Exakt zwei Wochen nach der Queen starb auch die härteste Kritikerin der britischen Royals, die Bestsellerautorin Hilary Mantel. Es war, als hätten die Windsors mit dem Tod der Jahrhundertfigur jeden Reiz verloren. Was hatte Mantel nicht alles verlauten lassen! Etwa dies: «Unsere derzeitige Royal Family hat nicht die Schwierigkeiten bei der Fortpflanzung, die Pandas haben. Doch sowohl Pandas als auch Royals sind teuer im Unterhalt und schlecht an eine moderne Umgebung angepasst. Aber sind sie nicht interessant? Sind sie nicht hübsch anzuschauen?»
Oder dies: «Kate Middleton, so wie sie war, schien von einem Komitee entworfen und von Handwerkern gebaut worden zu sein. Mit einem perfekten Plastiklächeln und mit spindeldünnen Gliedmassen, die von Hand gedreht und glänzend lackiert worden waren.»
Mantels Beschreibung von «Plastic Kate» führte 2013 zu viel Gelächter, aber auch viel Geschrei in England, trotzdem wurde die Autorin 2015 von ihrem grössten Fan, Prinz Charles, zu einer «Dame Commander of the British Empire» gekürt. Und auch die Queen hatte ihr schon einen Orden verliehen. Man muss den Briten zu Gute halten, dass sie in Sachen Ironie nicht nur austeilen, sondern auch einstecken können.
Wäre Hilary Mantel noch am Leben, sie würde uns erklären, dass die britische Monarchie nun wirklich, wirklich am Ende wäre. Da ist Charles, der Mann, der 73 Jahre lang darauf gewartet hatte, König zu werden, und der nur 9 Monate nach seiner Krönung im schwärzesten Aufwisch des Schicksals von einer Krebserkrankung heimgeholt wird, die infrage stellt, ob er künftig noch fit genug sein wird, um sein Amt auszuüben.
Da ist sein Sohn William, der sich am liebsten so lange zurückziehen würde, bis seine Frau von ihrer rätselhaften und offenbar schweren Unterleibsoperation genesen ist, über die die Öffentlichkeit noch immer nicht aufgeklärt worden ist. Und bei Harry sind eh alle guten Geister ausgeflogen. Hilary Mantel würde wohl um sich schauen, und uns sagen, dass alles, was noch da ist von der Firma, nicht gut ist. Zu alt, zu marode, zu beschädigt.
Das heisst, zu sowas braucht es gar keine Hilary Mantel mehr. Der «Guardian» weiss, dass Charles auch neben seiner Krebserkrankung schwer angeschlagen sei, zu viele Stürze vom Pferd hätten seinen Rücken nachhaltig beschädigt, zudem habe er sich einmal bei der Gartenarbeit einen Finger zertrümmert (gut, was das mit nachhaltigen Schäden zu tun hat, weiss nur der «Guardian»).
Die Newsplattform «Business Insider» erwähnt, dass die wenigen anderen verbleibenden Royals, die noch als «berufstätig», als «working Royals», eingestuft werden und repräsentative Funktionen übernehmen dürfen, auf unattraktive Art überaltert seien. Aktuell sind das der Duke of Kent (88), Princess Alexandra (87), der Duke of Gloucester (79), Queen Camilla (76), Princess Anne (73) und als wahres Frühlingsküken Prince Edward und Gattin Sophie (beide 59).
Das Problem ist nicht mangelndes Engagement – Princess Anne stellt an Fleiss-Auftritten alle in den Schatten, aber wie lange noch? Das Problem ist, dass Medien und Publikum ganz grundsätzlich lieber jüngere Royals sehen. Frischfleisch, Popstars, Liebesgeschichten, Hochzeiten, Babys, schöne Menschen sind der Stoff, aus dem die schlichten kollektiven Träume gebastelt sind. Schliesslich leisten sich die Briten die Royals zur Unterhaltung. Die PR-Berater geben sich besorgt. Da hilft es auch nichts, dass Charles und Camilla unter den «Übriggebliebenen» die mit Abstand längste und grösste Liebesgeschichte darstellen.
Weshalb die Medien kurz nach der Bekanntgebung von Charles' Erkrankung vermuteten, dass jetzt die beiden bisher tendenziell nutzlosen Prinzessinnen Beatrice (35) und Eugenie (33) vermehrt eingesetzt werden sollen. Die Töchter von Fergie und Charles' Bruder Andrew also, der durch seine Verwicklung in den Epstein-Skandal kein working Royal mehr sein darf. In der Gestalt seiner Töchter könnte er jetzt ein Comeback undercover haben.
Es stellen sich jetzt einige Fragen: Wie belastbar werden Charles und Kate nach ihrer jeweiligen Genesung sein? Wird er die vielen Reisen und Auftritte weiterhin absolvieren können? Wird er die Krone nach so kurzer Zeit bereits an William weitergeben und sich mit Camilla der Aquarellmalerei und der biologischen Landwirtschaft widmen? Wäre das nicht für alle das Beste? Aber hätte Kate, die schon unter ihren drei Schwangerschaften viel zu sehr leiden musste, darauf überhaupt noch Lust? Wird es jetzt zur grossen Versöhnung mit Harry (er ist aktuell in London) und Meghan kommen?
Wäre es nicht sowieso für alle das Allerbeste, wenn das Unternehmen britische Monarchie kleiner, moderner und kostengünstiger werden? Eine Handtaschenmonarchie wie in Norwegen, Schweden, Belgien, Dänemark oder Holland? Sind die Royals da nicht glücklicher? Und wie heissen ihre Könige schon wieder? Alexander Skarsgaard?
Wenn Hilary Mantel nicht gerade die Royals disste oder die Ermordung von Margaret Thatcher herbeischrieb, hatte sie durchaus auch Mitleid mit den Gegenständen ihrer Prosa. In ihrem höfisch-historischen Roman «The Mirror & The Light» schrieb sie: «Ist ein Prinz überhaupt ein Mensch? Wenn man ihn zusammenzählt, ergibt die Summe dann einen Menschen? Er besteht aus Scherben und zerbrochenen Fragmenten der Vergangenheit, aus Prophezeiungen und aus den Träumen seiner Ahnenreihe. Die Gezeiten der Geschichte brechen sich in ihm, ihr Strom droht ihn fortzutragen. Sein Blut ist nicht sein eigenes, sondern uraltes Blut.»
Das klingt nicht gut. Grundsätzlich. Man wünscht King Charles nach einer baldigen Genesung noch mehr einen baldigen Ruhestand. Und William und Kate ein leichteres Leben. Vielleicht hatten Harry und Meghan am Ende mit ihrer Absage an den goldenen Knast gar nicht so Unrecht.
Jeden Tag produzieren sie Schlagzeilen, welche die Briten und die Welt vermissen würden.
Zudem sind die Royals eine Geldmaschine für die Tourismusbranche.