Meine Mutter ist hin und weg. Pedro hat ihr den Kopf verdreht. Was das für ein feiner Kerl ist, sagt sie. Und so grossgewachsen, attraktiv, lustig. «Und dann die Hände, Schatz, seine Hände können zaubern».
Mein Vater lacht. Ich derweil frage mich, ob sie morgen schon mit Pedro, ihrem Physiotherapeuten, durchbrennt. «Viel besser», sagt sie. «Du datest Pedro. Ich sags dir, Kind, das ist einer für dich. Für uns alle.»
Mutter erwischt mich grad auf einem guten Fuss. Es ist Sommer. Es ist schön. Es ist heiss. Ich habe gute Laune und erlaube ihr, Pedro meine Nummer zu geben.
Ich habe die Aktion schon vergessen, als mich ein paar Tage später eine Nachricht erreicht: Es ist Pedro. Pedro schickt zur Date-Einladung fünf Youtube-Links. Es handelt sich um seine Lieblingslieder. Ich kenne kein einziges davon. Kein Lied, keine Band.
Ich soll ihm meine Top 5 schicken. Finde ich cool. Traue mich aber kaum. Bin nicht sicher, wie er zu Celine Dion, Snoop Dogg, Ol’ Dirty Bastard, Salt’n’Peppa und der Münchener Freiheit steht.
Ich halte den Chat also eher kurz und schlage vor, dass wir uns schon bald sehen sollten. Und ich ihm meine Top 5 Face to Face verrate.
Findet Pedro gut.
Wir treffen uns an einem Freitagabend um 20 Uhr. Dating-Prime-Time. Mag ich eigentlich nicht. Aber für Mama darfs auch mal eine Ausnahme sein.
Ich erkenne den Physiotherapeuten schon von Weitem. Mama hat nicht zu viel versprochen. Der sieht super aus. Hände also ganz sicher magisch. Schnell Checkliste im Kopf durchegehen:
Waxing: done (vorgestern, super)
Gute Unterwäsche: so halb (easy!)
Letzter Knoblauch- und Spargel-Konsum: lange her (super!)
Wirklich Sex beim ersten Date: mal offen sein dafür
Pedro begrüsst mich … ähhm … singend. Er singt ein spanisches Lied. Klingt schön. Irritiert mich dennoch biz. Auch weil er nach einer Strophe nicht aufhört. Pedro singt und singt und singt. Die Menschen bleiben stehen und starren.
Es geht genau so weiter. Pedro redet nicht. Pedro singt. Pedro singt schön. Pedro träumt auch davon, als Musiker ganz gross rauszukommen. Darum nutzt Pedro auch jede Chance, um zu singen.
Aha.
Schon als Knirps habe er immer gesungen und getanzt. Tanzen ist seine zweite Leidenschaft. «Willst mal schauen?», fragt er. Bevor ich antworten kann, legt er ein Tänzchen aufs Parkett. Dazu singt er Michael Jackson. «Smooth Criminal». Gute Wahl. Und gute Moves. Und verdammt guter Body. Und verdammt schräg das ganze Szenario hier.
Dann kommt Pedro doch noch ins Plaudern. Er will alles über meinen Musikgeschmack wissen. Ich erzähle und merke, wie ihm schon nach dem dritten Satz das Gesicht entgleist.
Vielleicht sei ich ja deswegen Single. Frauen unterschätzen die Macht der Musik, weiss Pedro. Frauen mit schlechtem Musikgeschmack, das sei noch schlimmer als unweibliche Frauen.
Schade. Irgendwie. Und irgendwie nicht. Jetzt, da wir beide wissen, dass das nichts Ernstes mehr wird, kann ich mich easy auf unverbindlichen Sex konzentrieren. Was ich auch mache. Nur Pedro schnallt das lange nicht. Er ist zu beschäftigt damit, mich in die Welt der wahren Musik einzuführen.
Er zeigt mir einen Youtube-Link nach dem anderen. Die erste Strophe erklärt er mir die Welt. Die anderen Strophen singt er mit.
Pedro ist, gelinde gesagt, eher anstrengend.
Wir machen das Spiel noch biz weiter und trinken dazu ein paar Drinks. Nach dem dritten Cocktail bedauert Pedro mein Null-Gespür für Musik. «Weil sonst bist du ziemlich cool und vor allem sehr hübsch.»
Wir drehen uns da so biz im Kreis und ich weiss nicht so recht, wie ich es angehen soll. Bis mir die Idee kommt, ihm auch einen Youtube-Link zu zeigen. Ich entscheide mich für diesen:
Schon klar, recht unoriginell. Aber hier gehts ja um Sex, nicht um eine potentielle Hochzeit. Ich lächle Pedro an. Er lächelt zurück. «Meinst du es so, wie ich das Gefühl habe, dass du das meinst?»
«Tu ich!»
«Sehr geil. Zu dir?»
«Zu mir!»
Bei mir braucht Pedro noch einen Moment, um sein Handy an meine Infrastruktur anzuschliessen. Er will natürlich Sex zu seiner Musik. Ich will einfach Sex mit ihm. Sollen im Hintergrund doch weise Künstler ihre Poesie zum Besten geben. Mir wurst.
Als dann die, wie ich finde, sehr dramatisch-melancholische Musik startet, kommen wir endlich zum Punkt. Und ich verdammt schnell zum Höhepunkt. Diese Hände können wirklich zaubern.
Nach dem Sex will Pedro noch zwei, drei Songs hören und ein bisschen nackt singen. Für mich okay. Dann packt er seine Sachen, drückt mir einen Kuss auf die linke Backe und geht.
Während ich so dasitze überlege ich mir, dass ich eine Affäre mit Pedro cool fände. Er meldet sich aber nicht. Nicht einen Tag später, nicht zwei, nicht drei. Also nehme ichs selber in die Hand – und werde geghostet.
Nicht schlimm.
Ich hab die Story schon fast vergessen, als mich meine Mutter hysterisch anruft: «EMMA!», sagt sie sehr harsch! «Was war das für eine blöde Aktion mit Pedro und diesem billigen Sex-Lied!? So habe ich dich doch nicht erzogen!»
Ich lache laut. Sie null.
Ich frag sie, ob ihr Hausarzt Single ist. Oder ihr Versicherungsmensch. Oder ihr Nachbar. Ihr Anlageberater eventuell. Oder ihr sonst irgendwas.
Ich lache immer noch und sie lacht immer noch nicht.
Wir legen auf.
Ich schreibe Pedro: «Du hast meiner Mutter wirklich detailliert von unserem Treffen erzählt?»
«Sie hat gefragt. Und weil sie so eine Aufgeschlossene ist, habe ich geplaudert. Sei unbesorgt, ich habe ihr versichert, dass sie sich keine Sorgen machen muss. Dass du tolle Qualitäten hast, Zwinker-Zwinker-Zwinker.»
Okay.
Danke für nichts.
Wobei nein. Danke für den Orgasmus. Der war wirklich ausserordentlich lang und gut. (Sorry, Mami!)
Adieu,
Für noch mehr Tanz- und Gesangseinlagen:
Ich bin fix nicht so kuul wie Emmas Mama
Was mich aber noch interessieren würde: "...auf unverbindlichen Sex konzentrieren. Was ich auch mache. Nur Pedro schnallt das lange nicht." Hier hätte ich gerne das Original-Gesprächsprotokoll!!