Airport Casinos reduzieren sich die Nettoeinnahmen aus den Geschäften mit Müller so von 1,7 Millionen um mehr als die Hälfte auf nur noch 855'000 Franken. Dass man die mit dem Faktor 1,75 multiplizieren muss, hat das Bundesgericht indes wegen der Schwere der Vergehen der Casinoverantwortlichen gleich wie die Vorinstanzen Spielbankenkommission und Bundesverwaltungsgericht anerkannt. 

Kunden geschröpft, Firma ruiniert, Psychiatrie

Der Fall von K. Müller hatte vergangenes Jahr Schlagzeilen gemacht, nachdem die Anklageschrift an die Medien gelangte. Diese zeigte, wie Müller mit fortschreitender Spielsucht die Konten seiner Kunden leerräumte und verzweifelt versuchte, die Fehlbeträge zu vertuschen. Zum Schluss zahlte Müller am Postschalter Kleinstbeträge auf die Kundenkonten, im hoffnungslosen Versuch, Fehlbeträge von zehntausenden von Franken abzumildern. 

Auf Nachfrage der Kunden fälschte Müller auch Bankbelege. Im Herbst 2008 hatte das Casino Müller im Verlauf der Jahre rund 24 Millionen Franken ausgezahlt, wie aus der Strafuntersuchung hervorging. Davon war nichts übrig geblieben. Müller unternahm zwei Selbstmordversuche und landete in der Psychiatrie. Das Basler Strafgericht verurteilte ihn zu 57 Monaten Haft. 

Die Casino-Verantwortlichen hatten Müller in der ganzen Zeit nur einmal 2006 zum Gespräch gebeten, auf seine Bonität prüfen lassen und darauf hin eine Aktennotiz erstellt. Obwohl Müller im Schnitt über eine Million Franken im Monat ausbezahlt wurden und er die Automaten statistisch gesehen mit weit höheren Beträgen gefüttert haben muss, verzichtete das Airport Casino auf eine Überwachung des Spielers, wie es das Sozialkonzept und das Spielbankengesetz vorschreiben. Die Begründung des Casinos lautete, dass Müller einen gepflegten Eindruck gemacht, ein intaktes familiäres Umfeld gehabt habe und zudem auch bei grossen Gewinnen oder Verlusten «exzessives Verhalten» gezeigt habe. 

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