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Frachter in der Nordsee brennt noch immer – diese Szenarien sind möglich

Der Frachter in der Nordsee brennt noch immer – diese Szenarien sind nun möglich

Seit Dienstag brennt ein Autofrachter in der Nordsee. Die niederländische Küstenwache geht nun von drei möglichen Szenarien aus.
27.07.2023, 15:5327.07.2023, 15:53
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t-online

In der niederländischen Nordsee steht ein Frachter mit fast 4000 Autos an Bord in Flammen. Am Dienstag kurz vor Mitternacht meldete die Besatzung der «Fremantle Highway» der zuständigen niederländischen Küstenwache, dass an Bord ein Feuer ausgebrochen sei. Die gesamte Besatzung musste das Schiff verlassen, ein Mann kam bei der Evakuierung ums Leben.

Auch am Donnerstag ist die Situation weiter angespannt. Die Flammen wüten nach wie vor in dem Frachter, der über Nacht den Angaben der Küstenwache zufolge leicht nach Westen abgedriftet ist und sich nun etwa 16 Kilometer nördlich der Insel Terschelling befindet.

Autofrachter brennt vor niederländischer Küste

Vor der Wattenmeerinsel Ameland brennt der Frachter «Fremantle Highway» mit 3.783 Autos an Bord. Das Schiff war am Montag in Bremerhaven ausgelaufen.
Vor der Wattenmeerinsel Ameland brennt der Frachter «Fremantle Highway» mit 3.783 Autos an Bord. Das Schiff war am Montag in Bremerhaven ausgelaufen.grafik: t-online

Nicht nur Umweltschützer befürchten eine Katastrophe, sollte das Schiff sinken oder brechen. Wenn Öl und Autos ins Wasser geraten, könnte das die Küsten sowie das unter Schutz stehende Wattenmeer verseuchen. Es wäre auch eine Bedrohung für die deutschen Wattenmeerinseln. Als eine der ökologisch wertvollsten Regionen der Erde ist das Wattenmeer Unesco-Weltnaturerbe.

«Der einzigartige Nationalpark Wattenmeer ist ernsthaft in Gefahr», sagte die deutsche Umweltministerin Steffie Lemke (Grüne) am Donnerstag. Deutschland werde «alles zur Verfügung stellen, was helfen kann», so die Ministerin. Doch warum kann das Feuer nicht einfach gelöscht werden?

Küstenwache: «Das haben wir bewusst nicht gemacht»

Der Schiffssicherheitsexperte Lars Tober weist auf die besonderen Schwierigkeiten des Löschvorgangs hin. Der Brand sei so schwer zu löschen, weil man nicht von innen herankomme. «Das ist ja eine grosse Hülle, in der es innen brennt», sagte er am Donnerstag im «ZDF-Morgenmagazin». «Ich kann nur von aussen Wasser draufgeben, ich komme also nicht rein, ich habe keine Öffnung, wo ich irgendwo sinnvoll Löschmittel einsetzen kann», so Tober von der Gesellschaft für Sicherheitstechnik und Schiffssicherheit Ostsee.

epa10770010 The cargo ship Fremantle Highway is on fire in the North Sea north of Ameland, the Netherlands, 26 July 2023. A fire broke out overnight on 26 July on the Fremantle Highway, a freighter wi ...
Der brennende Frachter in der Nordsee.Bild: keystone

Auch Edwin Granneman von der niederländischen Küstenwache betonte: «Es gibt weder auf dem Schiff selbst noch vom Wasser aus Löschmöglichkeiten», sagte er dem öffentlich-rechtlichen Sender der Niederlande, NOS, am Mittwoch. Warum nicht einfach mit viel Wasser löschen? «Das haben wir bewusst nicht gemacht», so Granneman. «Sobald man das ganze Wasser in das Schiff spritzt, kann das Auswirkungen auf die Stabilität haben. Das Schiff kann dann kippen.»

Laut dem Sprecher der Küstenwache gebe es mittlerweile drei unterschiedliche Szenarien, wie es mit der «Fremantle Highway» weitergehen könnte: Das Schiff könnte sinken, abgeschleppt werden – oder man könnte es ausbrennen lassen.

