Der Atomdeal zwischen dem Iran und dem Westen ist beschlossene Sache, nach einer Dekade zäher Verhandlungen mit zaghaften Teilerfolgen und herben Rückschlägen. Noch vor wenigen Jahren weigerten sich die beiden Hauptakteure, der Iran und die USA, gar, am selben Tisch zu sitzen. Wie konnte dieses diplomatische Meisterwerk gelingen?
Immer wieder war in den vergangenen Monaten zu hören, die Parteien hätten noch äusserst knifflige technische Fragen zu lösen. Zugegeben, Urananreicherung, Zentrifugen und Isotope sind hochkomplizierte Dinge. Aber dafür haben beide Seiten genügend kompetente Spezialisten. Hinzu kommt, dass es gar nicht möglich ist, das iranische Atomprogramm lückenlos zu überwachen. Eine technisch abgestützte, 100-prozentige Gewissheit, dass Iran nie eine Atomwaffe entwickeln wird, gibt es nicht. Das weiss auch der Westen.
Technische Fragen waren denn auch nie das Kernproblem im Atomstreit. Die Krux war (und bleibt ein Stück weit) das fehlende Vetrauen. Dafür gibt es keine technische Lösung, sondern nur ein kalkuliertes politisches Risiko, das beiden Seiten eingehen müssen: Der Westen muss dem Iran glauben, dass er die Nukleartechnologie ausschliesslich zu zivilen Zwecken nutzt. Und der Iran muss dem Westen glauben, dass er die Sanktionen aufhebt. Ohne diesen gegenseitigen Vertrauensvorschuss gibt es kein Abkommen.
Wie wichtig der Faktor Vertrauen ist, zeigt ein Blick in die jüngere Vergangenheit: Als in den USA noch die Bush-Regierung und im Iran Mahmud Ahmadinedschad am Ruder waren, lag eine Einigung in weiter Ferne. Beide pflegten eine aggressive, arrogante Aussenpolitik – denkbar schlechte Voraussetzungen, um ein Vertrauensdefizit zu überbrücken. Seit sie durch moderatere Kräfte abgelöst wurden – Bush durch Obama und Ahmadinedschad durch Ruhani – geht es plötzlich vorwärts.
Angesichts des immensen Drucks, den US-Republikaner und Israel wegen des Abkommens auf Obama ausüben, geht manchmal vergessen, dass auch die iranische Führung ein Risiko eingeht: Sollte die Umsetzung des Abkommens scheitern und das Sanktionsregime bestehen bleiben, sind Ruhani und sein Aussenminister Sarif erledigt.
Dazu muss man sich die politische Heimat der iranischen Akteure vor Augen halten: Staatschef Chamenei, Präsident Ruhani und Aussenminister Sarif sind Kinder der Islamischen Revolution von 1979, deren Schlüsselereignis die Besetzung der US-Botschaft war. Die Feindschaft mit dem «grossen Satan» bestimmte das Handeln und das Denken dieser Generation iranischer Politiker.
Aussenminister Sarif und Akbar Salehi, der Chef der iranischen Atombehörde, wurden beide an US-Universitäten ausgebildet und mögen ein unverkrampfteres Verhältnis zu Amerika haben. Dasselbe lässt sich vom Obersten Führer, Ali Chamenei, nicht behaupten. Er hat im Iran in allen Belangen das letzte Wort, auch und gerade im Atomdeal. Dass er der Einigung mit dem Erzfeind zustimmen und somit ebenfalls ein politisches Risiko eingehen würde, war bis zuletzt ungewiss.
Der 14. Juli 2015 ist ein guter Tag für die internationale Diplomatie. Das Atomabkommen zeigt, dass auch Erzfeinde gemeinsame Interessen haben und alte Differenzen überwinden können.
Wenn nur der Mut der Top-Politiker und das Vertrauen ineinander gross genug sind.