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SP nominiert Beat Jans und Jon Pult: Wer hat die besseren Chancen?

Die 2 gewaehlten Kandidaten Jon Pult, Nationalrat SP-GR, rechts, und Beat Jans, Regierungspraesident Basel-Stadt, links, auessern sich waehrend einer Medienkonferenz, bei der Bekanntgabe der offiziell ...
Beat Jans (59) und Jon Pult (39) äussern sich nach der Nominierung am Samstag.Bild: keystone
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Jans oder Pult: So stehen die Chancen der SP-Kandidaten

Die SP-Fraktion hat für die Bundesratswahl ein Zweierticket mit Beat Jans und Jon Pult nominiert. Das Rennen scheint völlig offen. Eine Einschätzung ihrer Wahlchancen.
29.11.2023, 06:33
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Etwas Eigenlob darf gelegentlich sein. Nach dem Besuch des öffentlichen Hearings in Olten bezeichnete ich Beat Jans und Jon Pult als Favoriten unter den sechs Kandidierenden für die Nachfolge von Bundesrat Alain Berset. Und wen hat die SP-Fraktion am Samstag nominiert? Den Regierungspräsidenten von Basel-Stadt und den Bündner Nationalrat.

Gleichzeitig darf man den Einfluss der Medien nicht überbewerten. In diesem Prozess ist ein überzeugender Auftritt nur einer von mehreren Faktoren. Fast noch wichtiger ist gutes Lobbying, um einflussreiche Verbündete zu gewinnen und Allianzen zu bilden. Das macht die Ausmarchung nicht einfacher, wie die nicht weniger als 18 Wahlgänge zeigten.

Staenderat Daniel Jositsch, SP-ZH, verlaesst die Fraktionssitzung ueber das SP Ticket zur Nachfolge von Bundespraesident Alain Berset an der Bundesratswahl vom 13. Dezember, am Freitag, 24. November 2 ...
Der sichtlich enttäuschte Daniel Jositsch verschwand nach der Fraktionssitzung kommentarlos.Bild: keystone

Was lässt sich daraus schliessen? Es gab offensichtlich eine Dynamik für Evi Allemann, doch sie war nicht stark genug, obwohl die Frauen eine Mehrheit in der Fraktion haben. Woran lag es? An der Herkunft, am fehlenden Charisma? Für die Berner Regierungsrätin ist das Verdikt extrem bitter. Das zweite Jahr in Folge blieb sie in der Fraktion «hängen».

Gedemütigter Jositsch

Geradezu gedemütigt wurde Daniel Jositsch, der mit Abstand bestgewählte Parlamentarier der Schweiz, dem so gut wie alle Politexperten Bundesratsformat attestieren. Doch so gross sein Rückhalt in der Bevölkerung sein mag, so gering ist er in Partei und Fraktion. Sein Ruf als Rechtsausleger und sein kaum zu zügelnder Ehrgeiz kommen in der SP schlecht an.

Das wirkt befremdlich, doch Jositsch müsste eigentlich wissen, dass es sich in der Schweiz nicht geziemt, seine Ambitionen auf den Bundesrat zu unverblümt anzumelden. Beat Jans hat dies genau verstanden. Er lobbyierte hinter den Kulissen eifrig in eigener Sache und beteuerte gleichzeitig, dass er mit seinem Job als Regierungspräsident gut leben kann.

SP-Anspruch ist unbestritten

Genauso schafft man es aufs Ticket. Auch Jon Pult trat nicht allzu forsch auf. Der knapp 40-jährige «Jungstar» aus Graubünden gilt als Favorit der Parteispitze. Er setzte sich in der letzten Wahlrunde relativ knapp gegen Ex-Fraktionschef Roger Nordmann durch. Dem Waadtländer gelang damit ein Achtungserfolg, von dem er sich nichts kaufen kann.

Baptiste Hurni, SP-NE, vorne, und Barbara Gysi, SP-SG, tragen die Abstimmungsurnen zum Fraktionszimmer, waehrend der Fraktionssitzung der SP vor der Bekanntgabe der offiziellen Kandidaten der SP fuer  ...
Die Bundesrats-Wahlurnen kamen schon am Samstag bei der SP zum Einsatz.Bild: keystone

Was bedeutet das für die Gesamterneuerungswahl am 13. Dezember?

Die Berset-Nachfolge wird am Schluss geregelt, doch die SP muss sich kaum Sorgen machen. Ihr Anspruch auf den Sitz wird von keiner Seite ernsthaft bestritten, erst recht nicht nach der Niederlage der Grünen bei der National- und Ständeratswahl. Selbst wenn die SP deren Angriff auf FDP-Bundesrat Ignazio Cassis unterstützt, hat sie wenig zu befürchten.

Beide haben Angriffsflächen

Zwar ist es absehbar, dass Daniel Jositsch wie vor einem Jahr einige «Proteststimmen» im ersten Wahlgang bekommen wird. Doch die Bürgerlichen werden es kaum wagen, ihn als «wilden» Kandidaten gegen den Willen der Partei zu wählen. Es dürfte auf Jans oder Pult hinauslaufen, auch wenn aus bürgerlicher Sicht beide durchaus Angriffsflächen bieten.

Der Jans-Faktor

Für Beat Jans spricht, dass er die Berner Mechanismen kennt – er war zehn Jahre im Nationalrat – und über Exekutiverfahrung verfügt. Die Bundesversammlung muss sich zudem fragen, ob sie nach der Nichtwahl von Eva Herzog erneut das wirtschafts- und finanzstarke Basel brüskieren will, das seit 50 Jahren nicht im Bundesrat vertreten war.

