Mädchen aus Israel tauschen Vorurteile gegen Schweizer Schokolade

Mädchen aus Israel tauschen Vorurteile gegen Schweizer Schokolade

30.08.2017, 08:08

Sie leben alle in der selben israelischen Stadt, dennoch trennt sie ihre Herkunft: Zehn 17-jährige jüdische und arabische Mädchen haben sich in der Schweiz getroffen, um sich näher kennen zu lernen. Sie reisen ab ohne Vorurteile - dafür mit Schokolade im Koffer.

«Ich bin gekommen, um jüdische Mädchen zu treffen», sagt Abeer. Den gleichen Grund gibt Shaked an - sie wollte mehr erfahren über die arabisch-palästinensische Kultur.

Abeer und Shaked kommen aus Haifa, einer Stadt im Norden von Israel, wo Israelis und Palästinenser zusammenleben. Zusammen mit acht anderen jüdischen und muslimischen Mädchen aus der Stadt verbringen sie zehn Tage in der Schweiz, um sich kennenzulernen und sich auszutauschen. Vom 20. bis 29. August haben sie in den Bergen und in Städten, bei Fondue und Raclette viel gemeinsam erlebt.

Organisiert wurde die Reise von der Gruppe «Her Voice» aus Haifa sowie der Lausanner NGO «coexistences»; die Eltern der Schülerinnen unterstützen das Vorhaben.

Gute Freundinnen

Während ihres Aufenthalts in der Schweiz sind die Schülerinnen gute Freundinnen geworden. «Ich bin gekommen mit Vorurteilen und reise wieder ab mit Schokolade im Koffer», sagt Shaked lachend bei einem Besuch der Nachrichtenagentur sda. Die anderen pflichten ihr mit einem Lächeln bei. Das Projekt hat ihnen beigebracht, Vorurteile abzubauen.

Die Mädchen haben die Geschichten der anderen gehört; auch was deren Grosseltern und Eltern erlebt haben. Geschichten, die manchmal schwierig anzuhören gewesen sind.

Eine Kultur

«Wir kommen aus verschiedenen Kulturen und doch sind wir gleich alt und leben in der gleichen Stadt. Es ist wichtig, dass wir uns kennen», findet Yasmin. Dank der Organisation «Her Voice» haben sie Gemeinsamkeiten entdeckt: «Wir mögen die gleiche Musik und die selben Magazine», sagt Shaked und wirft ihren Freundinnen einen vielsagenden Blick zu.

«Bevor wir abgereist sind haben wir uns bereits getroffen und zusammen Feste gefeiert», erzählt Yasmin. Doch sie hätten sich nicht so verbunden gefühlt wie jetzt, sagt Gala und neckt ihre Sitznachbarin.

Als sie mit dem Programm begonnen hätten in Haifa, sei es für die Jugendlichen schwierig gewesen, sich zu finden, denn das soziale Leben in der Stadt sei sehr segregiert, erklärt Edgar Bloch von der NGO «coexistences».

Schritt für Schritt und vor allem dank der Reise in die Schweiz sind sie sich näher gekommen, die Unterschiede sind verblasst. In Israel fühlten sie sich wie Angehörige zweier verschiedener Kulturen, sagt Yasmin. Aber in der Schweiz hätten sie sich der gleichen Kultur angehörig gefühlt: «Die Schweizer waren die mit der anderen Kultur. Wir waren wie eine Familie.»

Die Zukunft ändern

«Man muss versuchen und zuhören, bevor man urteilt», erklärt Abeer. Yasmin will allen zeigen, dass Araber und Juden Freunde sein können: «Wir können zusammen sein, weil wir gleich sind.»

Alle Schülerinnen finden, dass der Konflikt zwischen Israel und Palästina Freundschaften nicht verhindere. Wenn sie so nebeneinandersitzen, sind die Unterschiede zwischen ihnen verschwunden.

«Ich kann die Vergangenheit nicht ändern. Aber ich kann die Zukunft ändern», sagt Shaked. «Es ist meine Verantwortung, meine Meinung zu zeigen, wählen zu gehen, zu demonstrieren, und andere zu sensibilisieren», sagt sie.

Im nächsten Jahr wollen die Schülerinnen ein Projekt in ihren Gemeinden lancieren und weitergeben, was sie voneinander gelernt haben.

Keine einfache Lösung

Haifa ist eine offene Stadt wo Juden und Araber zusammenleben. Aber das ist nicht überall in Israel so. Haifa sei nicht Jerusalem, sagen die Mädchen.

Alle zehn wünschen sich für beide Seiten ein Leben in Frieden, Freiheit und Sicherheit. Wie in der Schweiz, sagen sie. Neben der Schokolade und dem Fondue schätzten sie in der Schweiz vor allem die Bewegungsfreiheit. «Es ist so einfach, über die Grenze zu kommen. In Israel müssen wir immer sehr lange warten», erzählt Yasmin.

Shaked weiss, dass die Mädchen kein «Wundermittel» für den Nahost-Konflikt gefunden haben. Aber sie weiss auch, dass ein friedliches Zusammenleben möglich ist.

Dafür setzt sich die NGO «coexistences» ein: Sie wurde 2007 gegründet und empfängt jedes Jahr rund drei solcher Gruppen in der Schweiz. Mehrere hundert Israelis und Palästinenser haben sich so auf neutralem Terrain treffen und kennenlernen können. (sda)

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