Sag das doch deinen Freunden!
Die Debatte um Asylsuchende, die Frauen sexuell belästigen und bestehlen, wie es in der Silvesternacht in Köln passiert ist, hat sich von rechter Seite zu einem guten Teil zu einer Wertedebatte entwickelt.
Die eigentliche Meldung, dass eine grosse Gruppe von hauptsächlich marokkanischen, tunesischen und algerischen Taschendieben von Geilheit und Alkohol besoffen Frauen bestohlen und sexuell genötigt hat, ist in den Hintergrund getreten.
Die Straftaten waren nicht mehr An- und Übergriffe auf Frauen, sondern auf «unsere» Frauen und damit «unsere», also «christliche» Werte. Und rasch rutschte die Debatte auf die Metaebene, wo sich Politiker, Psychologen und Kriminologen über Fragen streiten wie:
Können muslimische Zuwanderer mit der Emanzipation der Frau umgehen? Sind sie überfordert, wenn sie auf Frauen treffen, die ohne männliche Begleitung unterwegs sind? Und: Können diese Leute ihre Wertesysteme überhaupt anpassen oder ist eine Integration in eine geschlechter-gleichberechtigtere Gesellschaft im Vornherein unmöglich?
Die Antworten auf diese Fragen sind in einer Untersuchung des deutschen Bundesamtes für Migration ausgiebig untersucht worden. Insbesondere das Verständnis von Rollen- und Geschlechterverhältnissen und deren jeweilig ideal-erwünschtes Sexleben sowohl bei Christen als auch Muslimen aus verschiedenen Regionen Europas, des Nahen Ostens, der Türkei, Nordafrikas und Südostasiens sind untersucht worden.
Aus acht Aussagen zu Geschlechterrollen und Sexualität von in Deutschland lebenden Angehörigen und praktizierenden Christen und Muslimen lassen sich acht teils mehr, teils weniger überraschende Fakten ablesen:
Der Aussage «Frauen sollten sich stärker um die Familie und den Haushalt kümmern» haben europäische Christen teilweise öfter voll zugestimmt als Muslime. So liegt die Zustimmungsrate zu diesem Satz bei polnischen und italienischen Christen höher als etwa bei iranischen, türkischen oder südasischen Secondo-Muslimen (etwa aus Indonesien).
Der Aussage «Frauen sollten auch ohne ihren Partner abends alleine mit ihren Freundinnen oder Freunden ausgehen können» haben die befragten Christen aus allen Regionen Europas eher voll zugestimmt als die befragten Muslime.
Der Aussage «Männer sollten genauso wie Frauen Verantwortung für die Hausarbeit übernehmen» stimmten mehr nordafrikanische Muslime (67,4 Prozent) voll zu als polnische Christen (65,4 Prozent).
Der Aussage «Frauen sollten stärker als jetzt in Führungspositionen vertreten sein» haben die befragten Türkinnen und Türken öfter voll zugestimmt als alle befragten Christen-Gruppen.
Der Aussage «Eine gute berufliche Ausbildung von Mädchen ist genauso wichtig wie die von Jungen» stimmten durchs Band fast alle Muslime und Christen aus allen untersuchten Weltregionen «eher» oder «voll und ganz» zu.
Der Aussage «Eltern sollten die Auswahl der Freunde und Freundinnen bei ihren Töchtern mehr mitbestimmen als bei ihren Söhnen» haben 16,8 Prozent der befragten Italiener zugestimmt. Etwa gleich viel wie bei den Türken (17 Prozent).
Den Aussagen «Der Mann/Die Frau sollte keinen Sex vor der Ehe haben» haben die Italiener öfter voll und ganz zugestimmt als die befragten Iraner. Die Ungleichbehandlung der Geschlechter in der Frage des vorehelichen Geschlechtsverkehrs zieht sich jedoch durch beide Religionen aus allen Weltgegenden. Bei Frauen wird durchs Band mehr Wert auf voreheliche Keuschheit gelegt als bei Männern.
Aus den Ergebnissen der Detailbefragung errechneten die Soziologen der Studie einen Liberalitätsgrad für die einzelnen befragten Gruppen. Dieser zeigt, dass von allen Stichproben-Gruppen nur die christlichen deutschen Frauen in Fragen der Geschlechterrollen liberaler eingestellt sind als die befragten muslimischen Iraner. Demgegenüber sind die Türken sehr traditionell eingestellt.
Der Unterschied in den Liberalitätsvorstellungen zwischen den iranischen und türkischen Muslimen in Deutschland liegt in den Bildungsunterschieden begründet. «Besonders hoch ist der Anteil der Hochgebildeten unter Muslimen aus dem Iran», belegt die Studie. Bei den Türken ist es umgekehrt. Muslime aus der Türkei, die in ihrem Herkunftsland die Schule besucht haben, «weisen im Vergleich mit Abstand das niedrigste Bildungsniveau auf.»
Und: «Ein Länder und Religionen übergreifender Befund empirischer Studien ist, dass gebildete Menschen toleranter sind und egalitärere Einstellungen beiden Geschlechtern gegenüber aufweisen.»