Bereits seit einem Jahr erleben die Kinder im Sudan Unsicherheit, Trauma und Gewalt. Schon vor dem Ausbruch des Krieges war die Lage für sie düster: Der Sudan hat weltweit eine der höchsten Raten von Mangelernährung unter Kindern.
Mit dem Krieg rutschte das Leben der Kinder noch tiefer in die Krise. Wie sie Familien unter anderem mit dem Handy unterstützen können, erklärt Martin Kraft von UNICEF Schweiz und Lichtenstein.
Die Probleme im Sudan sind vielseitig: Die Kinder leiden Hunger, sind aber ebenso durch Krankheiten bedroht. Seit dem Ausbruch des Krieges sei die Immunisierungsrate rapide gefallen, schreibt UNICEF auf seiner Website. Eines von sechs Kindern sei komplett ungeschützt. Insgesamt 14 Millionen Menschen – fast die Hälfte der Population – brauchten dringend Zugang zu Wasser, Lebensmittel, medizinischer Hilfe und sanitären Einrichtungen.
8,5 Millionen Menschen sind vor dem Konflikt zwischen der sudanesischen Armee und der Milizen der «Rapid Support Forces» auf der Flucht. Zum Vergleich: Die Schweiz zählt aktuell etwas mehr als 8,7 Millionen Einwohner.
Die humanitäre Situation ist eine Katastrophe, wie Hilfsorganisationen schon seit Monaten warnen. Viele Gebiete unter Kontrolle der RSF sind von jeglicher Hilfe komplett abgeschottet.
Das schränkt auch die Einsatzgebiete von UNICEF ein, wie Martin Kraft erklärt. Das Kinderhilfswerk sei hauptsächlich im Norden des Landes sowie in angrenzenden Staatsgebieten wie dem Tschad, dem Südsudan oder Ägypten tätig. Grund dafür sind die vielen Blockaden, welche die RSF in den von ihnen kontrollierten Gebieten errichtet hat. So ist etwa die Hauptstadt des Landes, Khartum, schon seit Längerem von grösseren Hilfslieferungen abgeschnitten. Wie Kraft ausführt, hätte auch schon UNICEF Mitarbeitende aus der Hauptstadt abziehen müssen. Dennoch sei erst kürzlich wieder ein Team vor Ort gewesen.
Er verweist dabei auf die Tatsache, dass UNICEF nicht nur mit internationalen Teams, sondern auch sehr eng mit nationalen Partnern und nicht-staatlichen Organisationen zusammenarbeite. Dass UNICEF im Sudan schon seit Langem eine Präsenz habe, komme ihnen jetzt zugute, erklärt Kraft. Indem sie bereits vor dem Konflikt gut aufgestellt gewesen seien, hätten sie mit grösserer Flexibilität auf die Kampfhandlungen reagieren können.
Die bereits etablierte Zusammenarbeit mit Provinzspitälern und Gemeinden könne auch jetzt noch fortgesetzt werden – etwa mittels Beratung oder finanzieller Unterstützung. Das ist nicht zuletzt neueren Technologien zu verdanken:
UNICEF arbeite zunehmend mit sogenanntem «cash transfer», also mit dem Überweisen von Geld. Ein relativ neuer Ansatz, der zunächst problematisch klingen mag, aber viele Vorteile beinhaltet, wie Kraft ausführt:
So könnte es beispielsweise vorkommen, dass Bauern ihre Nahrungsmittel zurückhielten, weil sie darauf hofften, dass das World Food Program (WFP, eine Partnerorganisation von UNICEF) es ihnen abkaufe. Das Senden von Geld greife weniger in die lokalen Märkte ein und sei für die Bevölkerung unter Umständen nützlicher:
Voraussetzung für das Senden von Geld sei natürlich die Anwesenheit von Lebensmitteln, räumt Kraft ein. Aus diesem Grund müsse immer situativ zwischen den beiden Ansätzen ausgewählt werden. Ein Entscheid, der jeweils auch von der Lage und vom Klima abhänge. Was für beide Ansätze im selben Masse gelte, sei eine genaue Überwachung, um Korruption zu verhindern.
