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Wegen Putin: Raketenschutzsystem aus Israel für Deutschland und Nachbarn

Das System besteht aus einem mobilen Führungsgefechtsstand, Radargeräten, Startgeräten und den Lenkflugkörpern.
Das System besteht aus einem mobilen Führungsgefechtsstand, Radargeräten, Startgeräten und den Lenkflugkörpern.screenshot: youtube

Dieser «Pfeil» soll Deutschland vor russischen Atomraketen schützen

Die USA haben grünes Licht gegeben: Das israelische Abwehrsystem «Arrow 3» soll in Zukunft Deutschland und seine Nachbarn schützen. Es gibt aber auch kritische Stimmen zum Milliardendeal.
17.08.2023, 21:2418.08.2023, 06:33
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Ein israelisches Abwehrsystem soll Deutschland und seinen Nachbarn in rund zwei Jahren einen besseren Schutz vor möglichen Raketenangriffen bieten.

Die USA erteilten ihrem Bündnispartner Israel am Donnerstag die Erlaubnis zum Verkauf des Abwehrsystems Arrow 3, wie das israelische Verteidigungsministerium mitteilte.

Arrow 3 wurde gemeinsam von Israel und den USA entwickelt, weshalb die USA ein Mitspracherecht haben. Die Verhandlungen über den Kauf hatten im Vorjahr begonnen und waren eine Reaktion auf den Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine.

Mit den Lenkflugkörpern sollen weitreichende feindliche Flugkörper ausserhalb der Erdatmosphäre durch einen direkten Treffer zerstört werden.

Warum ist das wichtig?

«Dies ist ein historischer Tag, der die Zeitenwende in den Beziehungen zwischen Israel und Deutschland markiert», teilte Israels Botschafter Ron Prosor mit.

«Zum ersten Mal wird ein israelisches System den Himmel über Deutschland und ganz Europa schützen.»

Die US-Billigung galt als letzte grössere Hürde für den historischen Vertrag zwischen Deutschland und Israel. Die Kosten belaufen sich auf knapp vier Milliarden Euro, damit ist es der grösste Rüstungsdeal der israelischen Geschichte.

Das Arrow-3-System soll in ein europäisches Luftverteidigungssystem integriert werden, schreibt spiegel.de. Die Nato plane seit Jahren einen strategischen Raketenschutzschirm.

Arrow 3 – israelisches Raketenschutzschirmsystem. Im Bild: die mobile Abschussvorrichtung für die Raketen.
Die mobile Arrow-3-Abschussvorrichtung.archivBild: Israel Defense Forces

Wie geht's weiter?

Vertreter des israelischen und deutschen Verteidigungsministeriums sowie der Israel Aerospace Industries (IAI) sollen in einem nächsten Schritt eine Verpflichtungserklärung unterzeichnen. Damit werde in den nächsten Tagen oder Wochen gerechnet, die Zeremonie sei in Deutschland geplant, sagte Mosche Patel, beim israelischen Verteidigungsministerium für Raketenabwehr zuständig.

Nach der Billigung durch die Parlamente beider Länder werde dann im November mit der Unterzeichnung des abschliessenden Vertrags gerechnet.

Man werde für das Abwehrsystem, das an Deutschland geliefert werde, eine völlig neue Infrastruktur mit neuem Personal aufbauen, sagte Patel weiter.

Eine erste Einsatzfähigkeit des Systems sei bis 2025 geplant, die volle Einsatzfähigkeit bis 2030. Die israelische Luftwaffe werde an dem Prozess beteiligt sein und ihre Erfahrungen mit dem Einsatz von Arrow 3 teilen.

Was bringt es?

Das Raketenabwehrsystem könne «alle deutschen Bürger in ganz Deutschland» schützen. Entscheidend ist dabei, dass Arrow 3 auch mobil eingesetzt werden kann. «Wir geben der deutschen Luftwaffe eine Art Paket», erklärte Patel. «Wir trainieren ihr Personal und sie haben dann die Fähigkeit, in Zukunft ihre eigenen Offiziere auszubilden.»

Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), äusserte sich «sehr erleichtert» über die Erlaubnis der USA zum Verkauf von Arrow 3. «Das Besondere daran ist, dass es sich um das erste antiballistische System handelt, welches auch in der Stratosphäre, also in einer Höhe von 100 Kilometern eingesetzt werden kann», sagte sie.

«Es wird in Zukunft dazu beitragen, Deutschland und unsere Nachbarstaaten vor Luftangriffen zu schützen.»

Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant sprach von einer «bedeutenden Entscheidung», die auch der Wirtschaft Israels dienen werde. «Es ist auch besonders bedeutsam für jede jüdische Person, dass Deutschland ein israelisches Verteidigungssystem kauft.»

Im Juni hatten Haushalts- und Verteidigungsausschuss des Bundestags für den Kauf gestimmt. Das Geld soll aus dem 100-Milliarden-Sondervermögen finanziert werden, das als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine verabschiedet wurde.

Französischer Präsident skeptisch

Die deutschen Kaufabsichten werden allerdings nicht überall in Europa positiv gesehen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron warnte europäische Partner zuletzt eindringlich davor, einfach das zu beschaffen, was derzeit verfügbar ist. Um zu verhindern, dass nutzlose Systeme von nicht-europäischen Herstellern gekauft würden, brauche es zunächst einmal eine europäische Strategiedebatte, mahnte er.

Nach Ansicht Macrons ist auch zu bedenken, dass jede Entscheidung für ein nicht-europäisches System negative Auswirkungen auf die europäische Industrie habe und die strategische Souveränität Europas beeinträchtigen könnte. Es gebe in allen Schlüsselsegmenten der Luftverteidigung zahlreiche europäische Lösungen.

Geteilt werden die Bedenken auch von Experten. Die Beschaffung von Arrow 3 entspreche keinem der Fähigkeitsziele, die im Rahmen des Nato-Verteidigungsplanungsprozesses (NDPP) für alle Verbündeten festgelegt worden seien, merkte die deutsche Wissenschaftlerin Lydia Wachs jüngst in einer Analyse für die Stiftung Wissenschaft und Politik an.

Das einzige russische System, das einer ballistischen Mittelstreckenrakete gleiche, sei die Kinschal-Rakete. In der Ukraine habe sich allerdings erwiesen, dass diese auch mit bereits vorhandenen Patriot-Abwehrsystemen abgefangen werden könne.

Quellen

(dsc/sda/dpa)

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21 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Ichwillauchwassagen
17.08.2023 21:49registriert Mai 2019
Ja, wie jetzt?
Jammer weil ein Luftverteidigungssystem gekauft wird, das es scheinbar in Europa und USA nicht zu kaufen gibt?
Macht eins,dass funktioniert und gut ist!
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JBV
17.08.2023 21:57registriert September 2021
"Präsident Emmanuel Macron warnte ... Um zu verhindern, dass nutzlose Systeme von nicht-europäischen Herstellern gekauft würden, brauche es zunächst einmal eine europäische Strategiedebatte, mahnte er."

Gute Idee. Aber in der Praxis? Eine gemeinsame, europäische Strategie? Bis wann? 2040? 2050?

Nehmen wir das deutsch-französische Main Ground Combat System (MGCS) zur Entwicklung eines neuen schweren Kampfpanzers. Das Projekt läuft seit 2012. Ab 2035 (23 Jahre später!) soll er den Leopard 2/Leclerc ersetzen. 23 Jahre... und schon jetzt gibt es mehr Probleme als Lösungen.
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Chibs
17.08.2023 22:29registriert April 2021
Mir ist noch immer nicht klar, was an einem bereits heute verfügbaren Luftabwehrsystem, das in der Lage ist, sämtliche bekannten (und unbekannten) feindlichen Raketen zu bekämpfen, falsch sein soll.

Als europäische Alternative würde man sich bestimmt schon vor 2030 im Grundsatz einigen, die Details wären wohl bereits vor 2035 geklärt und die Suche nach einem geeigneten Standort für die Produktionsanlagen könnte beginnen. Nach der Behandlung sämtlicher Einsprachen würden also die ersten Abwehrraketen bestimmt bereits um 2050 die Produktionshallen verlassen. Wäre doch viiiiiel besser...
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