Beyoncé ist schuld. Weil sie in der Halbzeit des letzten Superbowls mit ihren «shit-kicking» Stiefeln und ihrem feministischen Schlachtgesang den heiligsten Rasen Amerikas versaute. Exakt da begriff der hässige weisse Mann, dass es nun um alles geht. Und dass er den Kampf um seine Privilegien nur mit einem Anführer gewinnen kann: Donald Trump.
So erzählt es jedenfalls Michael Moore. Für ihn hat der hässige weisse Mann folgende Vorstellung vom Untergang Amerikas:
Michael Moore spricht in einem Theater in Wilmington, Ohio, wo Donald Trump in den Vorwahlen viermal mehr Stimmen erhielt als Hillary Clinton. Michael Moore missioniert wieder einmal, wenn auch reichlich spät. Eigentlich wäre es nicht mehr nötig. Aber schaden kann es nicht, dass seine siebzigminütige Rede von Wilmington aufgezeichnet wurde und jetzt in amerikanischen Kinos und auf iTunes läuft.
«Michael Moore in TrumpLand» heisst die vor wenigen Tagen gedrehte unangekündigte Überzeugungstat und sie ist überaus fantastisch. Hochkomisch, rhetorisch virtuos, und wenn Moore zu viel Rührseligkeit aus dem Saal herauskitzelt, schlägt er eine umso absurdere Volte. Eine One-Man-Show für the one woman, Hillary Clinton. In die er schon seit über 20 Jahren ein bisschen verliebt ist.
«Meine Grossmutter hat gesagt: Du kannst über jeden was Nettes sagen, ausser über Hitler und Matt Lauer (einen amerikanischen TV-Journalisten).» Er probiert's gleich selbst mit George W. Bush: Er hat seine Töchter gut erzogen, er hat in die Aids-Hilfe in Afrika investiert, er ... Pause ... liebt seine Hunde. Und jetzt alle mal was Nettes über Hillary!
Es gibt die Verschwörungs-Theorie, sie und ihr Mann seien für die Ermordung von 46 Menschen zuständig. Quasi eigenhändig. Wie sagt man das jetzt nett? So: «Wir hatten seit Ulysses S. Grant niemanden mehr im Oval Office, der jemanden getötet hat! Der «IS» scheisst sich in die Hosen, wenn sie Präsidentin wird!»
Und dann kommt wieder eine typische Michael-Moore-Rechnung: 50'000 Amerikaner sterben jährlich, weil sie keine oder eine ungenügende Krankenversicherung besitzen. Vor 20 Jahren strebte Hillary Clinton eine Gesundheitsreform an und wurde dafür verspottet. «Eine Million toter Amerikaner, weil wir uns weigerten, auf Hillary Clinton zu hören!» Die Menschen im Theater haben jetzt Tränen in den Augen. Eine Mutter steht auf und sagt, Hillary Clinton stehe für alles, was sie ihren Töchtern mitgeben wolle.
Wenn sie sich nicht an ihre Versprechen halte, so droht er, dann werde er, Michael Moore, Präsidentschaftskandidat. Seine Wahlversprechen: gratis HBO, nur noch ein Ladekabel für alle Elektrogeräte und jedes Wochenende zwei Joints für alle.
Aber darum geht es erst nach der Halbzeit. Zuerst erzählt Michael Moore, wie er Hillary Clinton nie wählen wollte, weil er ein Bernie-Man war. Wie er die Trump-Wähler versteht und bewundert: Für das Entschiedene, Klare, Ordentliche, Organisierte, Diziplinierte ihres Weltbildes. «Ihr steht um 5 Uhr morgens auf – wir kennen 5 Uhr höchstens, weil wir dann nach einer Party zu Bett gehen.»
Für die Trumpwähler hat er das Innere des Theaters in Wilmington umgestaltet. Über allen «muslimischen oder muslimisch aussehenden» Gästen kreist eine Überwachungsdrohne. Alle «mexikanischen oder mexikanisch aussehenden» Zuschauer werden hinter einer Kartonmauer versteckt.
Viele im Publikum sind jung. Sind Millenials. «Gestern kam ein Mann und sagte: ‹Mike, Mike, was tun wir bloss mit Millenials! Sie werden nicht wählen!›», erzählt Moore, «ich habe geantwortet: ‹Wir haben doch bereits etwas getan, wir haben sie erzogen!›»
Die oft gescholtenen Millenials sind für ihn kein Problem, sie seien weder für die Klimaveränderung noch für den Kollaps der Wall Street verantwortlich, wie würden weder Rassismus noch Homophobie kennen, hätten keine Truppen in den Irak geschickt und könnten zuverlässig jedes technische Gerät reparieren. Eine tolle Generation. Michael Moore weiss genau, wie man Wähler mobilisiert.
In Trump erkennt er den «Molotow-Cocktail, die Handgranate der früheren Mittelklasse», die sich rächen will an einem System, das sie verarscht hat. So, wie die britischen Wähler mit dem Brexit ein Zeichen setzen wollten. Einfach mal ihre Meinung sagen wollten.
Und schliesslich die ultimative Wahlempfehlung. Während Lewinsky-Gate suchte Michael Moore in einer TV-Show nach einem Date für Hillary. Er fragte: Donald Trump. Der seinerseits versicherte, dass es sich bei Hillary um «a hell of a good woman» und überhaupt eine wahnsinnig tolle Frau und die beste Gattin in Amerika handle. Und dass er ihr voller Respekt alles Gute wünsche.
«Michael Moore in TrumpLand» pimpt Hillary Clintons Wahlkampf ganz zum Schluss mit etwas, das ihm bisher eher fern lag: mit Spass. Und mit grossen Gefühlen. Am Schluss sind alle hingerissen: Die Frauen, die Millenials, die «Muslime» und «Mexikaner», und alle Männer, die sich nach Moores Rede nicht mehr zu den hässigen weissen Männern zählen wollen. Also alle.