Noch sind die Lakers nicht im Halbfinal. Noch brauchen sie einen Sieg für den ersten Halbfinal seit 2006, damals unter Cheftrainer Bill Gilligan.
Noch kann Lugano mit drei Siegen in Serie die wohl grösste Schmach seit dem Viertelfinal-Scheitern im Frühjahr 1992 gegen den ZSC abwenden. Der Titan taumelt. Aber er ist noch nicht gestürzt.
Wäre diese Serie bisher mit ausgetauschten Goalies – Melvin Nyffeler bei Lugano, Niklas Schlegel bei den Lakers im Kasten – anders gelaufen?
Wahrscheinlich schon. Aber ganz sicher ist es nicht. Niklas Schlegel war gestern zwar kein grosser, aber immerhin ein guter Goalie und an der 1:3-Niederlage unschuldig. Auch wenn er statistisch bis vor dem gestrigen Spiel in Rapperswil-Jona der schwächste Goalie dieser Playoffs war (nun ist es Gottérons Reto Berra) – eine Goalie-Polemik wäre billig.
Das Problem: Dieses Lugano kann eben nur mit einem grossen Torhüter gewinnen. Ein guter Schlussmann genügt nicht.
Womit wir bei der Leidenschaft, bei den grösseren Herzen wären: die Vordermänner von Niklas Schlegel wirken beim montäglichen 1:3 bis weit ins Schlussdrittel hinein zu passiv. Sie treten zu wenig entschlossen auf. So als wären die Energietanks bereits auf Reserve. Sie wirken viel zu lange nicht so, als wären sie auf einer Mission. Eher wie auf der Auslaufrunde am Ende einer anstrengenden Saison. Am Schluss reicht es noch ein wenig zu Drama. Aber nicht mehr zum Ausgleich.
Es fehlt also nicht nur ein wenig am Goalie. Das wäre zu einfach.
Es fehlt bei Lugano hinten und vorne ein bisschen. Es braucht offenbar jemanden, der das Feuer der Leidenschaft von allem Anfang an entfacht, den Spielern allenthalben ein wenig Beine macht. Auch jene, die mit viel Talent gesegnet sind.
Der freundliche Gentleman Serge Pelletier konnte seine Männer bisher in den Playoffs nicht dauerhaft aus der Komfortzone scheuchen. Vielleicht ist er auch deshalb beliebt. Freundliche Trainer, die bei den Spielern beliebt sind, kommen in den Playoffs in der Regel nicht sehr weit.
Kann es sein, dass Lugano noch den Trainer feuert, um am Mittwoch das Ausscheiden zu verhindern? Weil es die einzige Massnahme ist, die noch bleibt? Serge Pelletiers Vertrag läuft sowieso aus und Sportchef Hnat Domenichelli könnte ja kurzfristig übernehmen.
Er sass gestern auf der Tribüne und machte in seinem Schreibblock eifrig Notizen. Entweder überbringt er seine zu Papier gebrachten Erkenntnisse seinem Trainer als nützliche Tipps für die Vorbereitung des Mittwoch-Spiels. Oder er feuert ihn. «Nein, das werde ich nicht tun», sagt Luganos tüchtiger Sportchef. Auch nicht, wenn ihn Präsidentin Vicky Mantegazza dazu auffordert? «Niemand fordert mich auf, den Trainer zu entlassen. Wir werden am Mittwoch ein grosses Spiel sehen.» Sein Wunsch in Gottes Ohr.
Vielleicht hilft eine unkonventionelle Motivationsvariante: Frage deshalb an Chris McSorley, den charismatischen Kanadier mit dem Ruf, ein wahrhaft «harter Hund» zu sein:
Dürfen wir wieder einmal das Gerücht aufwärmen, dass Sie nächste Saison Trainer in Lugano werden?
Wie kommen Sie auf diese Idee?
Weil ein solches Gerücht die Spieler motivieren würde: Strengen sie sich an und kommen doch noch in den Halbfinal oder gar den Final, dann kann am Ende vielleicht erreicht werden, dass Serge Pelletier doch bleibt und Sie nächste Saison nicht neuer Cheftrainer werden.
Nein, tun Sie das bitte nicht.
Warum denn nicht?
Es wäre respektlos gegenüber Lugano und Serge Pelletier. Er hat die Mannschaft auf den 2. Platz geführt und macht einen grossartigen Job.
