Regelmässig verbreiten Rechtspopulisten und Rechtsextreme gefälschte Zitate von Politikern, um ihnen Aussagen in den Mund zu legen. In Deutschland hat nun ein Gericht einen Schweizer Rechtsextremisten verurteilt, der 2016 ein Fake-Zitat von der deutschen Grünen-Politikerin Renate Künast auf Facebook veröffentlicht hatte. Das teilte die Bundestagsabgeordnete am Dienstag gegenüber watson.de mit.
In dem Post wird Künast mit den Worten zitiert: «Der traumatisierte Junge Flüchtling hat zwar getötet, man muss ihm jetzt aber trotzdem helfen». Angeblich hätte die Politikerin das über Hussein K. gesagt, der im Oktober 2016 eine 19-jährige Studentin in Freiburg (D) vergewaltigt und ermordet hatte. Wohl um dem vermeintlichen Zitat mehr Glaubwürdigkeit zu verschaffen, wurde es mit der Quellenangabe «Süddeutsche Zeitung» überschrieben. Nichts davon hatte Künast gesagt. Weder in der «Süddeutschen», noch anderswo.
"Verified" Facebook-Account von helvetischem Rechtsextremen verbreitet Lügen ü @RenateKuenast. Trotz Mehrfach-Meldung unternimmt FB nichts. pic.twitter.com/GrBGgBYYv9
— jensbest (@jensbest) 6. Dezember 2016
Gepostet hatte das der Schweizer Rechtsextremist Ignaz Bearth auf seiner mittlerweile gelöschten Facebookseite. Sein Post wurde tausendfach geteilt. Künast wies auf ihrer eigenen Seite damals darauf hin, dass das Zitat frei erfunden sei und erstatte Strafanzeige.
Das juristische Prozedere nahm seinen Lauf, das Gericht erliess zunächst einen Strafbefehl, also eine Geldstrafe ohne vorherige Verhandlung. Bearth weigerte sich, zu zahlen. Mehr als zwei Jahre nach Veröffentlichung des Fake-Zitates landete der Fall deshalb vor dem Berliner Amtsgericht Tiergarten.
Am Dienstag folgte nun das Urteil: 90 Tagessätze zu je 30 Euro. So hatte es auch die Staatsanwaltschaft gefordert. Bearth hat sich mit seinem Post damit der «Üblen Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens» schuldig gemacht.
Mit derartigen Fakes wird Grünen-Politikerin Künast regelmässig konfrontiert. «Gefälschte Zitate als Teil von organisierten Desinformationskampagnen sehe ich häufig», schreibt sie auf watson-Anfrage. Allerdings würden die inzwischen auch vermehrt in geschlossenen Gruppen und in privaten Messenger-Chats geteilt. Das bekomme sie nur mit, wenn Menschen sie darauf aufmerksam machten. «Manchmal», so Künast, «teilt mir auch eine Staatsanwaltschaft strafrechtlich relevante Ermittlungsergebnisse mit und fragt, ob ich Strafantrag stellen möchte.»
2016 hat die Politikerin angefangen, «Hassreden und üble Nachrede» konsequent anzuzeigen, erklärt sie. Der Fall, in dem jetzt das Urteil gesprochen wurde, sei jedoch einer der ersten gewesen, in dem es um «Fake News» geht. Davor habe es sich vor allem um Hassrede gehandelt. Künast' Fazit: Das konsequente Anzeigen führt zu juristischen Erfolgen, «auch wenn die Verfahren teilweise sehr langwierig sind.»
«Es ist wichtig, rote Linien zu ziehen und öffentlich zu machen, dass üble Nachrede und Beleidigung Straftatbestände sind», schreibt sie.
Einer der früheren juristischen Erfolge Künasts war eine Unterlassungserklärung, die die ehemalige CDU-Politikerin Erika Steinbach im November 2018 abgegeben hat. Damit verpflichtete sich Steinbach, die heute Vorsitzende der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung ist, ein gefälschtes Zitat nicht weiter zu verbreiten. Wie tagesschau.de berichtete, war Claudia Roth schon 2017 wegen der Verbreitung eines gefälschten Zitats gegen Steinbach vorgegangen.
Der Post von Ignaz Bearth blieb 2016 tagelang auf Facebook stehen, trotz Beschwerden sowohl von Künast, als auch der «Süddeutschen Zeitung». An Plattformen wie Facebook, Twitter und Youtube gerichtet, fragt Renate Künast deshalb: «Auf welcher Seite steht ihr? Eine freiheitliche Gesellschaft kann durch diese zersetzenden Techniken wie Hate Speech und Fake News bedroht werden.»
«Reisserische Fake News generieren viele Clicks», so Künast. Den Plattformen wirft sie vor, dass genau das in deren Sinne sei. Die im Internet werbende Wirtschaft fordert Künast dazu auf, auf Geschäftsmodelle zu verzichten, «die auf Fake news beruhen.» «Da kann und muss eine zeitnahe Selbstverpflichtung der Branche ein erster Schritt sein.»
Von der Politik fordert die Grünen-Politikerin verschärfte Regelungen für Plattformen wie Facebook. Dazu gehöre etwa eine verbesserte Kontrolle der Werbung, die dort platziert wird – besonders der politischen Werbung. Ausserdem fordert sie die «Einführung von Indikatoren für die Vertrauenswürdigkeit von Informationsquellen».
Hinweis: In einer vorherigen Version dieses Artikels war das Alter der in Freiburg ermordeten Frau falsch angegeben. Wir haben dies berichtigt und bitten, den Fehler zu entschuldigen.