Die Nachricht kam per Twitter, wie so oft: US-Präsident Donald Trump hat sich dafür ausgesprochen, dass die USA die Souveränität Israels über die Golanhöhen anerkennen. Israel hat das zu Syrien gehörende Gebiet 1967 im Sechstagekrieg erobert und 1981 annektiert, was völkerrechtlich jedoch nicht anerkannt wurde.
Die Golanhöhen sind nicht das einzige umstrittene Gebiet: Weltweit gibt es eine nahezu unübersehbare Reihe von Regionen, auf die verschiedene Staaten Anspruch erheben. Andere Gebiete sind zwar Teil eines Staates, streben aber nach Unabhängigkeit. Eine (unvollständige) Übersicht der wichtigsten territorialen Zankäpfel:
• Konfliktparteien: Israel und Palästinensische Autonomiebehörde
• Hintergrund: Die Gebiete waren Teil des britischen Völkerbundsmandats Palästina, aus dem 1948 auch Israel hervorging. Ihre Grenzen zu Israel entsprechen der Waffenstillstandslinie nach dem Palästinakrieg (1947-49). Sie erlangten jedoch keine Eigenstaatlichkeit – das Westjordanland und Ostjerusalem wurden von Jordanien verwaltet, Gaza von Ägypten, bis Israel diese Gebiete 1967 eroberte. 2005 zog sich Israel aus Gaza zurück, blockiert aber seit der Machtübernahme der Hamas dessen Grenzen zusammen mit Ägypten. Das Westjordanland ist weiterhin besetzt. Teile davon werden von der Palästinensischen Autonomiebehörde verwaltet.
• Eskalationspotential: mittel bis hoch
• Konfliktparteien: Indien, Pakistan und China
• Hintergrund: Die Region im Himalaya war als Fürstenstaat Teil von Britisch Indien. Als 1947 Indien und Pakistan unabhängig wurden, schloss sich der Maharadscha von Kaschmir Indien an, obwohl die Bevölkerung mehrheitlich muslimisch war. Pakistan akzeptierte dies nicht; es kam zum ersten von mehreren Kriegen, der zur Teilung des Gebietes führte. Nach wie vor kommt es oft zu bewaffneten Zusammenstössen entlang der Waffenstillstandslinie.
1962 besetzte China in einem Grenzkrieg mit Indien das Gebiet Aksai Chin. Zudem erhielt es als Verbündeter von Pakistan das Shaksgam-Tal, was von Indien nicht anerkannt wurde.
Der Konflikt in dieser Hochgebirgsregion ist besonders gefährlich, weil alle drei beteiligten Staaten Atommächte sind.
• Eskalationspotential: hoch
• Konfliktparteien: Indien und China
• Hintergrund: Das seit dem 17. Jahrhundert tibetisch dominierte Gebiet kam zu Beginn des 20. Jahrhunderts unter britische Kontrolle und bildete als North-East Frontier Tracts einen Teil Britisch Indiens. Die Briten erklärten die McMahon-Linie, die dem Himalaya-Hauptkamm folgt, zur Grenze. Indien übernahm diese Sichtweise. Heute ist das Gebiet ein indischer Bundesstaat. Nach chinesischer Auffassung gehört es jedoch zum Autonomen Gebiet Tibet und damit zu China. Während des Indisch-Chinesischen Grenzkriegs 1962 drangen chinesische Truppen in Arunachal Pradesh ein, zogen sich aber wieder zurück.
• Eskalationspotential: gering
• Konfliktparteien: China und tibetische Exilregierung
• Hintergrund: Das Hochland von Tibet stand jahrhundertelang unter chinesischer Oberhoheit. Ab 1912 war Tibet jedoch faktisch unabhängig, da China in inneren Konflikten versank. 1913 rief der Dalai Lama die Unabhängigkeit Tibets aus, die international jedoch nicht anerkannt wurde. Nach dem Ende des Chinesischen Bürgerkriegs 1949 begann die Volksrepublik China damit, Tibet wieder unter chinesische Kontrolle zu bringen. 1951 zwang Peking die tibetische Regierung, die Stationierung von Truppen zuzulassen. Endgültig übernahm China die Kontrolle nach dem blutigen Tibetaufstand 1959. Seit 1965 ist Tibet als «Autonomes Gebiet» vollständig im chinesischen Zentralstaat eingebunden.
