Vor 25 Jahren in England: Am Abend des 3. Dezembers verschickte ein schlaksiger, braunhaariger Ingenieur namens Neil Papworth das offiziell erste SMS mit den beiden Wörtern «Merry Christmas» von seinem Firmen-PC aus. Der damals 22-Jährige sass in einem Maschinenraum von Vodafone in Newbury vor drei miteinander verbundenen DEC-Computern, welche zusammen die Grösse eines Kühlschranks hatten, als er versehentlich Geschichte schrieb. Niemand hätte damals geahnt, dass Jahre später die ganze Welt mit dem simplen Kurznachrichtendienst kommunizieren würde.
Der knappe Weihnachtsgruss war eine Testbotschaft an Richard Jarvis, der damals als Manager bei der britischen Mobilfunkfirma Vodafone arbeitete. «Als ich das SMS abschickte, vergnügte er sich gerade auf der Firmenweihnachtsfeier am anderen Ende der Stadt», erinnerte sich Papworth 20 Jahre später im Interview mit Spiegel Online.
Papworth arbeitete damals für das IT-Unternehmen Sema und war Teil eines 28-köpfigen Teams, das bei der Entwicklung des Short Message Dienstes im Vorfeld wochenlange Tests durchgeführt hatte. Ob «Merry Christmas» wirklich das erste SMS war oder während der Testphase nicht schon ein anderer, womöglich weniger zitierbarer Text übermittelt worden ist, bleibt wohl für immer ein Geheimnis.
Als der Short Message Service vor 25 Jahren erfunden wurde, sollte er bloss ein eher unwichtiger Zusatzdienst zum damals neuen GSM-Mobilfunknetz sein. Die kurzen Textnachrichten waren gedacht, um Informationen über Störungen im GSM-Netz an Mitarbeiter oder Kunden zu senden.
Die Mobilfunkprovider hatten teils auch im Sinn, das SMS als eine Art Pager für Firmenkunden zu nutzen, zur Übermittlung einfacher Meldungen. «Per Kurznachricht auf ihr Autotelefon sollten etwa Handwerker über neue Aufträge informiert werden», sagte der deutsche Mobilfunkpionier und SMS-Miterfinder Friedhelm Hillebrand später im Gespräch mit Spiegel Online.
Ursprünglich war das SMS also gar nicht für die private Kommunikation gedacht, da sich damals schlicht niemand vorstellen konnte, dass private Nutzer lieber schreiben als anrufen.
1985 präsentierte Friedhelm Hillebrand, ein Manager der damaligen deutschen Bundespost, das Konzept der Kurznachricht. Wegen der Einschränkung auf 160 Zeichen wurde der Short Message Dienst «damals von vielen ausgelacht», erinnerte sich Hillebrand später im Gespräch mit Spiegel Online.
Hillebrand konnte die Zweifler mit dem Hinweis überzeugen, dass bei Fax und Postkarte meist auch nicht mehr Zeichen verwendet würden. Ursprünglich wollten die Väter des SMS gar nur 128 Zeichen erlauben, man einigte sich dann auf 160.
Der 2015 verstorbene Finne Matti Makkonen galt lange als «Vater des SMS». Makkonen gehörte laut Eigenaussage zu einer Gruppe von Telekom-Technikern, die angeblich bei der Entwicklung des GSM-Netzes den Geistesblitz für den Short Message Service hatten. In mehreren Interviews erzählte Makkonen, dass die Idee des SMS bei dänischem Bier in einer Gruppe von Technikern entwickelt wurde, die sich 1984 auf einer Konferenz mit der Standardisierung des 2G-Mobilfunknetzes beschäftigten.
Die süffige Geschichte des «Vater des SMS» wurde von einer kleinen finnischen Zeitung in die Welt gesetzt und weltweit von Medien verbreitet. Im Gegensatz zu Hillebrand und den weiteren «echten Vätern des SMS» konnte Makkonen seine Story nie mit Dokumenten belegen. Laut Recherchen der Website gsmhistory.com gibt es «absolut keine Verbindung zwischen Makkonen und der Entwicklung des SMS».
Das GSM-Netz, bei uns früher als Natel-D-Netz bekannt, ermöglichte ab Anfang der 90er-Jahre das Versenden kurzer Textnachrichten. Die damalige PTT (Vorgängerin der Swisscom) stellte den neuen Short Message Dienst an der Messe Telecom 91 erstmals in der Schweiz vor. Hierzu wurde in Genf das erste 2G-Pilotnetz gestartet.
