Ich sagte ihr, sie solle sich nicht zurückhalten, sie könne wirklich alles sagen, fordern, kritisieren, verlangen, bemängeln. Ich wolle hören und lernen.
Wir reden von der Sexologin. Mit der ich ein Date hatte. Sie war dann im Urlaub, ich schlief wieder mit Lara, die, so glaube ich, aktuell gar nicht wirklich mit anderen Sex hat, sie hat ein neues Hobby, Stricken, und das beansprucht sie gerade sehr. Vielleicht ist sie aber auch ständig auf Achse. Auch das wäre okay. Wir sehen uns gerade selten. Wenn wir uns sehen, vögeln wir. Reden tun wir wenig. Lara meinte, sie müsse nicht alles wissen, wir sollten wieder freier sein. Für mich ist das sehr okay.
Ich traf die Sexologin, oder angehende Sexologin, an einem Donnerstagabend in einer Bar gleich bei ihr um die Ecke. Ob das «easy» für mich sei, wenn wir uns so nah bei ihr treffen würden, fragte sie. Ich schrieb, klar, kein Problem. «Ich habe ein Velo!» Als wäre wirklich das Velo der Grund, dass es easy war … Wir tranken je einen Cosmopolitan, ich hätte lieber ein Bier getrunken, aber Bier macht mich manchmal müde, deshalb also der girly Drink, dann gingen wir zu ihr.
Ob sie wisse, dass ich mir einige Tipps und Insights erhoffen würde, fragte ich. Sie lachte, als hätte ich einen Witz gemacht. «Im Ernst, ich hätte gerne Input und Feedback einer Expertin!» Ich sagte ihr weiter, ich würde die Ratschläge all meinen männlichen Freunden erzählen, sodass Frauen insgesamt besseren Sex hätten. Spread the word und so.
Ich hätte ihr beinahe verraten, dass ich ihre Ratschläge tatsächlich einer sehr grossen Gruppe Menschen verraten werde, was wiederum einer sehr grossen Gruppe Menschen dienen werde, aber das hätte nur Fragen aufgeworfen und ich hätte keine Antworten geben können.
Ich hätte ihr auch Tipps gegeben, aber sie hat nicht danach gefragt, also sagte ich nichts. Es war jetzt auch nicht so, dass ich zwingend etwas hätte sagen müssen. Es war überhaupt nicht schlecht, aber es war jetzt auch nicht der beste Blowjob, den ich je in meinem Leben hatte. Aber eben, sie weiss grundsätzlich, wie was funktioniert. Ich anscheinend auch, sagte sie, was mich natürlich freute. Die folgenden Tipps bekam ich erst, als ich darauf beharrte. Dass weniger und langsamer meist mehr ist, das hat mir schon früh eine Frau beigebracht, was ich aber bisher nicht wusste, war Folgendes:
Von unten betrachtet, also die Perspektive, die man als Mann hat, sei es im Uhrzeigersinn besser. Mit der Zunge. Weil die meisten Frauen mit der rechten Hand masturbieren würden, was bedeutet: Druck vermehrt auf links. Und was man kenne, würde besser funktionieren, also mehr hergeben, eher und schneller zum Orgasmus führen. Deshalb. Uhrzeigersinn!
Empfindlichste Stelle aus dem gleichen Grund – «Was ich weiss, macht mich heiss!» – ist bei 90 % der Frauen (ob die Prozentangabe stimmt oder ob sie da übertrieben hat, weiss ich jetzt nicht, aber die Tendenz ist wohl richtig): oben rechts. Also aus Männer-Perspektive. Etwa bei 2 Uhr.
Wird die Frau ruhig, kommt sie kurz danach. Da gab es irgendwie eine Nervensystem-Erklärung, die ich wieder vergessen habe, aber die ist auch egal, wichtig sei: Dann auf keinen Fall aufhören. Würden manche Männer machen. Weil Männer konstant Feedback, also Gestöhne brauchen, sonst würden sie sich hinterfragen, zögern, oder umso heftiger loslegen, weil verunsichert, alle Varianten seien nicht gut. Ruhe vor dem Sturm war mir neu, aber nicht zu hart ran, das wusste ich. Immerhin das.
