Donald Trump ist ein Mann der grossen Worte. So hat er den Amerikanerinnen und Amerikanern versprochen, den Ukraine-Krieg «in 24 Stunden» zu beenden. Auch im Gazastreifen würde er schnell für Frieden sorgen, sollte er zum neuen US-Präsident gewählt werden.
Trump inszeniert gerne in aller Öffentlichkeit, wie ernst er es mit diesen Versprechen meint. So trifft er am Freitagabend Israels Premierminister Benjamin Netanjahu, der den USA ohnehin gerade einen Besuch abstattet, um mit ihm über die Zukunft im Nahen Osten zu sprechen. Oder er telefonierte mit Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj, um dessen Standpunkt anzuhören.
Konkrete Pläne, wie sich Trump Frieden in Westeuropa und im Nahen Osten vorstellt, sind nicht bekannt. Welche Ansätze er am ehesten verfolgen könnte, um bei einer Wahl seinen Versprechen nachkommen zu können, schätzen zwei Experten ein.
Diese Woche machte Israels Premierminister Benjamin Netanjahu vor dem US-Kongress deutlich, wie er den Gaza-Krieg beenden will: «Gebt uns die Werkzeuge schneller und wir erledigen den Job schneller.»
Das sieht auch Donald Trump so. Marco Steenbergen, Professor an der Universität Zürich, sagt zu watson: «Beide sind sich einig darüber, dass das Endziel die Zerstörung der Hamas sein sollte.» Es sei kein Geheimnis, dass sich Netanjahu besser mit Trump als mit Biden verstehe. «Biden hat sich für eine pro-israelische Linie entschieden, obwohl er Netanjahu wiederholt davor gewarnt hat, den Konflikt weiter zu eskalieren.»
Trump sei aus demselben Holz wie Netanjahu geschnitzt:
Laut dem Politologen habe Trump zudem den Luxus, dass es in der Republikanischen Partei kaum offene Meinungsverschiedenheiten gebe. So könnte ein möglicher Plan Trumps sein, Netanjahu die komplette Unterstützung der USA auszusprechen.
Etwas zurückhaltender schätzt Martin Thunert vom Heidelberg Center for American Studies der Universität Heidelberg Trumps «Friedensstrategie» ein: «Bei der Präsidentschaftswahl 2020 gratulierte Netanjahu Biden rasch zu seinem Sieg, was Trump bis heute verärgert. Nun werden sich die beiden Männer zum ersten Mal seit fast vier Jahren wiedersehen, um zu testen, ob die Beziehung wiederhergestellt werden kann.»
Dass ein gegenseitiges Interesse vorhanden sei, verdeutlichte der israelische Premierminister bei seiner Rede vor dem US-Kongress. Er lobte Trump und dankte ihm «für all das, was er für Israel getan» hat.
Doch Thunert sagt: «Grosse Teile der Republikaner sind dafür, Israel im Gaza-Krieg gewähren zu lassen. Trumps eigene Haltung dazu ist hingegen – wie immer – etwas diffuser. Er ist der Meinung, dass Israel den Gaza-Krieg schnell und siegreich beenden muss. Er erkennt den enormen Reputationsverlust Israels auf der Weltbühne.» Für Trump sei der Grund für diesen Verlust in erster Linie der schlechten politischen Kommunikation der israelischen Regierung geschuldet, nicht dem Vorgehen im Gazastreifen.
Weniger Klarheit herrscht bei der Strategie, die Trump im Ukraine-Krieg verfolgen könnte. Um ihn «in 24 Stunden» zu beenden. Sogar Ukraine-Präsident Selenskyj forderte Trump kürzlich dazu auf, seinen «möglicherweise vorhandenen Plan mit ihm und dem ukrainischen Volk zu teilen».
Grundsätzlich gibt es drei Optionen: Die Militärhilfe für die Ukraine blockieren, sie genau gleich weiterführen oder sie ausbauen.
«Ein wahrscheinliches Szenario (bei einer Wahl Trumps) ist, jegliche Militärhilfe für die Ukraine zu blockieren, die NATO-Verbündeten unter Druck zu setzen, dasselbe zu tun, und die Beschwichtigungspolitik der Sicherheit in Europa vorzuziehen», sagt Marco Steenbergen von der Universität Zürich. Eine solche Politik sei für Trump einfach umzusetzen, weil der US-Kongress nicht einbezogen werden müsste. «Würde es so weit kommen, wäre die Ukraine praktisch zur Kapitulation gezwungen.»
International ist man der Meinung: Die Ukraine kann nur gewinnen, wenn der Westen die militärische Unterstützung massiv erhöht. Genau dies wollte kürzlich der ehemalige britische Premierminister Boris Johnson gegenüber Trump deutlich machen. Gemäss Medienberichten hat Johnson versucht, Trump aufzuzeigen, dass man die Position der Ukraine stärken müsse, um Russland zu Verhandlungen zu bringen.
Ob er darauf eingehen wird, scheint jedoch unrealistisch. Denkbarer sei, so schreibt die NZZ, «dass Trump im Februar 2025 nach Kiew und Moskau fliegt und anschliessend einen ‹Deal› verkündet, der auf der Illusion beruht, Russland habe jetzt eingesehen, dass das Ziel der Eroberung der Ukraine nicht zu erreichen sei». Damit würde man Russland die Chance geben, eine geschwächte Ukraine weiter zu unterminieren. Das sieht auch Marco Steenbergen so. Er sagt:
Martin Thunert denkt, dass Trump sich wie sein Vizepräsidentschaftskandidat J. D. Vance auf einen Waffenstillstand durch Landabgabe fokussiert – wobei unklar bleibe, wie viel von dem eroberten Gebiet der Ukraine Russland behalten dürfe. «Unterschwellig geht dieser Plan davon aus, dass Putin weder eine echte Bedrohung für die EU-Staaten und schon gar nicht für die USA sei», sagt er.
Für die Mehrheit der Republikaner sei es wichtiger, Russland nicht in die Abhängigkeit von Staaten wie China oder Nordkorea zu treiben – weil von diesen zwei Ländern eine direkte Bedrohung für die USA ausgehe.
Dass Trump schlussendlich improvisiert, ist auch für Thunert nicht undenkbar: «Trumps Vorliebe für aufsehenerregende Gipfeltreffen anstelle von wenig glamouröser politischer Detailarbeit ist legendär. Sein Vertrauen in sein eigenes Verhandlungsgeschick als ‹deal maker› und seine Ungeduld mit diplomatischen Vorgehensweisen waren Markenzeichen seiner ersten Amtszeit. Ich glaube nicht, dass Trump sich diesbezüglich fundamental verändert hat.»