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Donald Trump

Klimaabkommen: Ständerat sagt Ja und kritisiert den «himmelschreienden Trump-Entscheid»

Ständerat sagt Ja zum Klimaabkommen und kann sich Seitenhieb an Trump nicht verkneifen

07.06.2017, 12:1607.06.2017, 12:40
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ZUR STUDIE UEBER DIE ENTSCHAEDIGUNG DER BUNDESPARLAMENTARIER, AM DIENSTAG, 23. MAI 2017, ERHALTEN SIE FOLGENDE ARCHIVBILDER ---- Der Staenderat fotografiert an der Fruehlingssession der Eidgenoessisch ...
Bild: KEYSTONE

Die Schweiz kann das Pariser Klimaabkommen ratifizieren. Der Ständerat hat sich am Mittwoch als Zweitrat deutlich dafür ausgesprochen. Heftig kritisiert wurde der Entscheid von US-Präsident Donald Trump, aus dem Abkommen auszusteigen.

Der «himmelschreiende Trump-Entscheid» gemäss dem Motto «nach uns die Sintflut» habe zu Recht die ganze Welt erschüttert, sagte Beat Vonlanthen (CVP/FR). Wenn Politiker in der Schweiz in die gleiche Kerbe hauten, löse das bei ihm ungläubiges Kopfschütteln aus.

Frage der politischen Intelligenz

«Die Klimaerwärmung ist ein Fakt», sagte Vonlanthen. Nur «unverbesserliche Hinterwäldler» erlaubten sich, das in Frage zu stellen. Klimaschutz sei eine existenzielle Frage, es gehe um die Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen.

Klimawandel und Golfstrom: Fragile Ozeanzirkulation

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Klimawandel und Golfstrom: Fragile Ozeanzirkulation
Wärmebild des Atlantiks (rot = warm, blau = kalt): Europas Fernheizung entspringt im Golf von Mexiko. Dort heizt sich das Meer auf, gelenkt von Winden und der Erddrehung strömt das warme Wasser nach Norden.
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Roberto Zanetti (SP/SO) stellte fest, Umwelt- und Klimaschutz sei lange eine Frage der politischen Moral gewesen. Nun sei es eine Frage der politischen Intelligenz. So gesehen erstaune ihn der Entscheid des US-Präsidenten nicht. Pascale Bruderer (SP/AG) zeigte sich überzeugt, dass Trump sich mit dem Entscheid ins eigene Fleisch schneidet und die US-Wirtschaft schwächt.

Schweiz stark betroffen

Viele Rednerinnen und Redner wiesen darauf hin, dass die Schweiz als Alpenland besonders vom Klimawandel betroffen sei. Der Walliser CVP-Ständerat Beat Rieder stellte fest, in den Bergen sei der Klimawandel offensichtlich. Die schmelzenden Gletscher und die zunehmenden Hangrutsche seien nicht zu übersehen.

Werner Luginbühl (BDP/BE) wies darauf hin, dass die Temperatur in der Schweiz bereits stärker angestiegen sei als anderswo. Wenn sie weltweit durchschnittlich um zwei Grad ansteige, seien es in der Schweiz vier Grad. «Weil wir Klimawandel nicht allein aufhalten können, brauchen wir das internationale Abkommen», sagte Luginbühl. Das Abkommen sei griffig und fair, es verlange von allen Staaten Anstrengungen.

Bundespraesidentin Doris Leuthard spricht zur Kleinen Kammer an der Sommersession der Eidgenoessischen Raete, am Mittwoch, 7. Juni 2017 im Staenderat in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)
Bundesrätin Doris Leuthard: «Die Ratifizierung des Abkommens im Interesse der Schweiz, auch aus volkswirtschaftlichen Gründen».Bild: KEYSTONE

Wirtschaftliche Gründe

Einig waren sich die Rednerinnen und Redner auch, dass der Ausstieg der USA nicht ein Scheitern des Klimaabkommens bedeutet. Raphaël Comte (FDP/NE) gab der Hoffnung Ausdruck, dass andere Länder sich nun stärker anstrengen. Er zitierte den französischen Präsidenten Emmanuel Macron: «Make our planet great again». Auch die Schweiz sollte ein klares Signal senden.

Bundespräsidentin und Umweltministerin Doris Leuthard zeigte sich ebenfalls zuversichtlich. Sie wies darauf hin, dass der Austritt der USA erst 2019 erfolgen könne. Anschliessend werde es vielleicht andere Präsidenten geben, die anders entschieden. Ausserdem hätten die Reaktionen der Wirtschaft gezeigt, dass diese schon lange weiter sei. Die Ratifizierung des Abkommens sei im Interesse der Schweiz – «nicht nur, weil wir verlässlich sind, sondern auch aus volkswirtschaftlichen Gründen».

Keine Zweifel an Klimawandel

Grundsätzliche Zweifel am menschengemachten Klimawandel wurden im Ständerat nicht geäussert. Im Nationalrat hatte SVP-Vertreter Andreas Glarner (AG) gesagt, der Klimawandel könnte auch ein Schwindel sein. Toni Brunner (SG) fragte, ob man etwa den Schweizer Kühen ein Rülpsverbot erteilen wolle.

