«Kinderkrippen reduzieren IQ des Kindes», schreibt er in einer Broschüre des Vereins «Schutz-Initiative», welchen er präsidiert. «Mit jedem zusätzlichen Monat, den Kinder in der Kita verbringen, reduziert sich der bei ihnen später gemessene IQ um durchschnittlich 0.5 Prozent», zitiert Bortoluzzi aus der Studie.
Nun hagelt es Kritik. Bortoluzzi wird als Tattergreis beschimpft, der sich die Frauen zurück an den Herd wünscht, die Studienergebnisse werden als Humbug abgetan. Zu Recht?
Verfasst wurde die Studie von drei Wissenschaftlern der Universität Bologna. Sie haben untersucht, welche Langzeitfolgen bei Kindern auftreten, die bereits vor dem zweiten Lebensjahr eine Kindertagesstätte besuchen.
Tatsächlich kommen sie zum Schluss, dass ein zusätzlicher Monat in der Kita den IQ um 0.5 Prozent senkt. Das Ergebnis bezieht sich allerdings nur auf gut situierte Familien.
Die Studienautoren äussern die Vermutung, dass Kinder in der Kita weniger hochwertige Eins-zu-eins-Betreuung geniessen als zu Hause. Dies könnte eine Auswirkung auf die Entwicklung der Intelligenz haben, schreiben die Autoren.
In den untersuchten Tagesstätten kam im Schnitt eine Betreuerin auf vier Kinder unter einem Jahr. Bei den Ein- und Zweijährigen lag das Betreuungsverhältnis bei 1 zu 6.
Für die Studie wurden rund 450 Interviews mit Eltern durchgeführt, deren Kinder vor dem zweiten Lebensjahr eine Kinderkrippe in Bologna besucht haben. Der IQ der Kinder wurde zwischen dem 8. und 14. Lebensjahr getestet.
Für Bortoluzzi und die «Schutz-Initiative» ist die Schlussfolgerung aus der Studie klar: Kitas sind schlecht für Kinder, ideal betreut sind sie zu Hause, sprich von der Mutter.
Studienautorin Margherita Fort widerspricht: Die Kita habe nur dann einen negativen Effekt, wenn zu wenig Betreuungspersonen präsent seien.
Zudem könne aus der Studie keineswegs geschlossen werden, dass die Mütter mit ihren Kindern zu Hause bleiben müssen. «Die Eins-zu-eins-Betreuung kann zum Beispiel bestens vom Vater übernommen werden», so Fort.
Kinderarzt Oskar Jenni, Leiter der Abteilung Entwicklungspädiatrie am Kinderspital Zürich, hat seine Mühe mit der Studie. Diese sei von Ökonomen verfasst worden, denen fundiertes psychologisches Wissen fehle. Der Befund zur verminderten IQ-Leistung bei Kita-Betreuung sei nicht plausibel.
Der wichtigste Faktor für die Höhe des IQs sei die genetische Veranlagung. Bildungsstand der Eltern oder die Förderung spielten demgegenüber nur eine geringe Rolle. «Dass der Einfluss der Kita auf den IQ derart gross sein soll, ist aufgrund des aktuellen Forschungsstandes sehr unwahrscheinlich», sagt Jenni.
«Die Studie greift zu kurz», sagt Heidi Simoni, Leiterin des Marie MeierhoferInstituts, welches auf Themen zur frühen Kindheit spezialisiert ist. Dass Kleinkinder auf vertraute und verfügbare Personen angewiesen seien, stimme zwar. Die Schlussfolgerungen der Autoren beurteilt sie aber als zu oberflächlich.
«Die Studie geht davon aus, dass die Betreuung zu Hause ideal ist und in der Kita nicht. Die Realität ist komplexer, hier und dort kommt es auf eine gute Qualität an und das ganze Arrangement muss stimmen», sagt die Psychologin.
Oskar Jenni kann der Diskussion aber etwas Positives abgewinnen: «Es ist richtig, dass die ersten zwei Lebensjahre gewisse Risiken bergen.»
Er verweist auf anerkannte Studien, die nachweisen, dass die jüngsten Kita-Kinder höhere Stresshormonwerte aufweisen als solche, die zu Hause betreut werden. Bei einer nicht optimalen Betreuung sei die Bindungssicherheit gefährdet, dies könne später zu psychischen Störungen führen.
Wichtig für eine gute Kita ist laut beiden Experten, dass das Kind wenige, verlässliche Bezugspersonen habe. Zudem fordern sie einen adäquaten Betreuungsschlüssel von maximal drei Kindern unter zwei Jahren pro erwachsene Person. Entscheidend sei auch die Fähigkeit der Betreuer, auf das einzelne Kind und auf die Gruppe einzugehen.
Es bleibt die kontroverse Frage, wie viel Kitazeit einem Kind unter zwei Jahren zugemutet werden kann. «Ganz wichtig ist, dass es nicht monsterlange Kitatage sind. Bei unter Zweijährigen liegt die Schmerzgrenze bei sechs bis acht Stunden», sagt Simoni. Dass die pädagogischen Forderungen nicht immer mit der Realität vereinbar sind, wissen die Fachleute. Sie sehen die Lösung in einer Elternzeit sowie familienfreundlicheren Arbeitszeiten. (aargauerzeitung.ch)