Bruno S.1988
Hoffentlich entsteht in einigen Jahre eine Serie!
Am Abend des 8. November 2016 zeichnete sich ab, was kaum jemand für möglich gehalten hatte: Donald J. Trump würde die Präsidentschaftswahl in den USA gewinnen. Wie aber reagierte der Kandidat selbst? Als er seinen wahrscheinlichen Sieg realisierte, habe Trump «ausgesehen, als ob er ein Gespenst gesehen hatte», soll sein Sohn Donald junior einem Freund erzählt haben.
So steht es in einem explosiven Buch, das schon Tage vor seiner offiziellen Veröffentlichung viel Staub aufwirbelt: «Fire and Fury» (Feuer und Zorn), verfasst vom US-Journalisten Michael Wolff, beschreibt die ersten Monate der Trump-Präsidentschaft. Eine solche hätte es gemäss einem Vorabdruck, den das New York Magazine veröffentlichte, gar nie geben sollen.
A front-row view of Donald Trump’s presidency, from his improvised transition to his first months in the most dysfunctional White House ever, by @MichaelWolffNYC https://t.co/WtioiyDfFe
— New York Magazine (@NYMag) 4. Januar 2018
«Donald Trump wollte nicht Präsident werden», lautet die Kernbotschaft von Wolffs Buch: Sein Plan sei gewesen, die Wahl zu verlieren und aus der Niederlage möglichst viel Kapital zu schlagen, nach dem Motto «Verlieren ist gewinnen». Entsprechend ungläubig und schockiert habe Trump auf den unerwünschten Sieg reagiert. Ehefrau Melania habe geweint, «aber nicht vor Freude».
Die These der «geplanten» Niederlage ist nicht neu. Seit Donald Trump im Sommer 2015 seine Kandidatur angekündigt und gleich in seiner ersten Ansprache gegen mexikanische Einwanderer gehetzt hatte, verfolgte ihn die Vermutung, er meine es nicht ernst, sondern wolle in erster Linie eine Show abziehen. Niemals habe er erwartet, dass sie ihn ins Weisse Haus befördern werde.
Sein gigantisches Ego allerdings brachte ihn schnell dazu, den Sieg mehr als nur zu akzeptieren. Er sei überzeugt gewesen, dass er es verdiene, Präsident zu sein, «und dass er dazu vollkommen fähig sei». Michael Wolffs Buch bemüht sich nach Kräften, diese Selbsteinschätzung zu widerlegen. Trump wird als inkompetent und ignorant geschildert, also als völlig überfordert.
Rupert Murdoch soll den Präsidenten nach einem Telefongespräch als «fucking idiot» bezeichnet haben. Der australische Medienmogul dürfte eine der wichtigsten Quellen von Michael Wolff gewesen sein. Der Journalist war früher ein Hofschreiber und Biograph von Murdoch. Ihm dürfte er auch den privilegierten Zugang zum Weissen Haus zu verdanken haben, dessen sich Wolff brüstet. Laut «New York Magazine» besass er «eine Art halb-ständigen Sitz auf einer Couch im West Wing».
Aus mehr als 200 Interviews destillierte er sein Buch, das mit weiteren knackigen Enthüllungen aufwartet. So habe der inzwischen verstorbene Fox-News-Gründer Roger Ailes Trump gesagt, er brauche «einen Hurensohn als Stabschef, der Washington kennt». Der Stabschef ist die wichtigste Person im Weissen Haus, sie kontrolliert die Agenda des Präsidenten. Ailes schlug John Boehner vor, den früheren Vorsitzenden des Repräsentantenhauses. Worauf Trump fragte: «Wer ist das?»
Seine Vereidigung habe Trump nicht genossen. Er sei wütend gewesen, dass die Topstars ihn abblitzen liessen. Mit seiner Frau habe er sich öffentlich gestritten. Zur Schlüsselfigur in dieser Phase wurde Chefstratege Steve Bannon, der seine Agenda durchsetzen konnte, weil «niemand in der Regierung wirklich einen Job hatte». Inzwischen liefern sich Bannon und Trump einen offenen Krieg – auch das eine Folge von Michael Wolffs Enthüllungsbuch.
Tochter Ivanka Trump und Schwiegersohn Jared Kushner bekommen ebenfalls ihr Fett weg. Die beiden hätten ihre Jobs im Weissen Haus nur angenommen, damit sie ihre eigenen Karrierepläne vorantreiben konnten. Mit dem Fernziel, dass Ivanka selber für die Präsidentschaft kandidieren sollte. Zu ihrem Vater halte sie Distanz. Sie mache sich sogar über seine bizarre Frisur lustig.
Der Präsident selber soll sich im Weissen Haus weit weniger wohl fühlen als im Trump Tower in New York. Am liebsten verkrieche er sich in sein Schlafzimmer, in dem er nicht weniger als drei Fernseher einrichten liess. Das Personal dürfe nichts anfassen, vor allem nicht seine Zahnbürste. Trump fürchte sich seit langem vor einer Vergiftung, einer der Gründe, weshalb er bei McDonald's esse. Niemand wisse, wann er komme, und das Essen sei vorgefertigt.
Im Schlafzimmer – die Trumps sind das erste Präsidentenpaar seit den Kennedys, das in separaten Räumen nächtigt – schaue er fern und telefoniere mit einer kleinen Gruppe von Freunden, denen er sein Leid klage. Michael Wolff mutmasst, dass die unzähligen Lecks aus dem Weissen Haus teilweise auf Trump selber zurückgehen. Oft telefoniere er mit Leuten, die seine Aussagen direkt an die Medien durchsickern liessen, schreibt der Autor.
Seine Beschreibung der chaotischen Trump-Präsidentschaft liest sich süffig. Offen bleibt die Frage nach dem Wahrheitsgehalt. Präsidentensprecherin Sarah Huckabee Sanders sagte am Montag, vieles im Buch sei «vollkommen unwahr». Mit dem Präsidenten sei Wolff nie richtig zusammen gesessen. Die beiden hätten «fünf bis sieben Minuten miteinander gesprochen».
Kritiker behaupten, Michael Wolff habe es schon in früheren Büchern mit der Wahrheit nicht sonderlich genau genommen und Szenen «nicht nachgestellt, sondern gestellt», so die Chicago Tribune. Sie bezweifelt etwa, dass Donald Trump den früheren Speaker John Boehner nicht gekannt habe. Seit 2011 habe er im Gegenteil mehrfach über Boehner getwittert.
Einige der in «Fire and Fury» zitierten Personen haben sich von den Aussagen distanziert, die der Autor ihnen in den Mund legt. Dem Erfolg des Buches wird das kaum schaden. Schon vor der offiziellen Veröffentlichung am 9. Januar liegt es bei Amazon auf Platz 1.