Sie habe eine wirklich idyllische Kindheit gehabt, sagt Camilla Rosemary Shand heute. Am 17. Juli 1947 kam sie als älteste von drei Geschwistern zur Welt, sie wuchs auf dem nicht übertrieben grossen, aber schönen Landsitz The Lanes in Plumpton, East Sussex, auf, ritt auf ihrem Pony zur Schule, war eine mittelbegabte Schülerin und hatte keinerlei Talent fürs Schultheater. «Wenn ich auch nur einen einzigen Satz auswendig sagen sollte, kam er verkehrt heraus.»
Auch heute noch hasst sie es, Reden zu halten. Kurz vor ihrer Hochzeit mit Charles hätte sie in Lissabon über Osteoporose reden sollen – in der Nacht zuvor überlegte sie, die Bettlaken im Hotelzimmer zusammenzubinden und sich abzuseilen.
Camillas Mutter war ein adeliges It-Girl ihrer Zeit, witzig, beliebt, glamourös, 1939 Debütantin des Jahres. Ihr Vater war Offizier der britischen Armee. In einer der Schlachten von El Alamein traf eine Kugel sein Bein. Eine weitere trat bei der einen Wange ein und bei der anderen wieder aus und zerfetzte ihm das halbe Gesicht. Danach befand er sich für zweieinhalb Jahre in deutscher Kriegsgefangenschaft.
Nach ihrer Schulzeit in England lässt sich Camilla im waadtländischen Tolochenaz im Mädcheninternat Mon Fertile und in Paris am Institut Britannique veredeln. 1965 beendet sie ihre «Schulzeit» ohne Abschluss. Sie ist eine ausgezeichnete Reiterin und eine gute Tänzerin – allerdings musste sie in den Tanzkursen immer den männlichen Part übernehmen.
Die junge Camilla führt ein chaotisches Leben. In London zieht sie von einer Wohngemeinschaft in die andere – natürlich immer mit höheren Töchtern. Sie jobbt an diversen Orten als Sekretärin – zuletzt in einem Laden für Luxustextilien und Tapeten, doch diese Stelle verliert sie, weil sie oft die Nächte durchtanzt und zu spät zur Arbeit kommt.
Freunde von damals bezeichnen sie als weder schön noch intellektuell, aber als lustig und mit einem unvergleichlichen Gespür dafür, dass andere sich in ihrer Gesellschaft wohl fühlen. Darunter auch etliche Männer. Ihr Favorit ist der acht Jahre ältere Kavallerie-Offizier Andrew Parker Bowles. Dummerweise ist dieser auch der Favorit von Prinzessin Anne. Und um die Sache noch komplizierter zu machen, ist Camilla selbst die Favoritin von Annes Bruder Prinz Charles.
Camilla und Andrew führen seit Ende der 60er-Jahre eine leidenschaftliche On-Off-Beziehung. Charles fällt für Camilla als Lückenbüsser in eine Off-Phase. 1971 werden die beiden einander von einer Ex von Charles vorgestellt, und Charles weiss sofort: Das ist die Frau, mit der ich mein ganzes Leben verbringen möchte. Camilla stellt sich ihm mit den Worten vor: «Meine Urgrossmutter war die Geliebte Ihres Ururgrossvaters, ich glaube, wir haben etwas gemeinsam.»
Die beiden haben eine Affäre. Doch Anfang 1973 muss Charles ins Militär. Das ist sein Verhängnis.
Kurz nach Charles' Abreise geben Andrew Parker Bowles und Camilla Shands ihre Verlobung bekannt. Am 4. Juli 1973 heiraten die beiden vor 800 Gästen, darunter auch Prinzessin Anne und die Queen Mother, es ist die Hochzeit des Jahres.
Im Lauf der Jahrzehnte türmen sich die Theorien: Hat Charles schlicht vergessen, um Camillas Hand anzuhalten? War die Queen gegen die Verbindung der beiden? War Charles' Götti Lord Mountbatten dagegen? Haben die Eltern von Camilla und Andrew die Verlobungsanzeige verschickt, ohne die beiden zu informieren, weil sie ihre wilde Tochter endlich unter die Haube bringen wollten? Oder war ganz einfach Camillas Liebe zu Andrew grösser als zu Charles? Bis heute hat keiner der Beteiligten dazu eine eindeutige Antwort gegeben.