Wo möglich, werden Hunger und Mangelernährung auch medizinisch betreut. So sind Teams von UNICEF auch in Flüchtlingslagern vor Ort, wo sie Kinder regelmässig untersuchen und sie auf dem Weg zur Besserung begleiten.
Die Kinder benötigen die Hilfe dringender denn je, wie eine Prognose von UNICEF zeigt:
Ein weiterer Schwerpunkt liege in der Bekämpfung von Krankheiten, erklärt Kraft. Das sei insbesondere für Menschen auf der Flucht von zentraler Bedeutung, da die Hygiene dort viel schlechter sei. Kinder werden krank von schmutzigem Wasser, die Durchfallerkrankungen schiessen in die Höhe. Kraft betont:
Zudem begünstigt schlechte Hygiene die Verbreitung von hochansteckenden Krankheiten wie Cholera, Masern und Polio. Eine Aufrechterhaltung von staatlichen Impfkampagnen ist deshalb besonders wichtig. Gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Gavi (Globale Allianz für Impfstoffe) unterstützt UNICEF eine vom sudanesischen Gesundheitsministerium lancierte Impfkampagne.
Auch viele Freiwillige schliessen sich der Impfkampagne an. So etwa Wijdan Mahmoud:
Die Impfkampagnen würden sehr weit gestreut, führt Kraft weiter aus. Dazu müssten Freiwillige auch mal mit einer Kühlbox in den öffentlichen Bus sitzen, um Impfstoff zu einer Station zu bringen, wo dieser verimpft wird. Auch hier erfolge die Bezahlung oftmals direkt am Abend per «cash transfer» übers Handy.
Trotz des noch wütenden Krieges konnten dieses Jahr 5,7 Millionen Kinder gegen Masern und Röteln geimpft werden.
Zentral für das Eindämmen von Krankheiten ist auch der Zugang zu sanitären Einrichtungen. Dazu ist UNICEF auch im Sudan und angrenzenden Staaten mit der WASH-Kampagne vor Ort (Water, Sanitation and Hygiene). Damit sorgen sie unter anderem dafür, dass die Menschen sauberes Trinkwasser haben.
Im Sudan leistet UNICEF derzeit hauptsächlich Notfallhilfe. Es geht also in erster Linie darum, das Überleben der besonders gefährdeten Kinder zu sichern. Doch auf das Überleben folgt das Leben und dieses birgt für Kinder aus Kriegsgebieten eine Reihe weiterer Herausforderungen.
Frauen, aber auch Kinder, seien in Kriegsgebieten weltweit sexualisierter Gewalt ausgesetzt. Dies hinterlässt auch seelische Spuren, erklärt Kraft:
Psychosoziale Betreuung sei deshalb ein wichtiger Aspekt humanitärer Hilfe. UNICEF unterstützt Partnerorganisationen im Aufbau von sogenannten «Safe Spaces» (sicheren Räumen), wie etwa an einem Sammelpunkt in Kosti, im Bundesstaat Weisser Nil. Jeden Tag treffen sich dort Hunderte von Kindern, wo sie an verschiedenen altersgerechten Aktivitäten teilnehmen können. Im Fokus stehe das Kindsein, sagt Kraft. Denn:
Die Kinder können Sport treiben, spielen, sich kreativ ausleben, aber auch lernen, wenn sie das möchten. Ziel soll es sein, die Kinder dabei zu unterstützen, die schwierigen Dinge, die sie erlebt haben, hinter sich zu lassen.
Ein Ende des Krieges ist noch nicht in Sicht, bisherige Friedensverhandlungen mit den Konfliktparteien sind gescheitert. Die Arbeit von UNICEF und anderen Hilfswerken und Organisationen bleibt wichtiger denn je.