Das Aussenministerium in Washington kündigte am Mittwoch offiziell an, Blinken werde am Freitag nach Peking aufbrechen und dort am Sonntag und Montag politische Gespräche führen. Blinken holt damit eine länger geplante Reise nach, die er Anfang Februar wegen Spionagevorwürfen gegen China in letzter Minute abgesagt hatte.
Ein hochrangiger Mitarbeiter des US-Aussenministeriums betonte, angesichts der angespannten Beziehungen beider Länder sei bei dem Besuch keine lange Liste von Ergebnissen zu erwarten. «Wir müssen realistisch sein», betonte er. Es sei nicht mit einem «Durchbruch» zu rechnen. Es gehe eher darum, die Kommunikationskanäle aufrechtzuerhalten, den Wettbewerb beider Staaten verantwortungsvoll zu gestalten und das Risiko von Fehlkalkulationen zu minimieren.
Nach Angaben des US-Aussenministeriums ist es der erste China-Besuch Blinkens als Ressortchef. «Es wird der erste Besuch eines US-Aussenministers in China seit 2018 sein und der erste Besuch des eines US-Kabinettsmitglieds seit 2019», sagte der ranghohe Beamte. Persönliche Treffen seien durch nichts zu ersetzen. Und die Vereinigten Staaten hätten viel Erfahrung damit, mit Konkurrenten zu sprechen und auch zusammenzuarbeiten, wenn US-Interessen dies erforderten. «Intensiver Wettbewerb erfordert intensive Diplomatie, wenn wir mit Spannungen fertig werden wollen.»
Die Beziehungen zwischen den USA und China sind wegen einer ganzen Liste von Streitpunkten stark angespannt. Für Auseinandersetzungen sorgen unter anderem Chinas Rückendeckung für Russlands Krieg in der Ukraine, Drohungen aus Peking gegen Taiwan und der anhaltende Handelskonflikt beider Länder. Die Regierung von Präsident Joe Biden sieht China als grösste geopolitische Herausforderung und fährt einen harten Kurs gegenüber Peking.
Anfang Februar hatte ein Streit über mutmassliche Spähaktionen Chinas das Verhältnis weiter belastet. Das US-Militär hatte einen mutmasslichen chinesischen Spionageballon vor der amerikanischen Küste abgeschossen. Die USA warfen China vor, es habe damit Militäreinrichtungen ausspionieren wollen. Peking sprach dagegen von einem zivilen Forschungsballon, der vom Kurs abgekommen sei, und beschwerte sich, die Amerikaner hätten vollkommen überreagiert. Die USA legten nach und warfen China vor, ein grosses internationales Spionageprogramm zu betreiben, was Peking ebenfalls zurückwies.
Blinken hatte wegen der Spähaffäre einen unmittelbar bevorstehenden China-Besuch Anfang Februar kurzfristig abgeblasen. Blinken traf den obersten chinesischen Aussenpolitiker, Wang Yi, zwar später im Februar am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. Das Treffen sorgte allerdings nicht für echte Entspannung. Blinken betonte stets, er wolle nach China reisen, sobald die Umstände dafür gegeben seien. In den vergangenen Monaten gab es allerdings nur wenig Austausch zwischen beiden Seiten. Auf Gesprächsangebote aus Washington reagierte China über eine längere Strecke kühl.
Zuletzt gab es schliesslich etwas Bewegung. Im Mai fand nach längerer Funkstille wieder ein Treffen hochrangiger Vertreter beider Regierungen statt: Bidens Nationaler Sicherheitsberater, Jake Sullivan, traf in Wien Wang Yi. Von US-Seite hiess es danach, man sei bereit, die jüngste Spionageaffäre hinter sich zu lassen. Anfang Juni reiste dann ein hochrangiger Beamter aus dem US-Aussenministerium nach China. Dies wurde als Vorbereitung eines Blinken-Besuches gewertet.
Allerdings blieb auch die vorsichtige kommunikative Annäherung nicht ohne Komplikationen: Vor einigen Tagen löste ein Zwischenfall mit Militärflugzeugen beider Länder über dem Südchinesischen Meer neue Diskussionen aus. Die US-Regierung warf China ein aggressives Abfangmanöver vor. Kurz darauf meldeten die USA einen Vorfall zwischen zwei Schiffen in der Taiwanstrasse. Die US-Regierung betonte mehrfach, derartige Zwischenfälle könnten zu Missverständnissen und Fehleinschätzungen führen - es sei daher enorm wichtig, die Kommunikationskanäle zwischen Washington und Peking und auch zwischen den Militärs beider Staaten offen zu halten.
Kurz vor Blinkens Reiseankündigung wurden ausserdem neue Vorwürfe über Spähversuche Chinas gegen die USA publik. Blinken sagte vor wenigen Tagen, China nutze seit geraumer Zeit die den USA nahe gelegene Insel Kuba, um Geheimdienstinformationen zu sammeln. Er reagierte damit auf entsprechende Berichte des «Wall Street Journals».
In den vergangenen Tagen hatte es bereits unbestätigte Medienberichte über einen anstehenden Blinken-Trip nach China gebeben, die das Ministerium aber nicht kommentiert hatte. Kurz vor der offiziellen Ankündigung der Reise telefonierte Blinken am Mittwoch mit seinem chinesischen Kollegen Qin Gang. Der sprach danach laut chinesischen Staatsmedien davon, dass die Beziehungen beider Länder auf neue Schwierigkeiten gestossen seien. Er forderte die USA einmal mehr auf, sich nicht in Chinas innere Angelegenheiten einzumischen. (sda/dpa)