Ein neuer Wind zwischen Nord- und Ostsee: Die CDU von Kanzlerin Angela Merkel holt bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein aus der Opposition heraus die Mehrheit. Erstmals seit zwölf Jahren ist damit eine SPD-geführte Landesregierung abgewählt worden.
«Das ist heute ein bitterer Tag für die Sozialdemokratie, ein bitterer Tag für meine Regierung, ein bitterer Tag für mich», sagte Ministerpräsident Torsten Albig am frühen Sonntagabend. Zuletzt war eine SPD-Landesregierung 2005 in Nordrhein-Westfalen unter Peer Steinbrück abgewählt worden.
Die SPD kommt laut ARD-Hochrechnung von 18.58 Uhr auf 26.3 Prozent nach 30.4 Prozent 2012. Damit schnitten die Sozialdemokraten nach dem Saarland die zweite Landtagswahl in Folge schlechter ab.
AfD zieht in Landtag ein
Die CDU unter Herausforderer Daniel Günther legte auf 33.0 Prozent zu nach 30.8 Prozent vor fünf Jahren. Die mit der SPD regierenden Grünen blieben mit 13.3 Prozent (2012: 13.2 Prozent) drittstärkste Kraft.
Die FDP verbesserte sich deutlich auf 11.4 Prozent nach 8.2 Prozent 2012. Die AfD kam aus dem Stand auf 5.7 Prozent der Stimmen. Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) erhielt 3.6 Prozent nach 4.6 Prozent vor fünf Jahren.
Damit erhalten die CDU 24 Sitze und die SPD 20 Mandate. Die Grünen stellen 10 Abgeordnete, die FDP 8. Die AfD kommt auf vier Sitze, der SSW auf drei. Damit hätte die Koalition aus SPD, Grünen und SSW keine Mehrheit.
Die Piratenpartei scheiterte deutlich an der Fünf-Prozent-Hürde und wird im Landtag nicht mehr vertreten sein. Auch die Linkspartei zieht erneut nicht in das Landesparlament ein. Weiter vertreten ist der Südschleswigsche Wählerverband (SSW), der als Partei der dänischen Minderheit von der Fünf-Prozent-Hürde ausgenommen ist.
Rückschlag für Schulz
Das Ergebnis ist ein Rückschlag für den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz, der bei der Bundestagswahl im September Merkel herausfordern wird. Nach seiner Nominierung Ende Januar hatten die Sozialdemokraten einen Höhenflug in den Meinungsumfragen verzeichnet, der nach einigen Wochen aber wieder abflaute.
Dagegen sind die Zahlen Rückenwind für Merkel, die im September für eine vierte Amtszeit als deutsche Regierungschefin kämpft. Während ihrer bisherigen elfeinhalb Kanzlerjahre hatte die CDU sechs Ministerpräsidenten-Posten verloren und keinen einzigen neu hinzugewonnen.
Schwierige Koalitionssuche
Es zeichnet sich nun eine schwierige Regierungsbildung ab: Die CDU braucht neben der FDP eine der bisherigen Regierungsparteien für eine Mehrheit im Parlament. Der erst 43-jährige und bisher über sein Heimatland hinaus kaum bekannte Günther könnte dann zum ersten deutschen CDU-Politiker seit zwölf Jahren werden, der aus der Opposition heraus Ministerpräsident würde.
Rechnerisch möglich wäre jetzt eine «Jamaika-Koalition» (nach den Parteifarben Schwarz, Gelb und Grün) aus CDU, FDP und Grünen. Ministerpräsident Albig könnte theoretisch in einer «Ampel-Koalition» aus SPD, FDP und Grünen (Rot-Gelb-Grün) weiterregieren, doch dürfte die FDP dazu nicht bereit sein.
Auch eine grosse Koalition aus CDU und SPD (Schwarz-Rot) ist denkbar. Der SSW erklärte am Abend, nach dem Scheitern der «Küstenkoalition» auf jeden Fall in die Opposition zu gehen.
Zur Wahl aufgerufen waren in Schleswig-Holstein rund 2.3 Millionen Bürger. Erstmals durften auch 16-Jährige daran teilnehmen. (sda/dpa/reu)