Das TV-Duell in dieser Woche, der vielleicht letzte Höhepunkt im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf, hat es einmal mehr gezeigt. J.D. Vance, 40 Jahre alt, ist ein geschmeidiger Mann. Überzeugend spielte der Republikaner, die Nummer zwei von Donald Trump, vor mehr als 43 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern die Rolle des konzilianten Politikers.
Vance gab den (vergleichsweise) jungen Mann, der viele Ideen hat, sich aber auch bewusst ist, dass er diese alleine nicht umsetzen kann. Also verteilte er dem politischen Gegner Komplimente und zeigte sich mitfühlend. Vance, in seiner kurzen politischen Karriere ein rechter Hardliner, gab sich gar selbstkritisch.
Unerwähnt blieb dabei, dass die meisten Ideen, die dieser gewiefte Redner verbreitete, alles andere als vernünftig sind. So fordert Vance die Ausschaffung aller Sans-Papiers im Land – angeblich gegen 25 Millionen Menschen. Dazu will er nötigenfalls das Militär einsetzen. Diese beispiellose Aktion, die Schockwellen durch das ganze Land werfen würde, verkauft der Republikaner als Mittel, um Wohnraum wieder bezahlbar zu machen. Vance sagt: Menschen, die sich ohne gültige Reisepapiere im Land aufhielten, seien hauptverantwortlich für die Explosion der Mieten und Hauspreise in den USA.
Diese These ist unter Experten höchst umstritten. Und eigentlich ist es den Streitkräften verboten, im Landesinneren tätig zu werden. Weil Vance aber im Gegensatz zu Trump darauf verzichtet, seine Positionsbezüge mit einer Lawine von Übertreibungen und Beleidigungen vorzubringen, klingt er wie ein ganz normaler Politiker.
Das ist das Erfolgsrezept von Vance. Er kann radikale Vorstellungen gut verkaufen. Dank dieser Fähigkeit gewinnt er nicht nur TV-Debatten gegen den politischen Gegner. Auch liefert Vance seinen Parteifreunden eine Gebrauchsanweisung, wie sie unbeliebte, umstrittene Programmpunkte einem skeptischen Publikum besser verkaufen können.
Und das macht ihn gefährlich. Aktuell steht der Senator aus Ohio noch im Schatten des 78 Jahre alten Trump. Aber früher oder später – zum Beispiel nach einer Niederlage der Republikaner in weniger als fünf Wochen – wird es auch an der Spitze der Rechtspartei zu einem Stabswechsel kommen.
Vance steht bereit. Vielleicht nicht als Aushängeschild einer Bewegung, die an der Spitze eine charismatische Führungsfigur sehen will. Aber als einflussreiche Figur der modernen Republikanischen Partei. (aargauerzeitung.ch)