Als grösstes Handicap gilt der Widerstand der «Bauernfraktion». Obwohl Jans gelernter Landwirt ist, hat er sich als Nationalrat mit ihr angelegt. Allerdings sorgt der Machtanspruch der Bauern selbst unter Bürgerlichen im Parlament für Unmut. Hinzu kommt eine gewisse Ernüchterung über die mit bäuerlichem Schub gewählte Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider.

Der Pult-Faktor

Beat Jans punktet zudem mit einem sympathischen Aufritt. Aber auch Jon Pult verkauft sich überzeugend. Er ist rhetorisch stark und beherrscht die vier Landessprachen. Und er ist trotz erst vier Jahren im Nationalrat gut vernetzt. Sein Problem nach Meinung vieler Bürgerlichen ist die einstige Rolle als einer der Neugründer der Jungsozialisten (Juso) in Graubünden.

Das ist eine verkürzte Sichtweise, doch Jon Pult steht für den grossen Einfluss ehemaliger Jusos in der SP-Fraktion, der bei den Wahlen nochmals gestärkt wurde. Sein linkes Image könnte ihm gegen den eher moderaten Beat Jans Stimmen kosten. Auch bei den Romands soll der Rätoromane gemäss den Tamedia-Zeitungen über wenig Rückhalt verfügen.

Die Aussichten

Eine Prognose ist schwierig. Vieles hängt von der SVP-Fraktion ab, der mit Abstand grössten in der Bundesversammlung. Bei ihr ist das landwirtschaftliche Element besonders stark, doch in ihren Reihen dürfte auch der Widerwille gegen das Juso-Etikett beträchtlich sein. Umso wichtiger ist für Jans und Pult ein überzeugender Auftritt im SVP-Hearing.

Im Prinzip könnte die SVP versuchen, Daniel Jositsch gegen den Willen seiner Partei in den Bundesrat zu wählen. Allerdings dürfte sie kaum Unterstützung von FDP und Mitte erhalten. Für die Freisinnigen steht mittel- bis langfristig der zweite Sitz auf dem Spiel. Die Grünen werden weiter angreifen, und auch die Mitte lässt Ansprüche durchblicken.

Richtig spannend wird es deshalb beim nächsten FDP-Rücktritt aus dem Bundesrat. Den Grünliberalen könnte dabei eine Schlüsselrolle zukommen. Bei der Gesamterneuerungswahl in zweieinhalb Wochen aber dürfte alles beim Alten bleiben und der nächste SP-Bundesrat Beat Jans oder Jon Pult heissen. Wobei das Rennen zum jetzigen Zeitpunkt völlig offen ist.

Und der Bundeskanzler?
Im Gerangel um die Bundesratssitze geht beinahe unter, dass am 13. Dezember auch die Nachfolge von Bundeskanzler Walter Thurnherr (Mitte) bestimmt wird. Seine Partei teilte am Freitag mit, dass sie das Amt nicht «verteidigen» wird. FDP und SP verzichten genauso, und auch die Grünen scheinen die Chance auf eine Präsenz im Bundesratszimmer nicht nutzen zu wollen. Es dürfte auf die Wahl zwischen dem GLP-Vizekanzler Viktor Rossi und dem SVP-Zweierticket mit Nathalie Goumaz und Gabriel Lüchinger hinauslaufen, wobei es keine Überraschung wäre, wenn sich die SVP auf einen Namen festlegen würde.
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Diese SPler wollen für Alain Berset in den Bundesrat
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Diese SPler wollen für Alain Berset in den Bundesrat
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quelle: keystone / peter klaunzer
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Hier verkündet Berset seinen Abgang aus dem Bundesrat
Video: watson
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150 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Garfield91
28.11.2023 07:41registriert Februar 2018
"Daniel Jositsch, der mit Abstand bestgewählte Parlamentarier". Nur als Beispiel, Maya Graf erhielt in BL 54.3% der Stimmen, Jositsch erhielt 51.6% in ZH. Zu behaupten jemand sei der bestgewählte nur weil er am meisten Einzelstimmen erhielt, ist doch schwachsinnig, wenn nicht jeder Kanton gleich viele Stimmberechtigte hat.
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naturwald
28.11.2023 06:23registriert Oktober 2023
Ich glaube das Rennen ist nicht so offen wie im Artikel beschrieben, obschon klar ist dass Herr Jositsch tatsächlich kaum mehr Chancen hat. Aber auch ehemalige Jusos werden meiner Meinung nach in naher Zukunft ausser von den Grünen und bei Teilen der SP kaum Chancen haben, mögen diese rhetorisch noch so begabt sein. Herr Jans wird das Rennen machen..
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Philguitar
28.11.2023 06:40registriert Dezember 2018
Also ich sehe es eher für Jans. Er hat vermutlich auch bessere Verbindungen. Natürlich könnten die bürgerlichen riskieren auch ein politisches Leichtgewicht in den Bundesrat zu wählen und dann sämtliche Ränkespiele durchzuziehen. Wäre aber ein sehr grosses Risiko. Daher Jans.
Man sollte auch nie vergessen, dass der Bundesrat in Bern Verbindungen braucht, auch wenn es so scheint, dass es unter den Räten Diskussionen gibt kommen die grössten Probleme für den BR oft von unten. Departemente und Vorsteher etc.
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