Radikale Glaubensgemeinschaften und Sekten sind politisch häufig am rechten Rand angesiedelt oder haben faschistoide Haltungen und Tendenzen. Das ist keine Überraschung, sondern ist eine logische Konsequenz ihrer Heilslehre und Strukturen. Denn autoritäre Systeme laufen stets Gefahr, rechtsradikale Züge zu entwickeln.
Konkret: Sie werden in der Regel von machtbesessenen Führern oder Gurus gegründet und sind rückwärts gewandt, weil sie ihre reaktionären Ideen konservieren wollen. Der Scientology-Gründer Ron Hubbard zum Beispiel wollte in seinem Machtrausch die ganze Welt scientologisch machen und die Demokratie abschaffen.
Das Phänomen ist auch beim Opus Dei, einer Art Geheimloge, auszumachen. Die reaktionäre katholische Bewegung im Rang eines Bistums möchte das Rad der Zeit zurückdrehen. Auch die Zeugen Jehovas sind eine autoritäre Freikirche, die den geistigen Spielraum ihrer Gläubigen einengt.
Weiter vertreten viele esoterische Gruppen und Bewegungen ein reaktionäres Gedankengut, das teilweise aus der Wiedergeburt- und Karmatheorie resultiert. Nicht von ungefähr sprechen Fachleute von der „braunen Esoterik“.
Ein besonders krasses Beispiel ist die christliche Polit-Sekte Colonia Dignidad (Kolonie der Würde), durch deren Geschichte sich eine Blutspur zieht. Nach jahrzehntelangen Vertuschungen und politischem Protektionismus sind nun endlich fünf ranghohe Exponenten der deutschen Sekte zu je fünf Jahre Haft verurteilt worden. Der oberste chilenische Gerichtshof warf den drei deutschen Sektenführern Kurt Schnellenkamp, Gerhard Mücke und Karl van den Berg sowie zwei ehemaligen chilenischen Geheimdienstmitgliedern die Bildung einer kriminellen Vereinigung vor.
Colonia Dignidad hatte unter dem Regime von Diktator Augusto Pinochet mit dem Geheimdienst zusammengearbeitet. Die vom deutschen Prediger Paul Schäfer 1961 in Chile gegründete Sekte diente dem Geheimdienst des Diktators als Folterzentrum.
Aber auch Sektenmitglieder wurden im getarnten Sektenzentrum körperlich gezüchtigt und teilweise sexuell missbraucht. Schnellenkamp und Mücke sind wegen solcher Verbrechen bereits in Chile in Haft. Etliche Sektenanhänger konnten sich aber der Justiz entziehen.
Vor zehn Jahren waren 18 Sektenanhänger und Geheimdienstmitglieder angeklagt worden. Sechs Angeklagte starben im Laufe der Verhandlungen, drei flüchteten nach Deutschland. So auch der Sektenarzt Hartmut Hopp, der bereits zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt worden war.
Hopp versteckte sich jahrelang, und die deutsche Justiz legte wenig Eifer an den Tag, ihn zu fassen. Seit er enttarnt worden ist, prüft nun das Landgericht Krefeld, ob es das Urteil aus Chile vollstrecken kann.
Sektenführer Schäfer war 2006 zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil er unter anderem Kinder verschleppt und sexuell missbraucht hatte. Vier Jahre später starb er im Alter von 88 Jahren.
Schäfer, ein untersetzter Mann mit Glasauge, hatte 1961 seine abgelegene Kolonie 400 Kilometer südlich von Santiago aufgebaut. Das kleine, herausgeputzte Dorf mit den landwirtschaftlichen Musterbetrieben und den weiten Feldern wirkte wie ein Freilichtmuseum. Heute ist es ein Feriendorf.
Der fromme Deutsche war ein Päderast und flüchtete damals vor der deutschen Justiz nach Chile. Im abgelegenen Sektenzentrum konnte er seine sexuelle Neigung an den Söhnen der Sektenmitglieder ausleben.
Wenn er „Nachschub“ brauchte, entführte er Knaben oder stahl sie einheimischen Familien. Immer wieder, so berichten ehemalige Bewohner der Kolonie, seien Babys, die gratis in der Sektenklinik behandelt wurden, für tot erklärt und in der Kolonie versteckt worden.
Für Schäfers Anhänger war die Kolonie vor allem ein Arbeitslager, das von Stacheldraht umzäunt war. Sie schufteten unter einem strengen Regime 16 Stunden am Tag auf den Feldern, Lohn gab es keinen, Kontakt nach aussen war untersagt. Es gab keine Zeitungen, kein Radio, und das Lesen von Büchern war verboten.
Die Anhänger des pädophilen Sektenführers mussten fromm, unterwürfig und angepasst sein und ihre Triebe unterdrücken. Familien wurden auseinandergerissen, Knaben und Mädchen wuchsen getrennt auf.
Wer die Sektenregeln verletzte, wurde mit Züchtigung umerzogen: Mit Elektroschocks und Psychopharmaka wollte Schäfer Temperament und Charakter seiner Anhänger umpolen.
Schäfer war ein Vertrauter von Pinochet. Der Diktator liess seine Gegner teilweise im Sektenzentrum umbringen, wie später entdeckte Massengräber bewiesen.
Paul Schäfer war nach dem 2. Weltkrieg als Jugendbetreuer bei der evangelischen Kirche in Bayern tätig. Erste Anzeigen von Kindsmissbrauch wurden bereits 1946 registriert, doch Schäfer wurde erst fünf Jahre später entlassen. Nun zog er als Laienprediger durch Deutschland, richtete 1956 ein Kinderheim ein und nahm Waisen auf. Als er mit 250 Anhängern nach Chile flüchtete, entführte er auch Kinder, die ihre Eltern nie mehr sahen.
Nach dem Sturz von Pinochet dauerte es noch viele Jahre, bis die neue Regierung die Verbrechen im Sektendorf zu untersuchen begann. Schäfer entkam 1997 der Razzia und floh nach Argentinien. Nach acht weiteren Jahren wurde er verhaftet und nach Chile ausgeliefert.
Dass der Sektenarzt Hartmut Hopp, der massgeblich an den Verbrechen beteiligt war, sich auch heute noch frei in Deutschland bewegen kann, ist nur einer der verstörenden Aspekte dieser dramatischen Sektengeschichte.
So hat Osho, der Guru der Bhagwan-Sekte, tausende Hippies mit Versprechungen von Freier Liebe und Grossfamiliärer Gemeinschaft in seine Ashrams in Indien gelockt, bevor er dort seinen Psycho-Terror aufzog, der darin gipfelte, dass sich die Mitglieder der Sekte nur noch mit Handschuhen berühren durften...
Etwas Ähnliches beobachte ich heute in der "Permakultur-Szene", die ebenfalls IdealistInnen mit Utopien von Naturverbundenheit, Spiritualität und Gemeinschaft anlockt...
Entsprechend sind die erwähnten Sektenführer Deutsche.
Was wieder in das Bild der reaktionären und autoritären Sekten passt.