Die dümmsten Programmierer schreiben die dicksten Programme. Und die einfältigsten Informatiker schreiben vermutlich Schulbücher für den Informatikunterricht. Auf diesen zynischen Gedanken kommt man zwangsläufig, wenn man sich das Schulbuch «Schwerpunkt Informatik für das Gymnasium» für das sechste und siebte Schuljahr zu Gemüte führt.
Problem Nummer eins: Das Schulbuch stammt aus dem Jahr 2004. Trotzdem wird an deutschen Gymnasien noch heute damit unterrichtet.
Auf ihrem Blog stellt Sandra Schön, die selbst Pädagogik und Informatik studiert hat, das Machwerk Informatik-Schulbuch ihrer 12-jährigen Tochter ausführlich vor. Diese besucht ein Gymnasium in Bayern, an dem das Buch elf Jahre nach der Veröffentlichung weiter genutzt wird.
Das Buch ist also nur ein Jahr jünger als die Schüler. Es stammt aus einer Zeit ohne mobiles Internet, WLAN oder Smartphones. Dafür gibt es noch Diskettenlaufwerke und Audio-CDs und es werden Remote-Access-Einstellungen erklärt (PPP). «Als wir das genutzt haben, hingen die Rechner noch am Kabel, und wenn man ins Internet wollte, hat das Modem gepiepst», resümiert Schön.
Das Buch sei kein Informatikbuch, sondern ein «Geschichtsbuch über die Informationstechnologie des letzten Jahrtausends», stellt die Bloggerin fest – und trifft damit ins Schwarze.
Problem Nummer zwei: Das Buch ist nicht nur veraltet, es propagiert auch äusserst fragwürdige Verhaltensregeln für das Internet: «Benutze deinen wirklichen Namen, kein Pseudonym! Seine wahre Identität hinter einem Pseudonym zu verbergen ist feige.» Jeder Medienpädagoge und generell jeder Mensch mit Verstand würde im Social-Media-Zeitalter dringend zum Gegenteil raten – und nicht nur Kindern!
Dass ein Buch 12-jährigen Gymnasiasten E-Mails oder Ordnerstrukturen erklären will, ist per se schon lächerlich. Gänzlich absurd ist, wie die Autoren diese Dinge erläutern. Im Buch finden sich Merksätze wie:
Kein Scherz, solche Sätze stehen in Informatik-Schulbüchern – und es wird noch schlimmer: «Im Attribut Typ merkt sich jedes Objekt der Klasse ANHANG, welche Art von Datei es enthält.» Damit dürfte nun allen klar sein, was eine E-Mail ist. Oder gibt's noch Fragen?
Fakt ist: Niemand lernt praxisorientierte Fächer wie Sport, Musik oder Zeichnen aus Büchern. Warum also wird Informatik mit Büchern unterrichtet, fragt sich die Bloggerin. Sie hat, zur Erinnerung sei es nochmals erwähnt, selbst Pädagogik und Informatik studiert. «Wenn sich Informatikunterricht im Jahr 2015 an diesem oder so einem Buch orientiert, kann man genau genommen auch gleich darauf verzichten», hält Schön fest.
Übrigens: Das Schulbuch «Schwerpunkt Informatik für das Gymnasium» wird weiterhin verkauft. In der Buchbeschreibung versprechen die Autoren: «Das handlungsorientierte Konzept dieses Buches und die Anordnung der Inhalte folgen eng dem Lehrplan.» Sorry, liebe Bayern, aber sofern das stimmt, ist euer Informatik-Lehrplan ziemlich für den A****.
Damit keine falsche Vorstellung entsteht: Die Schulen versagen beim Informatikunterricht nicht generell. «Ich kann mir kaum vorstellen, dass solche Lehrmittel in der Schweiz zum Einsatz kommen», sagt der Medienpädagoge Philippe Wampfler. An Schweizer Schulen sei der Unterricht stark anwendungsbezogen.
Die Schüler lernen zum Beispiel, wie man Word-Dokumente formatiert, Homepages erstellt oder Apps programmiert. Und weiter: «An Schweizer Gymnasien ist der Informatikunterricht als Vorbereitung für ein Informatikstudium gedacht, es werden beispielsweise Programmiersprachen eingeübt», sagt Wampfler.
Cox
Qwertz
Kann mich also nicht beklagen.
greenlion
Das ist generell ein Thema und hinkt wie gesagt auch an den Berufsschulen hinterher.
Spannend - altes Zeug zu lernen und abgefragt zu bekommen...