Die Berner Mäzenin Ursula Streit hat Geld für die Provenienzforschung im Zusammenhang mit der Sammlung Gurlitt in Aussicht gestellt. Sie kann sich aber auch vorstellen, Raubkunstforschung selbst dann zu unterstützen, wenn die Gurlitt-Bilder nicht nach Bern kommen.
Sie persönlich hätte die umstrittene Sammlung gerne in Bern, gibt Streit im Interview mit der Zeitung «Der Bund» vom Samstag ohne Umschweife zu. «Aber letztlich ist es egal, ob die Sammlung hier oder in München hängt», sagt die einstige Unternehmerin. Hauptsache, die Bilder seien in einem Museum präsent. Ob das Kunstmuseum Bern die Sammlung erbe oder nicht, müssten die Gerichte letztlich entscheiden.
Streit hatte einen namhaften Betrag in Aussicht gestellt, um das Berner Kunstmuseum bei der Aufarbeitung der Sammlung Gurlitt zu unterstützen. Der grösste Teil des Geldes soll in den Aufbau und den Betrieb der Forschungsstelle am Kunstmuseum Bern fliessen.
Gurlitt war der Auslöser
Die Sammlung Gurlitt sei der Auslöser für das von ihr in Aussicht gestellte Engagement gewesen, sagte Streit im Interview. Ihr sei es vor allem darum gegangen, dass das Kunstmuseum Bern das Gurlitt-Erbe nicht aus finanziellen Gründen ausschlägt, weil es sich keine ordentliche Provenienzforschung leisten könnte.
Inzwischen sei aber in den Museen der Schweiz und auch beim Bund die Frage aufgetaucht, was die Schweiz in Sachen Raubkunst bisher unternommen habe. «Es ist vieles getan worden, aber einiges noch nicht erforscht», kommt Streit zum Schluss.
Das von ihr in Aussicht gestellt Geld sei eigentlich an die Sammlung Gurlitt gebunden, «aber wir können das Spektrum durchaus erweitern, sofern es der Schweiz nützt», führte die Mäzenin im Interview aus.
Streit findet es wichtig, dass die Schweizer Museen sich erneut mit der Provenienzforschung beschäftigen und zwar so lange, «bis Tabula rasa herrscht».
Seit Jahrzehnten werde der Schweiz vorgehalten, was sie alles falsch gemacht habe beispielsweise mit den nachrichtenlosen jüdischen Vermögen auf Schweizer Banken, den Geschäften in der Zeit des Apartheid-Regimes in Südafrika oder beim Bankgeheimnis. «Man könnte all dies hierzulande beerdigen, würde man nur konsequent an seine Aufgaben rangehen und nicht warten, bis von aussen getreten wird», wird Streit im Interview zitiert.
«Dann sind wir ansprechbar»
Auf die Frage, ob sie ein nationales Kompetenzzentrum für Provenienzforschung unterstützen würde, auch wenn die Sammlung Gurlitt nicht nach Bern kommt, sagt Streit: «Irgendwann wird ein vernünftiger Mensch oder eine vernünftige Institution einen entsprechenden Plan vorlegen. Dann sind wir ansprechbar.»
Der Deutsche Kunstsammler Cornelius Gurlitt hatte im Mai 2014 seine ebenso illustre wie umstrittene Kunstsammlung überraschend dem Kunstmuseum Bern vermacht. Zusammengetragen wurde die Kunstsammlung nicht von Cornelius, sondern von seinem Vater Hildebrand, einem bevorzugten Kunsthändler des Nazi-Regimes. Ein Teil der Kunstsammlung steht unter Raubkunstverdacht.
Ende November 2014 erklärte das Kunstmuseum Bern nach längerer Bedenkzeit Annahme des Erbes. Allerdings nur, weil die mit Raubkunstverdacht belegten Bilder in Deutschland bleiben, wo ihre Herkunft erforscht und sie allfälligen Anspruchstellern zurückgegeben werden sollen. Das Berner Kunstmuseum sagte zu, sich aktiv an der Erforschung der Herkunft der Bilder beteiligen und eine Forschungsstelle einzurichten.
Verwandte von Cornelius Gurlitt haben in Deutschland nun das Testament, das das Kunstmuseum Bern als Erben einsetzt, angefochten. Der Fall ist an den Gerichten hängig.
Gurlitts Cousine Uta Werner betonte vergangene Woche in der «Sonntagszeitung», dass die Sammlung in Deutschland bleiben müsse. Sie und ihre Kinder hätten bereits Vorkehrungen für eine «schnelle und effiziente» Provenienzforschung getroffen. (sda)