Charles lässt nicht locker. Nach aussen befinden er und Camilla sich jetzt in der Friendzone. Sie gehen gerne zusammen ins Theater und treffen sich bei pferdezentrierten Sportanlässen. In der britischen Polo-Community ist allen klar, dass die beiden auch wieder miteinander schlafen. Angeblich besonders gerne auf dem Landsitz von Camillas Grossmutter. Als Lord Mountbatten stirbt, ist Camilla Charles' grösste Zuflucht. Andrew Parker Bowles sagt nichts dazu, seine eigene Affärenwirtschaft ist viel zu legendär.
Charles braucht eine Ehefrau. Ende der 70er-Jahre ist er mit einer adeligen Tochter namens Sarah Spencer liiert, doch diese gibt der britischen Klatschpresse 1978 ein Interview, in dem sie von Besäufnissen im Internat und ihrer Anorexie berichtet. Zum Glück hat Sarah eine jüngere Schwester, die knapp 20-Jährige Diana, die so brav ist, dass sie dem Hof schon seit längerem positiv auffällt. Natürlich ist Diana in den Prinzen verliebt.
1980 wird entschieden, dass sie die Richtige ist. Und Charles versucht von Anfang an, die Geliebte und die spätere Ehefrau zusammenzubringen. Es existieren mehrere Fotos, die am Rand von pferdezentrierten Sportanlässen entstanden sind, auf denen Diana aussieht wie auf dem folgenden Bild.
Da Diana und Camilla offensichtlich keine besten Freundinnen werden wollen und da sich Dianas Rolle mit der Hochzeit 1981, der Geburt von William 1982 und ihrem Aufstieg zum absoluten Medienstar verfestigt, distanzieren sich Charles und Camilla voneinander. Bis circa 1986.
Ab 1986 fallen alle Hemmungen. Charles ist mit Camilla. Andrew ist sowieso mit anderen Frauen. Diana nimmt sich jetzt auch Liebhaber, etwa den Ex-Offizier James Hewitt, den sie kurzerhand zum Reitlehrer von William und Harry macht.
1989 nimmt Andrew Morton, Dianas Biograf, folgende Worte der Prinzessin auf Band auf, gerichtet sind sie an Camilla. Diana sagt zu ihrer Konkurrentin: «‹Ich weiss, was zwischen dir und Charles vor sich geht, und ich will nur, dass du das weisst.› Sie sagte zu mir: ‹Du hast alles, was du jemals wolltest. Alle Männer der Welt haben sich in dich verliebt und du hast zwei wunderschöne Kinder, was willst du mehr?› Also sagte ich: ‹Ich will meinen Mann.› Und ich sagte: ‹Es tut mir leid, dass ich im Weg bin ... und es muss die Hölle für euch beide sein. Aber ich weiss, was hier los ist. Behandle mich nicht wie eine Idiotin.›» Die Biografie erscheint 1992.
Ebenfalls 1989 schneidet ein Mann, der als Hobby gerne die Telefongespräche anderer Menschen abhört, zufälligerweise ein Gespräch zwischen Charles und Camilla mit. Charles wünscht sich darin, Camillas Tampon zu sein. Das Gespräch ist auf Band. Der Mann verkauft es an die Presse, doch erst im Januar 1993 entscheiden sich «Sunday Mirror» und «Sunday People», die Schlüpfrigkeiten zu publizieren. Und so klang das:
Charles: «Oh, hör auf! Ich möchte alles von dir spüren und hoch und runter und in dich hinein und aus dir heraus ...»
Camilla: «Oh!»
Charles: «Besonders innen und aussen.»
Camilla: «Oh, das ist genau das, was ich im Moment brauche.»
Charles: «Ist es das? Oh, Gott. Ich werde einfach in deiner Hose leben oder so. Das wäre doch viel einfacher!»
