Der langjährige Chef der Autobauer Fiat Chrysler und Ferrari, Sergio Marchionne, ist tot. Das teilte Fiat am Mittwoch mit.
Die Nachricht vom Rücktritt Sergio Marchionnes an der Spitze von Fiat-Chrysler am vergangenen Wochenende kam völlig überraschend. Nach einer Schulteroperation sei es zu unerwarteten Komplikationen gekommen, die sich verschlechtert hätten, hatte es in einer ersten Begründung geheissen.
Sein Gesundheitszustand hatte sich in der Folge in den letzten Tagen zunehmend verschlechtert. Die näheren Umstände des Todes des 66-jährigen Italo-Kanadiers sind offiziell noch nicht bekannt. Doch auch am Zürcher Unispital, wo sich der Manager laut Medienberichten zuletzt behandeln liess, konnten ihm die Ärzte nicht mehr helfen.
Immerhin war es ihm vergönnt, sein letztes grosses berufliches Ziel noch zu verwirklichen: Marchionne befreite Fiat Chrysler von den Schulden. Noch Ende 2014 hatte diese 7,7 Milliarden Euro betragen. Doch der Spitzenmanager verwandelte die beiden zuvor schwer angeschlagene Unternehmen in einen globalen Player der Automobilindustrie.
Mit Kompromisslosigkeit und teils unkonventionellen Ideen sanierte Marchionne den kriselnden Turiner Grosskonzern Fiat und dessen Tochter Ferrari nach seinem Antritt 2004 und richtete diese neu aus. Er baute die Bürokratie ab und halbierte die Entwicklungszeiten für neue Modelle. Besonderer Erfolg: Die Luxusmarke Ferrari steigerte 2017 ihren Umsatz um zehn Prozent auf 3,417 Milliarden Euro, ihren Gewinn erhöhte sie um 34 Prozent auf 537 Millionen Euro.
Als einer der grössten Verdienste des Italo-Kanadiers gilt die Fusion von Fiat und Chrysler im Jahr 2014. Die prestigeträchtige Marke Ferrari brachte er erfolgreich an die Börse. 2014 beerbte er Luca di Montezemolo als Ferrari-Präsident und war seit 2016 auch fürs Tagesgeschäft hauptverantwortlich.
Dabei war der 1952 in den italienischen Abruzzen geborene Marchionne für seine markigen Sprüche bekannt. Zu Vorwürfen, auch Fiat habe bei Abgaswerten geschummelt, sagte er mit Blick auf VW etwa: «Wer uns mit dem deutschen Unternehmen vergleicht, hat etwas Illegales geraucht.»
Und bereits 2012 hatte er sich mit dem grossen deutschen Autobauer angelegt. «Bei der Preisgestaltung gibt es ein Blutbad. Das ist ein Blutbad bei den Margen», hatte der Fiat-Chef Volkswagen vorgeworfen. Indem die Wolfsburger aggressive Rabatte gewährten, versuchten sie auf unfaire Art Marktanteile zu gewinnen, so die damalige Meinung Marchionnes.
Als Ferrari-Präsident galt Marchionne ausserdem auch in der Formel 1 als kompromissloser Manager, der den Rennstall allerdings wieder in die Spur brachte. Das Team von Pilot Sebastian Vettel hatte er öffentlich mehrmals deutlich kritisiert.
Dass er nun seine gesundheitlichen Beschwerden ausgerechnet in der Schweiz behandeln liess, war kein Zufall. Viel verband Marchionne mit dem Land. Vor seiner Zeit bei Fiat-Chrysler war der im Alter von 14 Jahren mit seiner Familie nach Toronto ausgewanderte Spitzenmanager nämlich in verschiedenen Positionen bei hiesigen Unternehmen tätig.
Bereits 1997 übernahm er die Leitung der damaligen Alusuisse. Marchionne war in der Schweiz erst ein völlig unbeschriebenes Blatt. Doch nach der Zusammenlegung von Alusuisse und Alcan wurde er Chef des abgespaltenen Chemie- und Pharmaunternehmens Lonza mit Sitz in Basel. Und kurz nach der Jahrtausendwende führte sein Berufsweg ihn nach Genf zum Warenprüfkonzern SGS, den er sanierte.
Und auch damals zeigten sich schon Marchionnes Qualitäten, die ihn Jahre später bei Fiat zum Grosserfolg bringen sollten. So stach er durch die Rigorosität seines Auftretens hervor. Er überraschte mit ehrgeizigen Zielen, von denen er sich laut der «Bilanz» jedoch felsenfest überzeugt zeigte. Und er versetzte sein Umfeld durch das Tempo, mit dem er die von ihm geleiteten Unternehmen umkrempelte, in Staunen.
Auch nach seiner Zeit als CEO blieb er SGS als Verwaltungsratspräsident erhalten. Zutiefst erschüttert zeigte sich der Verwaltungsrat des Konzerns denn auch, als Marchionne aufgrund seines Gesundheitszustandes plötzlich aus dem Amt ausscheiden musste.
Nicht nur beruflich, auch privat verband Marchionne daher viel mit der Schweiz. Seine Frau und Kinder wohnen nach wie vor in der Romandie. Er lebte grösstenteils in Turin, offizieller Wohnsitz blieb aber Schindellegi im Kanton Schwyz. (awp/sda)