«Heute Abend soll diese Stadt mal wieder richtig leben», stand in dem Schreiben, das die «Reclaim the Streets»-Aktivisten an der unbewilligten Demonstration in der Nacht auf Samstag verteilten: «Wir lassen uns nicht verdrängen. Wir nehmen uns, was uns gehört. Wir sind die Stadt», hiess es weiter.
Unter dem Slogan «Reclaim the Streets» (RTS) gab es seit 2010 immer wieder unbewilligte Demonstrationen in diversen Schweizer Städten. Die Beteiligten wollen sich «tanzend die Strasse zurück erobern» und demonstrieren gegen Gentrifizierung und Zerstörung des zahlbaren Wohnraumes in Schweizer Städten: «Wir wollen die Stadt nicht dem Geld, den Grundeigentümern, den Kapitalistinnen, dem Public-Private-Partners-hip-Staat und allen anderen Machtinhaberinnen überlassen», schreiben die RTS-Aktivisten, die aus der linksautonomen Szene stammen.
Nach dem letzten RTS in Zürich vor zwei Jahren und den grossen «Tanz dich frei»-Demonstrationen in Bern wurde es in letzter Zeit ruhig um die Bewegung.
Vom letzten Coup am Freitagabend wurde die Stadtpolizei Zürich denn auch komplett überrascht: «Wir hatten keine Kenntnis von der geplanten Aktion», sagt der Informationschef der Stadtpolizei Mario Cortesi. Die Polizei habe keinen Zugang zu einschlägigen Foren und die Demonstranten hätten sich per SMS organisiert. Die aufgebotenen Polizisten seien aber dank dem neuen Alarmierungssystem schnell vor Ort gewesen.
Ebenfalls überrascht wurde die Polizei von der Aggressivität der Demonstranten: «Eine solche Angriffslust habe ich noch selten gesehen», sagt Cortesi. Polizisten seien massiv und gezielt angegriffen worden. Sieben wurden mit Gehör- und Augenverletzungen ins Spital eingeliefert.
Tatsächlich artete die Zusammenkunft am Freitagabend ungewöhnlich schnell in eine wütende Strassenschlacht aus, wie Augenzeugen gegenüber watson berichteten: «Für ungefähr 20 Minuten war es recht friedlich, dann roch man Tränengas und alles geriet ausser Kontrolle», sagt Sympathisantin Nadine H. Sie ergriff danach die Flucht.
In der Vergangenheit waren die RTS-Demonstrationen – abgesehen von jener letzten September in Winterthur und jener vor zwei Jahren in Zürich – verhältnismässig friedlich verlaufen. Tanzende Menschen, kreative Transparente, laute Musik und gute Stimmung prägten die spontanen Strassenpartys.
Die gestrige Entladung können sich weder Polizei noch die friedlichen RTS-Teilnehmer erklären. «Das war total übertrieben», sagt ein Tanzdemonstrant. «So aggressiv wie die SBB mit der Europaallee in den Kreis 4 eingefahren ist, so aggressiv schlägt das Quartier jetzt zurück», sagt ein anderer.
Was die Gründe auch immer waren, die Bilanz des neusten RTS fällt traurig aus: Sieben verletzte Polizisten, vier verhaftete Aktivisten, mehrere hunderttausend Franken Schaden, meterweise versprayte Fassaden und ein Anliegen, das niemand mehr gehört hat. (rar)
Vier?
Seh ich jetzt da etwas falsch?