• Eskalationspotential: gering
• Konfliktparteien: China (Volksrepublik) und Taiwan (Republik China)
• Hintergrund: Nach dem Sieg der Kommunisten im Chinesischen Bürgerkrieg und der Gründung der Volksrepublik China 1949 zogen sich Regierung und Truppen der Republik China auf die Insel Taiwan zurück. Für die Volksrepublik ist Taiwan ein «unabtrennbarer Bestandteil des chinesischen Territoriums». Die Republik China hingegen betrachtet sich als souveränen Staat, von dem sich Festlandchina abgespalten habe. Beide Staaten erhoben lange den Alleinvertretungsanspruch für China. Bis 1971 wurde China in der UNO durch die Republik China vertreten, seither durch die Volksrepublik. Nur noch wenige Staaten unterhalten diplomatische Beziehungen zu Taiwan.
• Eskalationspotential: gering
• Konfliktparteien: China, Taiwan, Vietnam, Malaysia, Philippinen und Brunei
• Hintergrund: Mehrere Inseln, Riffe und Bänke im strategisch sehr wichtigen Südchinesischen Meer sind umstritten. Insbesondere die Volksrepublik China versucht, mit der Befestigung und militärischen Besetzung von Inseln ihre territorialen Ansprüche durchzusetzen. Sie stehen jedoch im Widerspruch zum Seerechtsübereinkommen, dem auch China beigetreten ist. Es kam mehrmals zu Konflikten zwischen Fischerbooten und Kriegsschiffen verschiedener Staaten. Die USA, die «Pekings Machtstreben» entgegentreten wollen, markieren ebenfalls Präsenz; sie schickten 2015 demonstrativ Kriegsschiffe vor die Spratly-Inseln als Zeichen der Nicht-Anerkennung des chinesischen Anspruchs auf diese Inselgruppe.
• Eskalationspotential: hoch
• Konfliktparteien: China, Taiwan, Japan
• Hintergrund: Japan erklärte die unbewohnten Inseln 1895 zu japanischem Hoheitsgebiet. Nach der japanischen Niederlage im Zweiten Weltkrieg kamen sie unter amerikanische Militärverwaltung und wurden 1972 an Japan zurückgegeben. Sowohl die Volksrepublik China wie Taiwan, die den Archipel Diaoyu-Inseln nennen, erheben Anspruch auf die Inseln. Sie berufen sich auf chinesische Dokumente aus der Ming-Dynastie. Mehrere chinesische Fischerboote wurden von der japanischen Küstenwache aufgebracht. China entsendet ständig Patrouillenschiffe vor die Inseln und gibt sich kompromisslos. 2013 proklamierte Peking eine Air Defense Identification Zone im Luftraum über den Inseln. Darauf durchflogen unbewaffnete US-Bomber die Zone, um den chinesischen Anspruch zurückzuweisen.
• Eskalationspotential: sehr hoch
• Konfliktparteien: Japan und Russland
• Hintergrund: Die Inselgruppe gehörte seit 1875 vollständig zu Japan. Kurz vor der japanischen Kapitulation im Zweiten Weltkrieg trat die Sowjetunion in den Krieg gegen Japan ein und besetzte die Kurilen und Südsachalin. 1946 wurden die Gebiete zu sowjetischem Hoheitsgebiet erklärt. Im Friedensvertrag von San Francisco 1951 wurde der Begriff «Kurilen» nicht exakt bestimmt; für Japan und auch die USA umschliesst er die unteren Kurilen mit den Inseln Shikotan, Kunashiri und Etorofu sowie die Habomai-Inseln nicht. Japan betrachtet diese Inseln als Nördliche Gebiete und verlangt die Rückgabe. Der Zwist verhindert bisher einen Friedensvertrag zwischen Russland und Japan.
• Eskalationspotential: gering
• Konfliktparteien: Ukraine und Russland
• Hintergrund: Die mehrheitlich russischsprachige Halbinsel im Schwarzen Meer gehörte in der Sowjetunion bis 1954 zu Russland, wurde dann aber der Ukraine angegliedert. Mit dem Zerfall der Sowjetunion wurde die Ukraine 1991 unabhängig. Russland pachtete Sewastopol, den Heimathafen der Schwarzmeerflotte. Nach dem Sturz des prorussischen ukrainischen Präsidenten Janukowitsch 2014 verstärkten sich separatistische Strömungen auf der Krim, die von Russland unter anderem mit irregulären Truppen gefördert wurden. Separatistische Kräfte übernahmen die Regierung und hielten im März 2014 ein Referendum ab, das mit deutlicher Mehrheit die Abspaltung von der Ukraine guthiess. Weder Abspaltung noch Referendum sind international anerkannt. Die Republik Krim schloss sich noch im gleichen Monat Russland an. Die Ukraine und die Mehrheit der Staatengemeinschaft betrachten dies als Annexion.
