Eine 4,5-Zimmerwohnung kostet weniger als 2000 Franken, jede fünfte Wohnung ist subventioniert: Das Angebot der Genossenschaft «Mehr als Wohnen» auf dem Hunziker-Areal in Zürich Nord ist attraktiv. Doch wer in die Liegenschaft einziehen will, darf kein Auto besitzen.
Es ist das Konzept der autoarmen Siedlung: Wer hier einzieht, muss schriftlich erklären, auf das Auto zu verzichten. Neben der neuen Siedlung in der Kalkbreite und derjenigen in Leimbach, entsteht in Zürich Nord mit dem Hunziker-Areal eine weitere autoarme oder autofreie Genossenschaftssiedlung in Zürich.
Der Deal ist: Die Genossenschaften müssen nicht die nach städtischer Parkverordnung vorgeschriebene Anzahl Parkplätze bereitstellen. Dafür müssen sich ihre Mieter verpflichten, auf ein Auto zu verzichten. So kommt die Stadt dem Ziel der 2000-Watt-Gesellschaft etwas näher und die Genossenschaft kann sehr viel günstiger bauen.
Der günstige Wohnraum ist aber auch unter Autofahrern beliebt und besonders in einer Siedlung wie dem Hunziker-Areal mit vielen Familienwohnungen und verhältnismässig schlechter ÖV-Anbindung verschweigen viele Bewerber, dass sie ein Auto besitzen, um überhaupt einen Mietvertrag zu erhalten.
Gewisse lassen ihre Autos gleich mitsamt Versicherung und Nummer auf Verwandte oder Freunde umschreiben. Das ist die sichere Variante. Andere lassen einfach ihr Kennzeichen für die elektronische Abfrage im Internet sperren. Das ist die unsichere Variante. Sofern man nicht sehr weit von seinem Wohnort weg parkiert.
So macht laut Tages-Anzeiger ein Fall aus der Siedlung Sihlbogen in Leimbach die Runde, in der ein Mieter heimlich ein Auto besitzt und nun von der Genossenschaft mit dem Rauswurf bedroht wird. Erwischt wurde er offenbar, weil er in der blauen Zone rund um die Siedlung parkiert hatte.
Vermutlich war auch diesem Schummel-Mieter nicht bewusst: Die Genossenschaften haben Mittel und Wege ihnen auf die Schliche zu kommen.
So haben Wohnbaugenossenschaften in der Stadt Zürich die Möglichkeit, bei der Dienstabteilung Verkehr abzufragen, auf welche Adressen wie viele Anwohnerparkkarten für die Blaue Zone ausgegeben werden. «Gegen eine Gebühr können Genossenschaften diese Daten auf die Hausnummer genau anfordern», bestätigt Heiko Ciceri, Sprecher der Stadtzürcher Dienstabteilung Verkehr auf Anfrage von watson. Welche Genossenschaften die Daten zu welchen Zwecken anfordern, darf er aus Datenschutzgründen nicht sagen, aber laut Ciceri haben in der jüngeren Vergangenheit rund fünf Genossenschaften von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.
Angeblich brauchten sie die Daten zur Erstellung von Verkehrskonzepten, was zumindest sonderbar anmutet, wenn eine Siedlung fertig gebaut ist. Der Präsident einer Zürcher Wohnbaugenossenschaft, die eine autoarme Siedlung gebaut hat, jedoch nicht namentlich zitiert werden wollte, sagte gegenüber watson, dass man aufgrund dieser Daten gezielt nach Autosündern suchen könne und das auch mache.
Laut Ciceri werden dabei weder Namen noch Nummernschilder herausgegeben, insofern sei der Datenschutz gewährleistet.
Ein weiterer Weg, über den die Genossenschaften ihren autofahrenden Mietern auf die Schliche kommen, ist der informelle Informationsaustausch mit anderen Genossenschaften über Parkplatzmieter. So sagt eine Mitarbeiterin von «Mehr als Wohnen» gegenüber watson freimütig, dass man darüber im Bilde sei, wenn Mieter aus der eigenen autoarmen oder -freien Siedlung in der Tiefgarage einer benachbarten Genossenschaftssiedlung einen Parkplatz mieten wollen. Der Austausch funktioniere allerdings nur mit Genossenschaften, die keine Parkplätze mehr zu vermieten haben, die anderen haben kein Interesse daran, ihre künftigen Parkplatzmieter zu verraten.
Am ehesten vertraut «Mehr als Wohnen» aber «auf Sozialkontrolle», sagt der «Mehr als Wohnen»-Sprecher Daeniker. Also darauf, dass Nachbarn die motorisierten 2000-Watt-Genossenschafter verpfeifen.
Werden Mogler ertappt, müssen sie mit der Kündigung rechnen.
Das Ganze hat nichts mit Bünzli zu tun, sondern mit Gesellschaftsregeln. So jemand will von den Vorteilen profitieren, ohne die Nachteile in Kauf zu nehmen. Das ist inakzeptabel.