Was für ein Gefecht: Ein US-Richter, tausende Kilometer von der Hauptstadt Washington entfernt, setzt mit einer Entscheidung Donald Trumps Einreisestopp matt – vorübergehend. Im Weissen Haus schäumen sie vor Wut. Der Präsident wird nicht aufgeben.
Ein eher unscheinbarer Typ hat US-Präsident Donald Trump die vielleicht grösste Niederlage seiner noch kurzen Amtszeit eingebrockt. Bob Ferguson, 51 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder, Hobbybergsteiger, heimatverbunden.
Ferguson ist Generalstaatsanwalt im Bundesstaat Washington – und am Freitag mit einem Schlag zum Star geworden. Mit seiner zunächst einmal erfolgreichen Klage vor einem Bundesgericht in Seattle hat er Trumps weltweit umstrittenen Einreisebann und Aufnahmestopp für Flüchtlinge per juristischem Federstrich zumindest vorübergehend ausser Kraft gesetzt.
«Die Verfassung hat obsiegt», sagt Ferguson am Freitag. Die USA seien ein Land der Gesetze. Er sagt das in Seattle, mehr als 5200 Kilometer oder 46 Autostunden entfernt von Palm Beach, wo Donald Trump in seinem Golf Club eigentlich ein erholsames Wochenende verbringen und in Ruhe das Endspiel um den Super-Bowl der US-Football-Profiliga, eine Art Heiligtum der Amerikaner, geniessen wollte.
Aus der Ruhe wird eher nichts. Sein Sprecher Sean Spicer faucht bereits in der Nacht, das Urteil sei «empörend». Es werde so schnell wie möglich Widerspruch eingelegt.
Exakt elf Minuten später folgt eine zweite Stellungnahme, in der das Wort «empörend» fehlt – ansonsten keine Änderungen. Es war wohl die Einsicht gereift, dass sich in einer Demokratie die Exekutive mit Kritik an der Judikative ein wenig zurückhalten sollte – auch im eigenen Interesse.
Viel weiter als Trump und Ferguson kann man in den USA nicht auseinanderliegen – weder räumlich noch inhaltlich. Trump, der Polit-Rambo, hat in seinen ersten beiden Amtswochen praktisch täglich Präsidialdekrete aus dem Boden gestampft und Politik mit der Brechstange gemacht. Ohne Beteiligung des Parlaments, ohne auch nur die zuständigen Ministerien adäquat besetzt zu haben.
Seinen Einreisestopp boxte er ohne funktionierendes Aussenministerium durch, ohne einen Generalbundesanwalt im Amt zu haben und mit einem Minister für Innere Sicherheit, der erst wenige Amtstage hinter sich hatte. Die amtierende General-Bundesanwältin Sally Yates hielt den Einreisestopp, so wie er gestrickt war, für verfassungswidrig – und sagte das auch. Trump entliess sie umgehend.
Der Oppositionsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, war am Freitag einer der ersten Politiker, der reagierte: «Diese Gerichtsentscheidung ist ein Sieg für die Verfassung», sagte er. «Präsident Trump sollte dieser Entscheidung folgen, einen Schritt zurücktreten und sein Dekret zurücknehmen.»
Dass Trump dies tun wird, dürfte Schumer jedoch selbst nicht glauben. Der Rechtsstreit in Seattle ist nicht der einzige, der in den Vereinigten Staaten anhängig ist. Gefällt ist bereits eine Entscheidung in Massachusetts, die gegenteilig ausgefallen ist.
Gerichte in Virginia, Kalifornien, Hawaii und weiteren Staaten dürften sich ebenfalls bald mit der Sache befassen. Den USA droht ein juristisches Durcheinander, manche sprechen schon von einer heraufziehenden Verfassungskrise.
Die Entscheidung aus Seattle könnte der Anfang einer beispiellosen Juristen-Schlacht sein. Das Weisse Haus hat Gelegenheit, Widerspruch bei einem Berufungsgericht einzulegen. Wie auch immer dieses entscheidet: Es gilt schon jetzt als praktisch sicher, dass die Angelegenheit weiter zum Supreme Court gehen wird, dem Verfassungsgerichtshof in der Hauptstadt Washington.
Und dann wird es richtig spannend. Die Entscheidungen des Supreme Courts sind politisch höchst brisant weil folgenreich, entsprechend erbittert ringen die Parteien um seine Besetzung. Seit dem Tod des erzkonservativen Richters Antonin Scalia im Februar vergangenen Jahres ist ein Posten in dem eigentlich neunköpfigen Gremium unbesetzt.
Trump hat dafür kürzlich den Konservativen Neil Gorsuch vorgeschlagen. Die Demokraten versuchen, die Nachbesetzung so lange wie möglich zu verhindern. Sollte der Fall Seattle vom Supreme Court behandelt werden, noch ehe Gorsuch im Amt ist, droht ein Patt zwischen den je vier liberal und konservativ gesinnten Verfassungsrichtern – dann bliebe die Entscheidung der Vorinstanz in Kraft.
Nach der Aufhebung des Einreisestopps für Menschen aus dem Iran darf ein Kleinkind nun doch für eine lebenswichtige Operation in die USA einreisen. Die vier Monate alte Fatemeh Reshad und ihre Familie hätten Reisedokumente erhalten, teilte der Gouverneur von New York, Andrew Cuomo, am Freitag (Ortszeit) mit.
Renommierte Herzspezialisten des New Yorker Krankenhauses Mount Sinai würden das Mädchen kostenlos operieren, andere Sponsoren kämen für die Reise- und Übernachtungskosten auf. Zuvor war der iranischen Familie, die Verwandte im US-Bundesstaat Oregon hat, die Einreise verweigert worden.
«Bizarrerweise würde das Einreiseverbot dieses Kind davon abhalten, medizinische Versorgung zu erhalten, und er bedroht sein Leben», hiess es in der Mitteilung weiter. «Das widerspricht allem, an das wir als Amerikaner und als Mitglieder der Menschheit glauben, auf abstossende Weise.»
Die Verunsicherung von Flüchtlingen in aller Welt und der Menschen in den sieben Ländern Iran, Irak, Somalia, Sudan, Libyen, Syrien und Jemen – für sie gilt das vorläufige Einreiseverbot – wird durch die juristische und politische Schlacht in den USA nicht geringer.
Die ersten Fluggesellschaften nahmen noch in der Nacht ihre Warnhinweise an Kunden auf ihren Internetseiten zurück, darunter American Airlines. Derzeit seien auf den Swiss-Flügen in die USA wieder alle Passagiere mit gültigen Reisedokumenten flugberechtigt, teilte die Schweizer Fluggesellschaft am Samstagmorgen mit. (sda/dpa)
Ist Trump jetzt schon ausgelaugt von all dem Unterschreiben und Improvisieren? Der wird bald zusammenbrechen, zu alt, zu ausgelaugt.