• Eskalationspotential: gering bis mittel
• Konfliktparteien: Moldau und Transnistrien
• Hintergrund: Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 wurde die Moldauische Sowjetrepublik als Republik Moldau unabhängig. Zugleich kam es zu einer Sezession innerhalb dieser Sezession: Der schmale Landstrich östlich des Dnjestr, der von einer slawischen Mehrheit bewohnt wird, erklärte sich seinerseits als Transnistrien unabhängig von der Republik Moldau. Das international von keinem Staat anerkannte Gebilde konnte seine De-facto-Unabhängigkeit 1992 in einem kurzen Krieg durchsetzen. Nach wie vor beansprucht Moldau das Gebiet.
• Eskalationspotential: gering
• Konfliktparteien: Armenien und Aserbaidschan
• Hintergrund: Das mehrheitlich von Armeniern bewohnte Gebiet ist seit Jahrhunderten umstritten und gehört offiziell zu Aserbaidschan. Noch vor dem Zerfall der Sowjetunion eskalierte der Konflikt in den 1980er Jahren. Auch nach der Unabhängigkeit der ehemaligen Sowjetrepubliken 1991 kam es zu Pogromen und bewaffneten Auseinandersetzungen, in deren Verlauf Armenien Bergkarabach und angrenzende aserbaidschanische Gebiete unter seine Kontrolle bringen konnte. Auch danach kam es immer wieder zu Scharmützeln zwischen armenischen und aserbaidschanischen Truppen. Seit 2017 nennt sich Bergkarabach «Republik Arzach», deren Unabhängigkeit jedoch bisher von keinem Staat anerkannt wird.
• Eskalationspotential: hoch
• Konfliktparteien: Spanien und Marokko
• Hintergrund: Als Rest der einstigen kolonialen Besitzungen in Marokko verfügt Spanien über mehrere Inseln sowie zwei Städte – Ceuta und Melilla – vor bzw. an der marokkanischen Küste. Die meisten von ihnen wurden früher als «Plazas de soberanía» («Hoheitsgebiete») bezeichnet; mittlerweile gelten Ceuta und Melilla als autonome Städte. Da sich diese Gebiete seit dem 16. Jahrhundert in spanischem Besitz befinden, war Spanien nicht bereit, sie an Marokko abzutreten, als die Kolonie 1956 von Spanien und Frankreich in die Unabhängigkeit entlassen wurde. Marokko beansprucht sie gleichwohl. Zum sogenannten «Petersilienkrieg» kam es 2002, als Marokko die kleine Isla del Perejil (Petersilieninsel) besetzte, worauf Spanien die Insel mit eigenen Truppen besetzte.
• Eskalationspotential: gering
• Konfliktparteien: Marokko und Frente Polisario
• Hintergrund: 1976 entliess Spanien die Kolonie Westsahara in die Unabhängigkeit. Die Befreiungsbewegung der Sahrauis – die Frente Polisario – rief darauf die Demokratische Arabische Republik Sahara aus. Nach dem Abzug der Spanier besetzten jedoch Marokko und Mauretanien die Westsahara und teilten sich das Gebiet auf. 1979 zog sich Mauretanien aus der Westsahara zurück, worauf Marokko auch diesen Teil besetzte – gegen den Widerstand der Frente Polisario. Seit dem Waffenstillstand von 1991 kontrolliert diese einen Streifen im Osten und Süden des Gebiets; Marokko hat einen über 3000 km langen Wall errichtet, um die Sahrauis aus seiner Zone fernzuhalten. Die Republik Westsahara ist von etwa 80 Staaten anerkannt worden, von denen aber rund 30 die Anerkennung zurückgezogen oder suspendiert haben.
• Eskalationspotential: mittel
• Konfliktparteien: Venezuela und Guyana
• Hintergrund: Das umstrittene Territorium, das heute von Guyana verwaltet wird, umfasst beinahe zwei Drittel von dessen Staatsgebiet. Der Anspruch von Venezuela geht zurück auf die Schaffung des Statthalterschaft Venezuela 1777, deren Ostgrenze per Dekret der Río Esequibo bildete. Allerdings erstreckten sich die niederländischen Kolonien in Guyana auch auf Gebiete westlich des Esequibo. Sie gingen 1815 mit Ausnahme von Suriname endgültig an das Vereinigte Königreich über, das sie 1831 als Britisch-Guayana zusammenfasste; zunächst mit dem Esequibo als Westgrenze. 1899 kam es nach langen Grenzstreitigkeiten zu einem Schiedsspruch, der die heutige Grenze etablierte. Venezuela erklärte diese Regelung 1963 für nichtig und erneuerte seine Ansprüche auf das Gebiet. Das Vereinigte Königreich willigte unmittelbar vor der Unabhängigkeit Guyanas 1966 in ein Schlichtungsverfahren ein, das aber ohne Ergebnis blieb.
• Eskalationspotential: gering
Eskalationspotential: Hoch