Nach der Münchner Vereinbarung sollte die Gewalt in Nordsyrien in eine Feuerpause übergehen. Am Montag passierte genau das Gegenteil: Bei Luftangriffen auf Spitäler und eine Schule wurden nach UNO-Angaben fast 50 Menschen getötet.
Syrische Oppositionelle gaben umgehend Russland die Schuld an den Luftangriffen. Der syrische Botschafter in Moskau, Riad Haddad, hingegen behauptete, US-Kampfflugzeuge hätten eine Klinik zerstört, die von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) unterstützt wird.
Von Ärzte ohne Grenzen veröffentlichte Bilder der Klinik in der Stadt Maarat al-Numan (Provinz Idlib) zeigten das Ausmass der Zerstörung. MSF sprach allein dort von mindestens sieben Toten und weiteren acht vermissten Mitgliedern des Klinikpersonals, die wahrscheinlich ebenfalls umgekommen seien. Wie viele Patienten noch vermisst werden, war bis zum Abend unklar.
«Die Zerstörung des Krankenhauses lässt eine lokale Bevölkerung von rund 40'000 Menschen ohne Zugang zu medizinischer Versorgung zurück», hiess es in einer Mitteilung von Ärzte ohne Grenzen.
EU und USA verurteilen Angriffe - Russland schweigt
«Was heute mit dem Krankenhaus von Ärzte ohne Grenzen passiert ist, kann auf keinen Fall hingenommen werden», kommentierte die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini. Die EU werde weiter auf alle Parteien Druck ausüben, um die Zivilbevölkerung zu schützen.
Auch die USA verurteilten die Angriffe auf Krankenhäuser scharf. Dass das syrische Regime und seine Unterstützer ihre Angriffe fortsetzten, lasse Zweifel an der Entschlossenheit Russlands aufkommen, das brutale Vorgehen des Assad-Regimes gegen die eigene Bevölkerung stoppen zu wollen, sagte US-Aussenamtssprecher John Kirby.
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich tief besorgt und verurteilte die Angriffe als «eklatanten Verstoss gegen internationales Recht». Von höherer Stelle in Moskau gab es zunächst keine Stellungnahme.
Raketenangriff auf Klinik und Schule in Asas
In der Nähe der türkisch-syrischen Grenze kamen mindestens zehn Zivilisten ums Leben, als Raketen in der Nähe einer weiteren Klinik und in eine Schule einschlugen.
Der Direktor des Kinderhilfswerks UNICEF, Anthony Lake, brachte seine Bestürzung über Informationen zum Ausdruck, wonach in Syrien vier medizinische Einrichtungen angegriffen worden seien. Zwei davon habe UNICEF unterstützt.
Zwei Angriffe galten demnach Einrichtungen in der von Rebellen kontrollierten Stadt syrischen Grenzstadt Asas. Dort seien bei Angriffen auf zwei Schulen auch sechs Kinder getötet worden. Mehr als 30 Verletzte wurden in das staatliche Spital der gegenüberliegenden türkischen Grenzstadt Kilis gebracht, wie die türkische Nachrichtenagentur DHA berichtete. Die meisten Verwundeten seien Kinder.
Zurzeit versuchen die Truppen des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad mit Hilfe der russischen Luftwaffe, die Metropole Aleppo in Nordsyrien einzunehmen. Sie gehen vor allem gegen Rebellen vor, die von westlichen Staaten unterstützt werden.
Durch die Kämpfe sind Kurdenmilizen erhebliche Gebietsgewinne gelungen. Dies hat die Türkei auf den Plan gerufen, die ein Erstarken kurdischer Gruppen fürchtet. Ein Teil der Kämpfe konzentriert sich auf die Stadt Asas. Dort halten sich Zehntausende Flüchtlinge auf.
Ankara droht Kurden
Sein Land werde nicht zulassen, dass Asas in die Hände der kurdischen YPG-Miliz falle, sagte Ministerpräsident Ahmet Davutoglu. Am Wochenende hatte die türkische Armee Stellungen der YPG beschossen und damit nach eigenen Angaben die Einnahme von Asas verhindert.
Die YPG ist ein Ableger der in der Türkei verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und gehört zu den wichtigsten Verbündeten des Westens. Die Türkei bekämpft jedoch die PKK und befürchtet, dass die YPG und ihre Verbündeten die gesamte Grenze zur Türkei unter ihre Kontrolle bringen.
Türkei und Russland beschuldigen sich gegenseitig
Davutoglu warf zudem der russischen Luftwaffe vor, mit einem Raketenangriff Zivilisten in Asas getötet zu haben. Russland indes beschuldigte die Türkei, Dschihadisten und Söldner nach Syrien zu lassen.
Der deutsche Aussenminister Steinmeier warf Russland, der Türkei und den kurdischen Milizen eine Verletzung der Münchner Vereinbarungen zum Syrien-Konflikt vor. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sprach sich für eine Flugverbotszone über Syrien aus, um die Lage zu entwirren. (sda/afp/dpa/reu)