Hierzulande nahm die PTT das GSM-Netz am 1. März 1993 offiziell in Betrieb. Der Short Message Dienst – das wahrscheinlich erfolgreichste Nebenprodukt der Telekommunikation – startete seinen Siegeszug aber erst ab Mitte der 90er-Jahre, als sich die ersten SMS-fähigen Handys langsam verbreiteten.
Das SMS ist eigentlich ein Nebenprodukt des GSM-Netzes (siehe Punkt 2) und wurde daher zunächst oft kostenlos angeboten. Als die Netzbetreiber realisierten, dass SMS rege zur privaten Kommunikation genutzt wird, machten sie den Dienst kostenpflichtig. Ab der Jahrtausendwende entwickelte sich das SMS zum grössten Ertragsbringer der Mobilfunkanbieter.
In der Schweiz startete der Short Message Dienst ab 1995 durch. In der SMS-Hochphase um 2011 lieferte allein die Swisscom über acht Millionen Kurznachrichten pro Tag aus. Bei einem Preis von 10 bis 20 Rappen für eine einzelne SMS, man rechne!
Das SMS wurde in den 00er-Jahren zum Goldesel der Mobilfunkprovider, da nur geringe Zusatzinvestitionen für den Betrieb notwendig waren, aber jedes einzelne SMS verrechnet wurde. Erst Gratis-Messenger wie WhatsApp zwangen die Provider günstigere SMS-Flatrates anzubieten.
Der alte Nokia-Piep-Ton «Special», der den Empfang einer neuen SMS ankündigte, ist der Morse-Code für SMS, wie das folgende Video ab Sekunde 55 zeigt.
Auf alten Tasten-Handys sind den Tasten «2» bis «9» jeweils drei bis vier Buchstaben zugeordnet. Bei der Texteingabe muss die Taste entsprechend für jeden Buchstaben einmal oder mehrmals betätigt werden – was das Schreiben mühsam gestaltet. Abhilfe schaffte ab 1999 die T9-Funktion, die automatisch einen Wortvorschlag aus dem Wörterbuch auf dem Display anzeigt. T9 ist quasi die Mutter der heutigen Autokorrektur.
2009 sandten sich zwei US-Amerikaner in einem Monat 217'000 SMS zu. Rekordverdächtig fiel auch die Rechnung aus, die ins Haus flatterte. Mehr als 26'000 US-Dollar verlangte der Mobilfunkbetreiber von dem damals 30-Jährigen, der sich beim Dauer-SMS-Senden auf seine Flatrate verlassen hatte. Was er nicht wusste: Die SMS-Flatrate war laut Mobilfunkanbieter aus technischen Gründen auf 100'000 SMS pro Monat begrenzt.
«Die Rechnung kam in einem Paket. Allein das Porto dafür betrug laut US-Medienberichten 27 Dollar. Der Papierstapel soll so dick wie zwei Telefonbücher gewesen sein», schrieb Spiegel Online. Als die Medien über die Rekordtipper berichteten, verzichtete die Telekomfirma auf den ausstehenden Betrag.
Für einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde muss man den folgenden Satz aus 160 Zeichen möglichst schnell tippen können: «The razor-toothed piranhas of the genera Serrasalmus and Pygocentrus are the most ferocious freshwater fish in the world. In reality, they seldom attack a human.»
Mit modernen Smartphone-Tastaturen brauchen die schnellsten Tipper nur rund 18 Sekunden, wie das folgende Video zeigt.
Mit Tasten-Handys brauchten selbst die schnellsten Tipper vor rund zehn Jahren über 40 Sekunden, um den komplizierten Satz aus 160 Zeichen zu schreiben.
2017 – gerade mal ein Vierteljahrhundert nach seiner Erfindung – entdeckte auch die beste Armee der Welt das SMS. Ende November berichtete die Schweizer Nachrichtenagentur SDA: «Auch bei der Einberufung halten neue Technologien Einzug. Einheiten mit hoher Bereitschaft können künftig per E-Mail oder SMS aufgeboten werden. Bei Social-Media-Kanälen ist der Bundesrat jedoch skeptisch. Diese seien anfällig für Cyberangriffe.»
SMS ist laut Duden weiblich oder sächlich. Während in Deutschland die SMS üblich ist, hat sich in der Schweiz und teilweise auch in Österreich das SMS eingebürgert.