Die Überraschung ist Tim Scott gelungen. Am Sonntagabend gab der republikanische Präsidentschaftskandidat – ohne Vorwarnung – in einem Live-Interview auf dem Fernsehsender Fox News Channel das Ende seiner Kampagne bekannt. Die Wählerinnen und Wähler hätten ihm ziemlich deutlich gesagt: «Nicht jetzt, Tim», sagte Scott.
Dies bedeute nicht das Ende seiner politischen Ambitionen, aber er habe zur Kenntnis nehmen müssen, dass der Zeitpunkt falsch sei. Er weigerte sich vorerst, einen Wahlaufruf zugunsten eines republikanischen Konkurrenten abzugeben. Auch betonte er, dass er kein Interesse an einer Kandidatur für das Vizepräsidium habe.
Der 58 Jahre alte Tim Scott vertritt den Südstaat South Carolina seit 2013 im Senat in Washington. Er gilt als einer der beliebtesten Mitglieder der kleinen Kammer des Kongresses, aufgrund seines sonnigen Gemütes und auch, weil er eine höchst beeindruckende Biografie besitzt. Im Präsidentschaftswahlkampf gelang es dem Afroamerikaner aber nie, sich über längere Zeit gewinnbringend in Szene zu setzen. In den bisher drei TV-Debatten wirkte er unauffällig, wie ein charismatischer Wanderprediger, der stets den passenden Bibelvers zitieren kann.
Dazu passt, dass Scott vor allem dann das Interesse der Medien weckte, wenn die Rede auf sein Privatleben kam und die Tatsache, dass er unverheiratet ist. Am Mittwoch, am Ende der TV-Debatte, posierte er über kurze Zeit mit einer blonden Frau auf der Bühne, die er anscheinend als seine Freundin Mindy vorstellte. «Wir lieben beide Gott, und wir haben einen gesunden Respekt füreinander», sagte Scott auf dem Fernsehsender ABC. Er sei aber der Meinung, dass sich die Amerikanerinnen und Amerikaner mehr für ihre eigenen Familien interessiere. Worauf die Moderatorin zurückgab: «Ich weiss nicht...»
Und dennoch gab es keine Anzeichen dafür, dass Scott bereits vor Beginn der Vorwahlen in zwei Monaten das Handtuch werfen könnte. Der Vorwahl-Zirkus beginnt in Iowa, und dort besass Scott – eben auch dank seiner Religiosität, aus der er nie ein Geheimnis machte – eine recht grosse Anhängerschaft. Zuletzt rangierte er in einer Umfrage der Trafalgar Group hinter Donald Trump (44 Prozent), Ron DeSantis (18 Prozent) und Nikki Haley (15 Prozent) auf dem vierten Rang, mit 9 Prozent.
Nach seinem Rückzug befinden sich nun noch drei ernsthafte Präsidentschaftskandidaten im Rennen. Hinzu kommen noch zwei Anwärter – der Unternehmer Vivek Ramaswamy und der Ex-Gouverneur Chris Christie – die Aussenseiterchancen besitzen. Je schneller sich das Feld lichtet, desto grösser die Chancen, dass die Republikaner den Umfragen-Spitzenreiter Trump noch stoppen können. (aargauerzeitung.ch)