Es ist noch keine 20 Jahre her, da standen sich die beiden im Krieg gegenüber. Hashim Thaci als politischer Anführer der kosovarischen Befreiungsarmee UÇK und Aleksandar Vucic als Informationsminister unter dem serbischen Staatschef Slobodan Milosevic.
Heute sind sie Präsidenten der beiden Länder und stehen möglicherweise kurz vor einem historischen Deal, der unter anderem eine Grenzverschiebung beinhalten könnte.
Viel von einander halten tun sie auch heute nicht. Das machte Vucic am Samstag klar. «Thaci mag mich nicht und ich mag ihn sowieso überhaupt nicht», sagte der serbische Präsident über seinen Amtskollegen.
Trotz der Animositäten arbeiten die beiden Staatschefs derzeit aber auf eine gemeinsame Lösung für die seit Jahren schwelenden Grenzstreitigkeiten hin. Dies bestätigten sowohl Thaci als auch Vucic am Wochenende beim European Forum Alpbach in Österreich, wo es zum gemeinsamen Treffen kam.
Seit Wochen kursierten Gerüchte über eine allfällige Grenzverschiebung, doch am Samstag war das erste Mal, dass sich die beiden Präsidenten öffentlich dazu äusserten.
«Der Kosovo ist entschlossen, eine verbindliche rechtliche Vereinbarung mit Serbien zu treffen. Die Zeit dafür ist jetzt gekommen», sagte Thaci. «Länder unserer Region, EU-Mitgliedstaaten oder andere Länder der Welt sollten sich einer möglichen friedlichen Einigung zwischen dem Kosovo und Serbien nicht widersetzen oder Angst haben, auch wenn eine solche Vereinbarung eine Grenzkorrektur beinhalten könnte.»
Details zur anvisierten Grenzverschiebung wollten die Staatspräsidenten nicht preisgeben. Die am meisten geäusserte Vermutung lautet aber, dass der nördliche Teil des Kosovos Serbien zugeteilt und das serbische Presevo-Tal Teil des Kosovos werden würde. In beiden Regionen leben heute viele serbische beziehungsweise albanische Minderheiten.
Thaci brachte am Montag in einem Interview mit European Western Balkans neben Presevo auch die Ortschaften Medveda und Bujanovac ins Spiel. Deren Bewohner hätten bereits in einem Referendum im Jahr 1992 den Wunsch geäussert, Teil des Kosovos zu werden.
Sowohl Thaci als auch Vucic äusserten jedoch Befürchtungen, dass ein solches Abkommen von der EU nicht akzeptiert würde. Erst vor zwei Wochen erteilte Angela Merkel derartigen Plänen eine klare Absage. «Die territoriale Integrität der Staaten des Westbalkans ist unantastbar», sagte die Kanzlerin.
In Brüssel geht die Sorge um, dass auf eine Grenzkorrektur beim Kosovo weitere folgen könnten. Konkret geht es etwa um die «Republika Srpska» im Norden Bosniens, die den Anschluss an Serbien suchen könnte. Zudem betonen EU-Vertreter, dass der Grenz-Deal auch in der Region umstritten sei.
Vucic wehrt sich jedoch gegen Einmischung von aussen. «Weshalb interessiert es sie, was wir tun?», fragte der serbische Präsident am Samstag. «Wir tun etwas für die Zukunft der Serben und Albaner. Wir kümmern uns um uns selber und schaden niemand anderem.» Er respektiere die territoriale Integrität Bosniens, versicherte Vucic.
Eine Lösung zwischen Serbien und Kosovo, so Vucic, sei jedoch nur dann möglich, wenn sie die Unterstützung der EU erhielten.
Beide Länder würden gerne EU-Mitglied werden. Doch Brüssel hat deutlich gemacht, dass eine Aufnahme sowieso erst in Frage kommt, wenn die Grenzstreitigkeiten beigelegt würden. Für den Kosovo steht zudem die Aufnahme in die UNO auf dem Spiel. Bis heute haben 117 Staaten die Unabhängigkeit des jungen Staates anerkannt.
Solange keine Einigung mit Serbien vorliegt, wird Belgrads Alliierter Russland eine Aufnahme weiterhin blockieren.
Haben die Bemühungen Serbiens und Kosovos tatsächlich eine Chance, durchzukommen? Der zuständige EU-Kommissar Johannes Hahn liess am Wochenende durchblicken, dass die Positionen in Brüssel vielleicht doch nicht so verhärtet sind wie kürzlich von Merkel vorgetragen.
Zwar äusserte Hahn Bedenken wegen eines möglichen Domino-Effekts. Aber er schloss Grenzverschiebungen grundsätzlich nicht aus. «Wir brauchen die Stabilität der gesamten Region», forderte Hahn, «und dafür braucht die internationale Gemeinschaft eure Zusicherung». Die Anstrengungen der beiden Parteien bezeichnete er als «historisch».