In der kleinen Kammer argumentierten die SVP-Vertreter anders. Nur die technologische Entwicklung könne den GAU verhindern, sagte Werner Hösli (SVP/GL). Jedenfalls sei diese viel wichtiger als solche Abkommen, mit welchen das schlechte Gewissen beruhigt werde. Wer wirklich etwas für das Klima machen wolle, verzichte in erster Linie auf Flugreisen.

Ziel nicht zu hoch setzen

Roland Eberle (SVP/TG) betonte, die Schweiz sei bereits gut unterwegs. Es sei legitim, auch solche Vorlagen kritisch zu hinterfragen. Wer andere als «Hinterwäldler» bezeichne, disqualifiziere sich selbst. Das Ziel zur Reduktion des CO2-Ausstosses sollte so gesetzt werden, dass es mit vernünftigem Aufwand zu erreichen sei.

Mit dem Abkommen von Paris will die Staatengemeinschaft den durchschnittlichen weltweiten Temperaturanstieg gegenüber der vorindustriellen Zeit auf deutlich unter zwei Grad Celsius begrenzen. Die Staaten werden verpflichtet, Emissionsreduktionsziele festzulegen. Die Erreichung der Ziele ist zwar rechtlich nicht verbindlich, doch müssen die Staaten darüber berichten.

Ja zu 50-Prozent-Ziel

Die Schweiz verpflichtet sich auf das Ziel, das sie der UNO bereits angekündigt hat: Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 um 50 Prozent gesenkt werden. Die SVP-Vertreter beantragten ein Reduktionsziel von lediglich 30 Prozent.

Leuthard stellte dazu fest, wenn man sich nur das als Ziel setze, was man ohnehin erreiche, passiere gar nichts. Sie wies auch darauf hin, dass die Wirtschaft das höhere Ziel befürworte. Der Rat lehnte den SVP-Antrag mit 38 zu 5 Stimmen bei einer Enthaltung ab. Mit 39 zu drei Stimmen bei einer Enthaltung sprach er sich für die Ratifikation des Abkommens aus. Damit ist das Geschäft bereit für die Schlussabstimmungen.

Massnahmen folgen

Massnahmen standen am Mittwoch nicht zur Diskussion. Darüber wird das Parlament später bei der Revision des CO2-Gesetzes entscheiden. Umstritten ist, wie stark die Schweiz den CO2-Ausstoss mit Massnahmen im Inland reduzieren soll.

Gemäss dem Vorschlag des Bundesrates soll die Reduktion des CO2-Ausstosses zu 60 Prozent im Inland erfolgen. Die Treibhausgasemissionen in der Schweiz sollen im Jahr 2030 also 30 Prozent unter dem Niveau von 1990 liegen. Die restliche Verminderung dürfte über Massnahmen im Ausland erreicht werden. Die SVP denkt bereits über ein Referendum nach. (whr/sda)

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77 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Lowend
07.06.2017 13:42registriert Februar 2014
Wer kann sich noch daran erinnern, wie "grün" die SVP war, als es darum ging, die Energiestrategie zu verhindern?

Noch bis vor einem Monat sang der ganze SVP-Chor von der Gefahr von neuen Kohle- oder Gaskraftwerken und heute haben sie offenbar alles schon wieder vergessen, denn nun, wenn es um die Klimaerwärmung geht, ist die Belastung der Umwelt plötzlich gar nicht mehr so wichtig.

Konsequente Politik geht ganz anders und ich kann es echt nur schwer verstehen, warum man seine Stimme an eine derart opportunistische Windfahnen-Partei verschwenden kann? Dagegen wirkt sogar Trump konsequenter!
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suchwow
07.06.2017 13:05registriert Dezember 2014
"Im Nationalrat hatte SVP-Vertreter Andreas Glarner (AG) gesagt, der Klimawandel könnte auch ein Schwindel sein. Toni Brunner (SG) fragte, ob man etwa den Schweizer Kühen ein Rülpsverbot erteilen wolle."

Wer kann diese zwei Typen überhaupt noch ernst nehmen?
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ARoq
07.06.2017 13:39registriert September 2014
Bin jetzt schon gespannt auf die Angstkampagne von der SVP.

"Rülpsburka für Kühe?"
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«Erster wirklicher Stresstest für die Schuldenbremse»: Ökonom ordnet drohendes Defizit ein
Beim Bund drohen Defizite von bis zu vier Milliarden Franken. Wie schlimm ist das? Und wie hat man in der Vergangenheit darauf reagiert? Ökonom Thomas M. Studer, der zur Geschichte der Bundesfinanzen seine Dissertation verfasst hat, gibt Auskunft.

Jahrelang schrieb der Bund Überschüsse. Jetzt drohen Defizite in Milliardenhöhe. Verglichen mit früher: Wie schlecht steht es um die Bundesfinanzen?
Thomas M. Studer:
Um das vergleichen zu können, stellt man das Defizit ins Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt (BIP). Bei jährlichen strukturellen Defiziten von 2 bis 4 Milliarden Franken, wie sie der Bund erwartet, sind das gemessen am aktuellen BIP rund 0,25 bis 0,5 Prozent. In der Schuldenkrise der 1970er-Jahre waren es bis zu 0,9 Prozent, in den 1990er-Jahren sogar bis 2 Prozent. So schlimm ist es heute noch nicht. Was die Geschichte aber zeigt: Es ist schwierig, aus einer Defizitphase herauszukommen, wenn man mal drin ist.​

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