«Wow!», twitterte Donald Trump gestern gleich zweimal. Und tatsächlich hielt der gestrige Dienstag für den US-Präsidenten gute Nachrichten bereit. Besonders ein Wahlresultat in New York sorgte für grosses Aufsehen.
Doch zunächst zum:
Das erste «Wow!» betrifft den von Trump angeordneten Travel Ban. Das oberste US-Gericht befand die Einreisesperre für sieben Länder für verfassungsgemäss. Der US-Präsident kann dies als grossen Sieg verkaufen, war der Travel Ban doch eines der grossen Wahlkampfversprechen.
SUPREME COURT UPHOLDS TRUMP TRAVEL BAN. Wow!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 26. Juni 2018
Nach dem Urteil des Supreme Court dürfte Trump die alleinige Autorität in Einwanderungsfragen noch mehr für sich beanspruchen. Wie der Präsident bereits mehrfach durchblicken liess, möchte er sich von der US-Justiz nicht reinreden lassen, wer ins Land kommen darf und wer nicht.
Dabei geht es nicht nur um die sieben Länder des Einreiseverbots, sondern auch um die Grenze zu Mexiko. Das Recht auf eine Anhörung würde Trump den illegalen Einwanderern jedenfalls am liebsten abschlagen. «Wahnsinn», empörte er sich, «wir haben Richter für die.»
Das Prinzip der Gewaltentrennung kann auch der US-Präsident nicht einfach so ausschalten. Gestern reichten 17 Bundesstaaten Klage gegen Trumps Einreisepolitik ein. Diese sei «schlicht und einfach grausam», erklärte etwa der Attorney General aus New Jersey, Gurbir Grewal.
Besonders scharf kritisiert werden weiterhin die Familientrennungen. Donald Trump setzte zwar die Null-Toleranz-Politik per Dekret vergangenes Wochenende aus. Noch immer sind aber 2047 Kinder von ihren Eltern getrennt. Das sind nur sechs weniger als vor einer Woche.
An der Grenze zu Mexiko wird die Lage derweil von Tag zu Tag unübersichtlicher. Weil die Gesetzeslage wegen Trumps neuestem Dekret unklar ist, errichtet das Pentagon an diversen Stützpunkten Zeltlager für Zehntausende Migranten. Was mit ihnen geschehen soll, bleibt unklar.
Ein Gesetzentwurf, der die Einreisefragen regeln soll, wird momentan vom Repräsentantenhaus behandelt. Doch die Republikaner sind derart verstritten, dass eine Annahme bis Donnerstagabend unwahrscheinlich scheint. Danach verabschieden sich die Abgeordneten in den Urlaub. Nächste Woche ist in den USA Nationalfeiertag.
Bisher hat Trumps Einwanderunspolitik für viel Chaos gesorgt – und die Krise scheint anzuhalten. Am Wochenende sind in den Vereinigten Staaten landesweit Proteste angekündigt.
In nicht einmal mehr vier Monaten stehen in den USA die Halbzeitwahlen an. Die sogenannten Midterms, bei denen die Mitglieder des Repräsentantenhauses und ein Teil des Senats neu gewählt werden, finden heuer besonders grosse Beachtung.
Sie werden nach zwei Jahren Trump Aufschluss darüber geben, wie die Stimmung im Land ist. Ist die US-Bevölkerung zufrieden mit dem Kurs des US-Präsidenten oder können die Demokraten die Mehrheit im Kongress zurückholen? Und vor allem: Wie stehen die Chancen Trumps auf eine Wiederwahl?
Was bisher passiert ist, dürfte Donald Trump jedenfalls gefallen. In den Vorwahlen für die Midterms läuft es gut für den Präsidenten. Die «Washington Post» titelte gestern Abend: «Trump erweitert seine Siegesserie in den GOP-Vorwahlen.»
Trump reihte bei den Vorwahlen der Grand Old Party einige Siege aneinander. Etwa in South Carolina, wo Henry McMaster, ein Verbündeter Trumps, den Geschäftsmann John Warren besiegte. Oder in Utah, wo Mitt Romney, der nach vielen Unstimmigkeiten wieder mit Trump zusammenspannt, gewinnen konnte.
Das bemerkenswerteste Resultat der gestrigen Vorwahlen stammt aber aus einem New Yorker Distrikt und betrifft die Demokraten. Eine junge Aktivistin überflügelte dort die Parteigrösse Joseph Crowley und löste damit ein kleines politisches Erdbeben aus.
Denn Crowley ist zurzeit vierthöchster Demokrat im Repräsentantenhaus und galt als möglicher Nachfolger von Nancy Pelosi als Minority Leader. Doch die 28-jährige Alexandria Ocasio-Cortez machte einen fetten Strich durch die Rechnung des 56-Jährigen.
Dies war der Grund für das zweite «Wow!» des US-Präsidenten. Dieser verbuchte Crowleys Niederlage als seinen eigenen Erfolg. Crowley sei ein «Trump-Hasser» gewesen, twitterte er. «Vielleicht hätte er etwas netter und respektvoller zu seinem Präsidenten sein sollen.»
Wow! Big Trump Hater Congressman Joe Crowley, who many expected was going to take Nancy Pelosi’s place, just LOST his primary election. In other words, he’s out! That is a big one that nobody saw happening. Perhaps he should have been nicer, and more respectful, to his President!
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump) 27. Juni 2018
Aber:
So schallend die Ohrfeige für das demokratische Establishment gestern auch war und so stark Trumps Kandidaten auch abschnitten, die Ereignisse gestern zeigen auch, dass sich im gegnerischen Lager etwas tut. Und das könnte für Trump gefährlich werden.
Bei den letzten Präsidentschaftswahlen wurde klar, dass sich die demokratische Partei neu orientieren muss, will sie wieder die Massen mobilisieren können. Hillary Clinton versprach zu wenig Veränderung, sie hatte keine Visionen, die zu elektrisieren vermochten.
Wie diese Veränderung in etwa aussehen könnte, zeigte sich gestern im 14. New Yorker Distrikt. Ocasio-Cortez, die Crowley ziemlich deutlich in die Schranken verwies, bezeichnet sich selber als «Democratic socialist» und gehört dem linken Flügel der Partei an. 2016 arbeitete die Latina, welche in der Bronx geboren wurde, für das Kampagnenteam des Präsidentschaftskandidaten Bernie Sanders.
Nun versuchte sie selber den Sprung in die Politik und könnte dank des gestrigen Überraschungserfolgs bei den Vorwahlen im November als bisher jüngste Frau überhaupt in den Kongress gewählt werden.
Ocasio-Cortez setzte sich bei ihrem Wahlkampf für eine allgemeine Gesundheitsversorgung und für gebührenfreie Schulausbildung ein. Ganz im Gegensatz zu ihrem Kontrahenten Crowley konnte Ocasio-Cortez nicht auf grosse Unterstützer zählen. Sie finanzierte ihre Kampagne durch Kleinstspenden.
Auf unzähligen Veranstaltungen hörte sie sich die Sorgen der Wähler in ihrem Bezirk an. Während Crowley die Gefahr unterschätzte und sogar zwei Debatten mit seiner Herausforderin sausen liess.
Die begeisternde Grassroot-Bewegung der 28-Jährigen könnte den Weg für zukünftige Erfolge der Demokraten aufzeigen. Es ist Zeit für grosse Ideen, der Establishment-Mief muss abgelegt werden.
Wenn dieses Signal gestern auch von der Parteispitze verstanden wurde, dann könnte es spätestens bei den nächsten Präsidentschaftswahlen wieder einmal ein «Wow!» bei den Demokraten geben.