Letzte Woche war ich noch misstrauisch. Meine Hauptsorge gegenüber dem neuen CoD galt besonders dem ewigen Hin und Her zwischen grossen Versprechungen und der darauffolgenden Enttäuschung in Form von Pay-to-Win und Lootboxen.
Mittlerweile habe ich das Spiel etwa 10 Stunden gespielt und mich sowohl im Einzelspieler wie auch im Multiplayer ausgetobt. Dabei bin auch auf sehr viel Gutes gestossen, einen Wermutstropfen gibt es aber trotzdem.
Hier noch kurz eine Spoilerwarnung. Ich bemühe mich, Story-Spoilers zu vermeiden. In einigen Ausführungen komme ich aber nicht umhin, einige Szenen zu beschreiben. Wer also komplett ohne Vorwissen in das Spiel einsteigen will, sollte hier aufhören zu lesen.
Einige kaufen die CoD-Reihe besonders wegen dem Multiplayer, ich steige aber meistens lieber mit der Kampagne ein. Die ersten Cutscenes machen einem den Ernst der Lage zu genüge bewusst und als man sich dann sogleich im Unterholz einer mutmasslichen Terroristen-Basis nähert und diese in die Luft fliegen sieht, ist man wirklich mittendrin im Kriegsgeschehen.
Im gleichen Stile geht es weiter. Als ich also, um doch noch etwas Schlaf zu kriegen, gezwungenermassen die Playstation herunterfahre, bin ich gedanklich schon beim Feierabend des nächsten Tages und plane kurzerhand gleich nochmals einige Stunden Spielzeit ein.
Die wirklich ansehnlichen Features finden sich im Storymodus im Detail. Zum Beispiel muss man nicht aufhören zu zielen um nachzuladen oder man öffnet eine Tür mit vorgehaltener Waffe, um auf der anderen Seite nicht mit heruntergelassenen Hosen erwischt zu werden. Die Kollegen, die man zur Seite gestellt bekommt, haben zwar Mühe, ihre Ziele zu treffen und Feinde zu neutralisieren, dafür geben sie einem präzise Anweisungen, hinter welcher Säule der Feind Deckung sucht. All diese Kleinigkeiten lassen einen so richtig in die Welt des undurchsichtigen Krieges gegen den Terror eintauchen. Es empfiehlt sich, den höchsten Schwierigkeitsgrad «Realismus» zu wählen.
Wenn jeder Schuss grundsätzlich tödlich ist, überlegt man sich zweimal, ob man nun um die Ecke stürmt oder doch lieber etwas taktischer an die Sache ran gehen will. Dies gibt dem Story-Modus noch zusätzlich Tiefe.
Die Story kann auch mit einigen Wendungen aufwarten und ist damit in fast allen Punkten überzeugend. Manchmal verkommen die Dialoge und das Spielgeschehen etwas gar krass in eine Schmutzkampagne gegen Russland, dazu aber später mehr.
Nach der Kampagne ist vor dem Multiplayer. Wie immer gibt es ziemlich viele Waffen und fast unüberschaubar viele Aufsätze und Modifikationen freizuschalten. Dabei kann man besonders zu Beginn schnell einmal den Überblick verlieren. Später findet man aber richtig Gefallen daran, seine Kampfmaschine bis ins kleinste Detail auf seine Bedürfnisse anzupassen.
Auch die Spielmodi sind vielseitig. So gibt es einen Modus, in dem man nur zu zweit gegen zwei andere Spieler antreten muss. Die Waffen wechseln dabei alle zwei Runden und sorgen damit für Abwechslung. Auch das klassische 6v6-Deathmatch macht richtig viel Spass. Die Rückkehr von den Scorestreaks zu Killstreaks wird nicht allen gefallen, wenn man sich dann aber doch einen Kampfhubschrauber verdient, fühlt sich das dafür umso besser an.
Eine der grösseren Neuerungen für die CoD-Reihe sind die grossen Gefechte. Auf riesigen Karten mit bis zu 64 Spielern kann man sich im grossen Stile mit seinen Gegnern messen. Dafür stehen auch Panzer und Kampfhubschrauber zur Verfügung. Wer aber wirklich auf solche grossangelegte Auseinandersetzungen steht, ist wohl mit der Battlefield-Reihe besser beraten.
Vor dem Launch haben die Entwickler auch Spec-Ops-Missionen im Stile von Modern Warfare 2 versprochen. Leider war zum Launch nur eine solche verfügbar und diese entsprach mehr einem Horden-Modus, in dem man mehrere Gegnerwellen abwehren muss, als einer echten Mission. Die Entwickler versprachen jedoch auf Reddit, dass weitere folgen sollen.
Damit überzeugt das neue Call of Duty: Modern Warfare fast auf ganzer Linie. Wer wie ich ein grosser Fan der Vorgänger ist, wird hier sehr viele glückliche Gamerstunden verbringen können. Es gibt keine aufdringlich beworbenen In-Game-Käufe und auch der Battlepass wird einem nicht bei jeder Gelegenheit angepriesen. Wenn die Entwickler ihren Versprechen nachkommen und tatsächlich auch noch komplizierte Kooperativ-Missionen dazu kommen, sind eigentlich alle Wünsche erfüllt.
Nun wäre Modern Warfare aber nicht Modern Warfare, wenn es nicht auch noch einen Eklat gäbe. In diesem Spiel äussert sich dieser in Form der Darstellung der Russen, die zu jedem Zeitpunkt eigentlich nur bösartig sind. Der General ist pädophil und sadistisch, die bösartigen Soldaten absolut willig, Zivilisten auf der Stelle zu erschiessen oder mit Giftgas ganze Städte auszulöschen.
Man kann von Wladimir Putin und seiner Politik halten was man will, dafür aber gleich die Einwohner eines ganzen Landes zu verteufeln, hilft hier aber auch nicht weiter. Vergleichbar bösartig wurden in Videospielen bisher eigentlich nur die Nazis dargestellt.
Das schlimmste Beispiel ist dabei aber die Erzählung, dass die russische Luftwaffe in ihrem Eroberungskrieg des fiktiven Staates einen Konvoi von Flüchtenden bombardiert habe. Eine solche Bombardierung hat tatsächlich stattgefunden. Die Flieger gehörten damals 1991 im zweiten Golfkrieg aber nicht zur russischen, sondern zur amerikanischen Luftwaffe. Die Umschreibung der Geschichte kommt hier schon fast tarantinoesque daher. Es ist daher kaum verwunderlich, dass das Spiel von vielen Russen negativ aufgenommen wird.
Nun könnte man argumentieren, es handle sich bloss um ein Videospiel, das provozieren und die echten Gräuel des Krieges darstellen will. So wurde bei der Veröffentlichung von Call of Duty: Modern Warfare 2 eine Folter-Szene als zu brutal kritisiert. Dass Folter im Krieg leider immer noch eingesetzt wird, lässt sich damit aber nicht wegdiskutieren.
Ein Kriegsspiel aber, dass sich für seinen Realismus rühmt, verdient mehr Graustufen zwischen den Fronten als heroische Amerikaner auf der einen und bösartige Russen auf der anderen Seite. Ausserdem ist eine solch generalisierende Einstufung in der angespannten politischen Lage von heute kaum zielführend sondern kontraproduktiv.