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Du willst nur das Beste? Voilà:
Die Frage klingt aktuell:
Tatsächlich ist sie 41 Jahre alt, entstammt aber ebenfalls einem Referendum: Auch 1975 stimmten die Briten über den Brexit ab. Der Begriff existierte damals noch nicht, ebenso wenig gab es eine «EU». Das Gebilde hiess damals noch «Europäische Gemeinschaft». Hierzulande werden sich ältere Semester (ja, zu denen gehören wir inzwischen) daran erinnern, wie Christoph Blocher gegen die «EG» wetterte.
Zwischen dem Brexit-Referendum 1975 und jenem in zwei Wochen gibt es viele Unterschiede und zugleich frappierende Ähnlichkeiten. Auch damals handelte es sich um das Wahlversprechen einer Partei, die intern in der Frage tief gespalten war, aber an der Urne eine Mehrheit und damit den Regierungsauftrag erhalten hatte. Bloss waren damals nicht die Konservativen die Euroskeptiker, sondern die Labourpartei.
Wie heute David Cameron hatte der damalige Premierminister Harold Wilson vor der Wahl versprochen, mit der EG bessere Bedingungen für Grossbritannien auszuhandeln und dann die Bevölkerung darüber abstimmen zu lassen. Sein konservativer Vorgänger Edward Heath hatte das Land erst 1972 in die EG geführt.
Weite Teile der Arbeiterpartei standen der EG kritisch gegenüber, da sie um den staatlichen Einfluss auf die heimische Wirtschaft fürchteten. Der linke Flügel, darunter der damals noch unbekannte Jeremy Corbyn, nannte sie einen «kapitalistischen Klub», der die britische Demokratie untergraben und Arbeitsplätze vernichten würde.
So tief waren die Gräben, dass Wilson sogar seinem Kabinett Stimmfreigabe erteilte. Zu den schärfsten Euroskeptikern gehörte Industrieminister Tony Benn. Ihm wurden Ambitionen auf das Amt des Premierministers nachgesagt – wie heute dem konservativen Brexit-Befürworter Boris Johnson.
Die Wirtschaft, die Presse und die konservative Opposition unter ihrer neuen Chefin Margaret Thatcher waren praktisch unisono für einen Verbleib. Die spätere Regierungschefin – und leidenschaftliche Europa-Kritikerin – machte sogar Abstimmungskampf mit einem Pullover aus den Flaggen der damaligen neun EG-Mitgliedsländer.
Die Frage, ob Grossbritannien zu Europa gehöre, müsse ein für alle Mal geklärt werden, sagte Thatcher und warb für ein Ja.
Es ging auch damals ums Geld und den Zugang zum gemeinsamen Markt. Grossbritannien hatte sein Empire verloren und damit auch den privilegierten Zugang zu zahlreichen Absatzmärkten. Nur die Anbindung an Europa könne das Land jetzt noch vor dem Abstieg in die totale Bedeutungslosigkeit retten, argumentierten die Befürworter.
Wie verkehrt die Rollen aus heutiger Sicht erscheinen, illustriert auch das Logo der konservativen Ja-Kampagne:
Und der Slogan:
Durch und durch pazifistische Argumente für den Verbleib in Europa. Nach zwei schrecklichen Weltkriegen könne nur ein vereintes Europa mit Grossbritannien als Mitglied den Frieden sichern, so die Konservativen.
Zuwanderung hingegen war damals überhaupt kein Thema. Wie auch: Die britische Wirtschaft war in einer katastrophalen Verfassung und die Vorstellung, dass Massen von Ausländern hier nach Arbeit suchen würde, ziemlich absurd. Wenn überhaupt, war Auswanderung ein Problem. Ebenso unvorstellbar war Mitte der 1970er-Jahre der Zusammenbruch des Ostblocks und der spätere Beitritt von Ländern wie Polen, Ungarn und der Tschecheslowakei.
Den Befürworten war es ein Leichtes, das Brexit-Lager als Gruppe von zusammengewürfelten Extremisten, darunter Kommunisten, nordirischen Ulster-Unionisten und schottischen Nationalisten (die heute den Brexit scharf ablehnen) darzustellen, denen die Zukunft des Landes keinesfalls anvertraut werden konnte. Am Schluss war es eine klare Sache: Zwei von drei stimmten für den Verbleib in der EG. Soviel scheint sicher: Am 23. Juni wird das Ergebnis knapper ausfallen.
Die Brexit-Abstimmung von 1975 war das erste Referendum auf dem gesamten Staatsgebiet des Vereinigten Königreichs, dessen Modalitäten erst in einem separaten Gesetz geregelt werden mussten. Heute wie damals ist die Regierung juristisch nicht an das Resultat gebunden. Für den eigentlichen Austritt aus der EU wäre nach wie vor ein Gesetz und damit eine Mehrheit im Parlament nötig. Das Verdikt der Bevölkerung zu ignorieren, wäre natürlich politischer Selbstmord, zumal in einem Land, das nur alle paar Jahrzehnte Referenden durchführt.