Szenario 1: Frachter könnte sinken

Das 199 Meter lange Schiff könnte sinken. Auch wenn der Frachter vorerst stabil sei, stelle man sich auf diese Möglichkeit ein, so die Küstenwache. Der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste (SDN) zufolge könnte das etwa passieren, weil das Schiff durch die grosse Hitze instabil werde.

epa10768929 Emergency services bring a crew member of the Fremantle Highway cargo ship ashore in Lauwersoog, the Netherlands, 26 July 2023. A fire broke out overnight on 26 July on a freighter with 23 ...
Rettungskräfte bergen ein Crew-Mitglied.Bild: keystone

Auch Ministerin Lemke sagte am Donnerstagmorgen, es sei nicht völlig auszuschliessen, dass es zu einer Katastrophe kommen könnte. «Es ist gut, dass wir gerade vor Kurzem gemeinsam mit den niederländischen Behörden eine Katastrophenübung durchgeführt haben», sagte die Ministerin im Deutschlandfunk.

Szenario 2: Küstenwache könnte Frachter abschleppen

Eine andere Möglichkeit besteht der niederländischen Küstenwache zufolge darin, das Schiff abzuschleppen. Sollte das möglich sein, setzt das Schiff dann womöglich sogar auf einer Sandbank auf, könnte das ein Kentern vermeiden. Allerdings geht das nur unter einer Voraussetzung: Bevor der Frachter bewegt werden kann, muss zunächst die Temperatur an Bord sinken. «Um eine gute Schleppverbindung herzustellen, müssen tatsächlich Menschen an Bord des Schiffes sein», sagte Granneman NOS. «Ob das unter den aktuellen Umständen möglich ist, bleibt abzuwarten.»

Bislang können wegen der hohen Temperatur auf dem Schiff und der starken Rauchentwicklung keine Bergungskräfte an Bord. Deshalb kühlten die Einsatzkräfte am Mittwoch die Seiten des Schiffes, indem sie Meerwasser darauf spritzen – in der Hoffnung, dadurch die Temperatur senken zu können. Experten auf dem niederländischen Rettungsschlepper «Guardian», welcher sich unter anderem in der Nähe der «Fremantle Highway» aufhält, überwachen demnach die Temperatur.

Inzwischen haben die Rettungskräfte die Kühlung des brennenden Frachters allerdings vorerst gestoppt. Die Gefahr sei zu gross, dass zu viel Meerwasser ins Schiff gelange, teilte die Küstenwache mit. Dadurch könne der Frachter «Fremantle Highway» instabil werden. An den Kühlarbeiten war auch ein deutsches Löschboot beteiligt.

Szenario 3: Schiff ausbrennen lassen

Die dritte Möglichkeit laut Granneman: das Schiff vollständig ausbrennen lassen und es dann bergen. Doch das könnte Wochen dauern.

Der Krisenstab der Küstenwache und mehrere Bergungsunternehmen treffen sich Medienberichten zufolge am Donnerstag, um die verschiedenen Szenarien zu besprechen. Die Experten an Bord des Notschleppers «Guardian» sammeln der niederländischen Küstenwache zufolge Informationen, um einen Bergungsplan auszuarbeiten.

In den vergangenen Jahren gab es mehrfach Brände an Bord von Autofrachtern. Im Februar 2022 hatte ein mit Luxuswagen des Volkswagen-Konzerns beladenes Schiff vor den Azoren Feuer gefangen. Nach rund zwei Wochen war die «Felicity Ace» mit rund 4'000 Autos an Bord bei einem Abschleppversuch im Atlantik gesunken.

Quellen

  • kustwacht.nl: "Liveblog: Grote brand aan boord schip op de Noordzee" (niederländisch)
  • nos.nl: "Kustwacht: kan weken duren voor Fremantle Highway is uitgebrand" (niederländisch)
  • nos.nl: "Bijna 1000 auto's meer aan boord brandend vrachtschip, ligging stabiel" (niederländisch)
  • wiwo.de: "Warum die Löscharbeiten auf See so schwierig sind"
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters

(t-online)

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33 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Dave1974
27.07.2023 17:02registriert April 2020
Für die Leute vor Ort bleibt also erst mal nur Szenario 3.
Für den Rest bleibt Prinzip Hoffnung.

Eigentlich unglaublich, dass manche Schiffe heute nicht für solche Fälle gerüstet sind. Der Kahn ist erst 10-jährig. Wenigstens ansatzweise erwartet man da doch etwas wie eine eingebaute Löschanlage.
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farbar
27.07.2023 17:13registriert April 2015
Würde mich interessieren, welches Brandschutzkonzept ein Schiff dieser Art hat. Immerhin scheint es ja nicht das erste mal zu sein, dass diese Art Schiff in Brand gerät.
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ChriLu14
27.07.2023 18:28registriert Mai 2022
Eigentlich könnte man ja annehmen, dass Transporter mit gefährlicher Fracht Bereiche voneinander abschoten können..
Aber mich hat natürlich wieder mal keiner gefragt, wie man so etwas macht .. ;-)
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