Viele Alpenpflanzen dürften in einem wärmeren Klima einen harten Stand haben. Zu schaffen macht ihnen aber nicht in erster Linie die höhere Temperatur, sondern die neue Konkurrenz von anderen Pflanzen, wie eine Studie der ETH Zürich zeigt.
Mit dem Anstieg der Durchschnittstemperaturen müssen sich viele Wildtiere und Pflanzen neue Lebensräume erschliessen. Dies bedeutet, dass Alpenpflanzen Konkurrenz bekommen könnten von Gewächsen, die heute in tiefen Lagen wachsen, aber künftig begünstigt durch den Klimawandel zu den Alpenpflanzen hochwandern.
Diese neue Konkurrenz könnte gemäss einer Studie von Forschenden der ETH Zürich ein entscheidender Überlebens-Faktor sein, wie Experimente am Calanda zeigen. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift «Nature» publiziert, wie die ETH am Donnerstag mitteilte.
Neue Höhe, neue Nachbarn
In ihrem Experiment platzierten die Studienautoren vier charakteristische Pflanzenarten - die Frühlingsanemone, den Alpenwundklee, die Glänzende Skabiose und den Berg-Wegerich - kurzerhand um. So wurden die Gewächse von ihrem heutigen Standort auf einer Alpweide auf 2000 Metern über Meer um rund 600 Höhenmeter hangabwärts verfrachtet.
Damit simulierten die Forscher den für die Schweiz in 50 bis 100 Jahren erwarteten Anstieg der Durchschnittstemperatur von rund drei Grad.
Die erste Pflanzengruppe bekam ein neues Zuhause inmitten intakter Vegetation, also bei ihrer künftigen Konkurrenz. Die zweite Gruppe erhielt Nachbarn, die ebenfalls von der Alpweide hinunter transportiert worden waren, also die heutige Konkurrenz.
Um zu testen, welche Situation die Alpenpflanzen vorfinden würden, wenn sie dereinst selber höher hinauf migrieren, holten die Forschenden Gewächse vom Gipfel des Calanda auf 2600 Metern über Meer und pflanzten sie ebenfalls auf der Alpweide.
Wettbewerb um Licht
Die Versuche zeigten, dass Alpenpflanzen eine Erwärmung des Klimas um drei Grad überleben - vorausgesetzt, sie haben es mit ihren gegenwärtigen alpinen Nachbarn zu tun. Wurden die Alpenpflanzen allerdings mit Konkurrenz aus tieferen Lagen konfrontiert, sank ihre Überlebensrate um mehr als die Hälfte. Diejenigen, die der Konkurrenz standhielten, wuchsen schlechter und blühten weniger.
«Das ist insofern bedeutend, als dass es zeigt, dass wir wissen müssen, wer die Konkurrenten sind, wenn wir Wachstum und Vorkommen nach der Klimaerwärmung vorhersagen möchten», wird Pflanzenökologe und Erstautor Jake Alexander in der Mitteilung zitiert.
Eine Erklärung für die Ergebnisse ist der Wettbewerb ums Licht, wie Alexander sagt. «Pflanzen aus tieferen Lagen wachsen höher und ihre Blätter sind oft grösser. Dies erlaubt es ihnen, ihre alpinen Konkurrenten auszustechen.»
Dies zeige, dass der direkte Effekt des Klimawandels sich nur selten negativ auf diese Arten auswirke. Viel bedeutender sei der Einfluss von sich verändernden Wechselwirkungen zwischen Arten, so die Forscher.
Die Szenarien des Experiments sind aber extremer, als das, was in Wirklichkeit zu erwarten ist. Die Vegetation werde sich in der Zukunft eher graduell verändern, denn nicht alle Pflanzen hätten dieselbe Ausbreitungsgeschwindigkeit, so Alexander. Realistischer, aber experimentell schwieriger zu überprüfen sei, dass neue Arten schrittweise hochwandern. (sda)