Camilla: «In was willst du dich verwandeln, in einen Schlüpfer? Oh, du wirst als ein Paar Unterhosen zurückkommen!»
Charles: «Oder, Gott behüte, als ein Tampax. Das wäre mein Glück!»
Camilla: «Du bist ein Vollidiot! Oh, was für eine wunderbare Idee.»
Der Skandal ist riesig und nicht nur für Diana, auch für Camilla beginnt jetzt ein Zustand der Belagerung. Für die Presse ist sie jetzt die Hexe, die Diana den Mann ausspannte. Monatelang verschanzt sie sich mit ihren Kindern zuhause, die Kinder spielen «Paparazzi zählen».
Im Juni 1994 knickt Charles ein. In einem Dokumentarfilm bekennt er sich zum Ehebruch. Über Camilla sagt er: «Sie ist schon sehr lange eine sehr gute Freundin und wird es auch noch lange bleiben.» Später im Film gesteht er, dass er und sie seit 1986 wieder ein Paar sind.
Aus verständlichen Gründen ist die Ehe von Andrew und Camilla am Ende, am 3. März 1995 lassen sie sich scheiden, 1996 heiratet Andrew Rosemary Pitman (sie stirbt 2010). Camilla, ihr Ex und seine Neue haben eine gute Beziehung, Andrew Parker Bowles ist auch zur Krönung am 6. Mai eingeladen.
In dem mit gefälschten Dokumenten erschlichenen Interview des BBC-Reporters Martin Bashir mit Diana kommt es am 20. November 1995 zum berühmtesten Zitat der Weltgeschichte in Sachen Dreiecksbeziehung. Bashir fragt: «Denken Sie, dass Mrs. Parker Bowles zum Zusammenbruch ihrer Ehe beigetragen hat?» Diana antwortet: «Nun, wir waren zu dritt in dieser Ehe. Es war etwas eng.» «Ist es Ihr Wunsch, sich scheiden zu lassen?», fragt Bashir. «Nein, das ist nicht mein Wunsch», sagt Diana.
Schon 1992 haben Charles und Diana ihre Trennung bekannt gegeben. Ende 1995 verlangt die Queen, dass sie sich endlich scheiden lassen, am 29. Februar 1996 stimmt Diana einer Scheidung zu, am 28. August wird diese in aller Stille vollzogen. Am 31. August 1997 kommt Diana in Paris ums Leben. 1998 weigert sich die Queen, zum 50. Geburtstag von Charles zu kommen, weil sie Camilla nicht begegnen will.
Ein Jahr und fünf Monate warten Charles und Camilla nach Dianas Tod, bevor sie zum ersten Mal als Paar in der Öffentlichkeit auftreten. Vorher haben sie zwar oft gemeinsam Veranstaltungen besucht, aber sie kamen und gingen stets getrennt. Doch am 28. Januar 1999 ist es soweit und Englands Pressefotografen erhalten endlich das Bild, das sie schon immer haben wollten.
Charles besucht mit der Frau, in die er sich vor 27 Jahren verliebt und die er keinen Tag lang vergessen hat, den 50. Geburtstag ihrer Schwester im Londoner Ritz. Ausgerechnet im Schwesternhotel des Pariser Ritz also, wo Diana ihren letzten Abend verbracht hatte. In den Monaten zuvor haben sie einander ihren Kindern vorgestellt. 2000 ist die Queen endlich bereit, Camilla kennen zu lernen. 2001 geben sich die Verliebten den ersten Kuss vor Kameras.
Am 9. April 2005 feiern die beiden Geschiedenen ihre zivile Trauung auf Schloss Windsor. Charles ist damit der erste britische Royal, der nicht kirchlich heiratet. Aus Respekt vor Diana will Camilla nicht Princess of Wales genannt werden, sie erhält den Titel der Duchess of Cornwall. Damals sind noch gut 70 Prozent der Briten dagegen, dass Camilla einst den Titel der Queen Consort tragen soll. Jetzt sind alle dafür. Die Liebesgeschichte, die nun schon seit 51 Jahren dauert, hat sie überzeugt.
Sonst, ja, Monarchie - bin ich kein Fan...