Seymour M. Hersh, der bekannteste Enthüllungsjournalist der USA, hat wieder zugeschlagen: In einem «The Killing of Osama bin Laden» wirft er der US-Regierung unter Barack Obama vor, die Welt über die Tötungsaktion Osama bin Ladens belogen zu haben. Dabei stützt er sich auf eine Quelle innerhalb des pakistanischen Geheimdienstes.
18-seitigen Bericht mit dem TitelZweifel an der offiziellen Version, wonach Bin Laden jahrelang unerkannt inmitten des pakistanischen Militärs gelebt haben soll, gibt es schon lange. Hersh stellt nun praktisch alle Erkenntnisse über die Ereignisse am 2. Mai 2011 in Abbottabad infrage: Pakistan habe den Aufenthaltsort Bin Ladens gekannt, sei über die Tötungsaktion im Bild gewesen und habe sogar bei der Durchführung geholfen. Deshalb seien die Seals auf keinerlei Gegenwehr gestossen und hätten faktisch einen wehrlosen Krüppel exekutiert.
In den folgenden drei zentralen Punkten unterscheidet sich Hershs Version der Ereignisse radikal von jener der US-Regierung:
Bislang wurde angenommen, dass CIA-Analysten in jahrelanger Fleissarbeit auf Bin Ladens Kurier Abu Ahmed al-Kuwaiti gestossen seien. Dieser soll sie schliesslich zu dem Anwesen in der pakistanischen Garnisonsstadt Abbottabad geführt haben, wo sich der Al-Kaida-Chef mit seiner Familie versteckt hielt. Laut Seymour Hershs Quelle war es viel banaler: Ein ehemaliges hochrangiges Mitglied des pakistanischen Geheimdiensts begab sich im August 2010 in die US-Botschaft in Islamabad und bot der CIA an, ihr Bin Ladens Aufenthaltsort zu verraten. Dafür wollte er die 25-Millionen-Dollar-Belohnung, welche die USA nach 9/11 auf dessen Kopf ausgesetzt hatten.
Pakistan soll Bin Laden bereits 2006 im Hindukusch-Gebirge in Afghanistan gefasst haben – ebenfalls auf relativ banale Weise: Ein lokaler Stammesführer hatte ihn für Geld verraten. Der pakistanische Geheimdienst ISI brachte ihn nach Abbottabad und behielt den Terrorchef als Faustpfand im Kampf gegen Al-Kaida und die Taliban dort unter Hausarrest. Nachdem der Informant das Geheimnis an die CIA verraten hatte, brachte diese die pakistanischen Kollegen mit Erpressung dazu, die Information zu bestätigen und in der Tötungsmission zu kooperieren: Die Enthüllung, dass Pakistan den meistgesuchten Mann der Welt seit Jahren versteckt hielt, hätte in dem notorisch instabilen Land Chaos ausgelöst.
Der ultimative Beweis, dass es sich wirklich um Bin Laden handelt, sollte per DNA-Analyse erbracht werden. Hierzu beauftragte der pakistanische Geheimdienst einen Armeearzt, der den gebrechlichen Terrorchef seit 2006 behandelte, diesem Blut zu entnehmen. Die Probe zeigte klar, dass es sich um Bin Laden handelte. Die später verbreitete Geschichte mit dem Impfprogramm war erfunden und sollte die Rolle des Armeearzts verschleiern.
Über die genauen Umstände der Tötungsmission am 2. Mai 2011 herrscht ein gewisses Mass an Verwirrung, weil beteiligte Spezialeinheiten und US-Regierungsvertreter zum Teil widersprüchliche Angaben machten. Laut Hershs Quelle stiessen die Navy Seals auf keinerlei Gegenwehr, weil der pakistanische Geheimdienst zuvor alle Wachen abgezogen hatte. Zudem sei die Flugabwehr instruiert worden, auf keine Eindringlinge aus Afghanistan zu reagieren. Folglich hätten die Seals den invaliden Bin Laden ohne jegliche Gegenwehr erschossen.
Die Geschichte mit dem Feuergefecht sei aus zwei Gründen erfunden worden: Kein Seal würde je zugeben, dass die Aktion völlig ungefährlich und überhaupt nicht heroisch war. Und wichtiger: Dass ein Mann wie Bin Laden unbewacht war, hätte sofort unangenehme Fragen aufgeworfen, ob der pakistanische Geheimdienst am Ende doch eingeweiht war.
Ursprünglich hatten die USA und Pakistan laut Hershs Quelle ausgemacht, die Tötung Bin Ladens für eine Woche geheim zu halten und danach zu erklären, er sei bei einem Drohnenangriff ums Leben gekommen und später per DNA-Analyse identifiziert worden. Doch habe US-Präsident Obama, der sich 2011 bereits im Wiederwahlkampf befand, der Versuchung nicht widerstehen können. Er trat wenige Stunden später vor die Kameras und erklärte, die Seals hätten Bin Laden erschossen und die Leiche sichergestellt. Das war problematisch, denn alle wollten jetzt die Leiche sehen. Die Geschichte mit der Seebestattung sei erfunden. Von Bin Laden sei nicht viel übrig geblieben, das man hätte beerdigen können. Fotos der Leiche und der Beerdigung befinden sich unter Verschluss.