Nein, hatten wir nicht. War kein Thema. Wirklich gar nicht. Okay, weiter.
Hier würden die meisten Männer vieles falsch machen, zu schnell, zu hart, falsche Bewegung. Das sagte sie, bevor wir anfingen. Fand ich wenig motivierend. Also, ich dachte natürlich, ich sei anders. Anders als die anderen. Bin ich nicht, nein. Aber immerhin sind fast alle so. Beruhigte mich dann wieder ein bisschen. Und ehrlich gesagt, bin ich auch nicht sicher, ob wirklich stimmt, was sie da sagt, alle Frauen sind doch anders, vielleicht geht sie da etwas zu sehr nach Lehrbuch, so wie Leute, die mit einem Kochbuch kochen, streng nach Rezept wird's zwar schon gut. Es kann aber sein, dass es jemandem besser schmecken würde, wäre etwas mehr oder weniger Chili drin.
Kaum hatte ich das Kondom an, wurde es technisch. Oder sagen wir so. Ich war irgendwann so konzentriert, dass alles Blut im Kopf und nicht mehr anderswo war. Was ich natürlich nicht gut fand. Weshalb ich dann entschied, dass wir vielleicht mit der Theorie aufhören, also weniger reden sollten, was zum Glück funktioniert hat.
Aber hier die Theorie: Wir Männer müssten mit dem Becken nicht stossen, sondern schaukeln, wenn wir wollen, dass Frauen beim Sex kommen. Ich sagte ihr, ich hätte also auch schon anderes erlebt, nicht oft, aber es gäbe Frauen, die hätte ich gegen die Wand geknallt und die seien gekommen.
«Das sind Ausnahmen!», sagte sie.
Also dieses Schaukeln, ich weiss nicht. Gewisse Stellungen gehen besser, andere sind wirklich nicht dafür gemacht. Das Schwierigste: Wirklich Tempo kann man da nicht aufbauen, was man auch nicht sollte.
90 % der Männer seien zu schnell. (Auch hier, ob diese Prozentangabe stimmt? Unsicher.) Die Vagina, vor allem die G-Zone, nicht der Punkt, sei eine Zone, zweifränklergross, sagte sie, die sei druckempfindlich. Nur der äusserste Teil reagiere auf Reibung. Druck sei nicht gleich Hämmern, deshalb eben langsam. Ich sagte, ich hämmere doch nicht, sagte sie, nein, aber mehr Männer, als du denkst, sei ja nur die Theorie hier.
Irgendwann bereute ich, dass ich ihr sagte, sie solle mich nicht schonen. Ich hatte das Gefühl, jeder Griff, jeder Stellungswechsel, jedes Stossen, falsch, Schaukeln wurde beurteilt. Wie beim Fussball die Kommentatoren. Alles wird beobachtet, alles wird kritisiert oder gelobt.
Ich übernachtete nicht bei ihr. Musste ja am nächsten Tag arbeiten. Am Morgen schrieb sie, es hätte ihr Spass gemacht, ob wir uns wieder sehen wollen. Sie fände es gut, wenn mal einer alles so genau wissen wollte.
Ich bin noch unsicher, ob ich das noch einmal machen will. Ich bin leider auch unsicher, ob ich alles begriffen habe. Was ich aber mit Sicherheit weiss: Hemmungsloser, leidenschaftlicher und Sexologinnen-approved-er Sex, das geht nicht Hand in Hand. Man hat entweder das eine oder das andere. Aber nicht beides.
So long,
Ben
Aber eben, ich bin ja in Ben's Kolumne und in seiner Fantasiewelt gelandet.
So sad.
Soporpa
"Wie ich einem Vollhorst vorgespielt habe, eine Sexologin zu sein"