Es würde Serge Pelletier eventuell helfen!
Nein, lassen Sie solche Gerüchte. Ich habe damit nichts zu tun.
Wenn Sie nichts damit zu tun haben, dann spielt es doch keine Rolle, wenn solche Gerüchte wieder aufgefrischt werden.
Sehen Sie es so: Lugano hat für nächste Saison noch keinen Trainer unter Vertrag. Sie würden so womöglich meine Chancen schmälern, wenn ich mich um den Job bewerben möchte. Spass beiseite: diese Gerüchtemacherei ist respektlos.
Okay, dann lassen wir es.
Gerüchte um die Trainer gehören halt seit dem letzten Titel von 2006 – Larry Huras wurde nach einem 0:2-Rückstand im Viertelfinale gegen Ambri durch Harold Kreis ersetzt – zu Lugano wie das Glockengeläut zur Alpabfahrt.
Die Chefs haben sich seither die Klinke der Kabinentüre in die Hand gegeben: Ivano Zanatta, Kent Ruhnke, John Slettvoll, Hannu Virta, Kenta Johansson, Philippe Bozon, nochmals Larry Huras, Patrick Fischer, Christian Wohlwend, Hnat Domenichelli, Sandro Bertaggia, Doug Shedden, Mike McNamara, zweimal Greg Ireland, Sami Kappanen. Nun steht gerade Serge Pelletier an der Bande. 16 Trainer in 15 Jahren. Einige standen nur für ein paar Tage an der Bande.
Dieser Blick in die Historie zeigt: Es liegt in Lugano womöglich nicht immer am Trainer. Vielleicht liegt es an der Leistungskultur. An fehlender Kontinuität.
Dass die Lakers zur Überraschungsmannschaft der Saison geworden sind, hat etwas mit der Leistungskultur und Kontinuität zu tun.
Auch bei den Lakers war an der Bande nach dem Halbfinal von 2006 ein Kommen und Gehen wie in einem Taubenschlag. Kari Eloranta, Morgan Samuelsson, Dave Chambers, Raimo Summanen, John Slettvoll, Christian Weber, Igors Pavlovs, Harry Rogenmoser, Anders Eldebrink und Michel Zeiter. Neun Trainer in den zehn Jahren von 2006 bis 2015. So sind die Lakers zu den «Miserablen» geworden.
Im Sommer 2015 hat Jeff Tomlinson nach dem ersten Abstieg der Klubgeschichte das Traineramt übernommen und aus den «Miserablen» in sechs Jahren die «Respektablen» gemacht. Und trotzdem wird sein Vertrag nicht mehr verlängert.
Wenn Lugano an den Lakers scheitert, dann dürfen wir polemisieren und fragen: ist Lugano eigentlich uncoachbar? Haben die Spieler zu viel Macht? War der oft geschmähte Roland Habisreutinger am Ende gar der bessere Sportchef als sein Nachfolger Hnat Domenichelli?
Noch kann Lugano den Halbfinal erreichen. Und das wäre dann fast (aber nicht ganz) eine meisterliche Wende wie damals 2006 im Viertelfinal nach dem 0:3-Rückstand gegen Ambri (3:4 n.V, 0:3, 4:5, 5:4 n.V, 2:1, 5:2, 5:1) oder wie 2003 im Final nach einer 2:0-Führung von Davos (2:3, 2:3, 5:3, 4:3, 3:0, 4:0).
Aber jeder Trainer hatte seit letzten Herbst Zeit, sein Team darauf vorzubereiten. Er konnte eine ganze Quali lang daran arbeiten.
Die grosse Kunst dabei ist es, dass die Mannschaft am Tag X bereit ist, die beste Leistung abzurufen.
Es ist wie bei Einzelsportlern. Einige trainieren vier Jahre für nur einen Wettkampf bei Olympischen Spielen.
Er hat aber noch maximal 3 Spiele Zeit das zu korrigieren.
Die Olympioniken warten wieder 4 Jahre warten.
Fakt ist, dass Lugano in den letzten Jahren zweimal im Playoff-Finale war und einmal sogar sehr nahe am Titel. Die Durststrecke mit den unzähligen Viertelfinal-Niederlagen und zweimal Playouts, ist Geschichte.
Aber klar, also Qualifikations-Zweiter muss man Rappi ohne wenn und aber schlagen. Die Serie ist aber auch noch nicht zu Ende...