Christoph Wachter und Mathias Jud haben ihr neuestes Projekt «Can you hear me?» bewusst zwischen der US-Botschaft und der britischen Botschaft in Berlin aufgebaut. In den Gebäuden verstecken sich Abhöreinheiten der Geheimdienste. Von dort aus wurde auch das Handy von Bundeskanzlerin Angela Merkel abgehört, als sie sich in der Nähe aufhielt.
Auf Anfrage erklärt Jud, dass die Aktion nicht als Provokation an die Adresse der schnüffelnden Grossmacht und ihres transatlantischen Verbündeten gedacht sei. «Es geht darum, für die Redefreiheit und ein grundlegendes Mitspracherecht der Bevölkerung zu werben.»
Den Ort habe man bewusst gewählt, weil er durch die Enthüllungen Edward Snowdens zum politischen Brennpunkt wurde. Mit der bis am 14. Dezember dauernden Aktion gehe es darum, ein Zeichen zu setzen gegen die Massenüberwachung. «Wie können wir dazwischenfunken in ein unfassbares, verborgenes und zugleich dominantes Machtsystem?»
Die Antwort ist ein mit einfachsten Mitteln aufgebautes Ad-hoc-Netzwerk, gebildet aus Büchsenantennen. Darüber können anonym Mitteilungen verschickt werden an andere Netz-Teilnehmer – und zwar auf den Frequenzen, die von der NSA und dem GCHQ abgehört werden.
Das Besondere: Das Berliner Regierungsviertel ist eigentlich ein abgeschirmter und streng bewachter Ort. Auf der «Bannmeile» sind die demokratischen Grundrechte eingeschränkt, so gilt beispielsweise ein Demonstrationsverbot. Bleibt der virtuelle Raum ...
Das künstlerische Konzept von Christoph Wachter und Mathias Jud hat offensichtlich die Schweizerische Botschaft in Berlin überzeugt und Unterstützung gibts auch von der Stiftung Pro Helvetia. Nun steht auf dem Dach der Botschaft eine Konstruktion aus Holzlatten, Büchsen und Kabeln. Es ist eine Antenne, die zusammen mit anderen ein offenes WLAN-Netzwerk bildet, ein sogenanntes Mesh-Netzwerk.
Wer vor Ort ist, kann sich mit dem Smartphone oder Laptop ins Mesh-Netzwerk einwählen und grundsätzlich alles tun, was über das Internet möglich ist: chatten, telefonieren, Bilder und Videos austauschen. Ausserdem kann man den Internetzugang anderen Nutzern anbieten.
Das heisst, ein Mesh-Netzwerk bringt das Internet auch in Regionen, in denen es dafür keine Infrastruktur gibt oder in der staatliche Stellen die Kommunikation via normales Internet behindern oder abhören. Ein bekanntes Beispiel ist die Firechat-App, mit der sich Demonstrierende bei den Protesten in Hongkong ungestört austauschen konnten.
Wer sich in ein ein Mesh-Netzwerk einklinkt, wechselt laut den Künstlern von den überwachten IP-Adressen, WLAN Zugängen, Bewegungsprofilen und IMSI-Catchern in ein unabhängiges System mit eigenem Routing, das eine Anonymität unter Gleichberechtigten biete. «Eine Freiheit und Gleichheit, wie sie im Digitalen versprochen war, wird hier im kleinen Kreis mit eigenen, einfachen Mitteln aufgebaut.»
Übrigens muss man nicht unbedingt nach Berlin reisen, um sich an der Kunstaktion zu beteiligen. Über ein Eingabefeld auf der Projekt-Website können Nachrichten ins Regierungsviertel gesendet werden.
Wer mehr Informationen zum Thema Freie Netzwerke sucht, wird hoffentlich bei qaul.net fündig.