Etwas Eigenlob darf gelegentlich sein. Nach dem Besuch des öffentlichen Hearings in Olten bezeichnete ich Beat Jans und Jon Pult als Favoriten unter den sechs Kandidierenden für die Nachfolge von Bundesrat Alain Berset. Und wen hat die SP-Fraktion am Samstag nominiert? Den Regierungspräsidenten von Basel-Stadt und den Bündner Nationalrat.
Gleichzeitig darf man den Einfluss der Medien nicht überbewerten. In diesem Prozess ist ein überzeugender Auftritt nur einer von mehreren Faktoren. Fast noch wichtiger ist gutes Lobbying, um einflussreiche Verbündete zu gewinnen und Allianzen zu bilden. Das macht die Ausmarchung nicht einfacher, wie die nicht weniger als 18 Wahlgänge zeigten.
Was lässt sich daraus schliessen? Es gab offensichtlich eine Dynamik für Evi Allemann, doch sie war nicht stark genug, obwohl die Frauen eine Mehrheit in der Fraktion haben. Woran lag es? An der Herkunft, am fehlenden Charisma? Für die Berner Regierungsrätin ist das Verdikt extrem bitter. Das zweite Jahr in Folge blieb sie in der Fraktion «hängen».
Geradezu gedemütigt wurde Daniel Jositsch, der mit Abstand bestgewählte Parlamentarier der Schweiz, dem so gut wie alle Politexperten Bundesratsformat attestieren. Doch so gross sein Rückhalt in der Bevölkerung sein mag, so gering ist er in Partei und Fraktion. Sein Ruf als Rechtsausleger und sein kaum zu zügelnder Ehrgeiz kommen in der SP schlecht an.
Das wirkt befremdlich, doch Jositsch müsste eigentlich wissen, dass es sich in der Schweiz nicht geziemt, seine Ambitionen auf den Bundesrat zu unverblümt anzumelden. Beat Jans hat dies genau verstanden. Er lobbyierte hinter den Kulissen eifrig in eigener Sache und beteuerte gleichzeitig, dass er mit seinem Job als Regierungspräsident gut leben kann.
Genauso schafft man es aufs Ticket. Auch Jon Pult trat nicht allzu forsch auf. Der knapp 40-jährige «Jungstar» aus Graubünden gilt als Favorit der Parteispitze. Er setzte sich in der letzten Wahlrunde relativ knapp gegen Ex-Fraktionschef Roger Nordmann durch. Dem Waadtländer gelang damit ein Achtungserfolg, von dem er sich nichts kaufen kann.
Was bedeutet das für die Gesamterneuerungswahl am 13. Dezember?
Die Berset-Nachfolge wird am Schluss geregelt, doch die SP muss sich kaum Sorgen machen. Ihr Anspruch auf den Sitz wird von keiner Seite ernsthaft bestritten, erst recht nicht nach der Niederlage der Grünen bei der National- und Ständeratswahl. Selbst wenn die SP deren Angriff auf FDP-Bundesrat Ignazio Cassis unterstützt, hat sie wenig zu befürchten.
Zwar ist es absehbar, dass Daniel Jositsch wie vor einem Jahr einige «Proteststimmen» im ersten Wahlgang bekommen wird. Doch die Bürgerlichen werden es kaum wagen, ihn als «wilden» Kandidaten gegen den Willen der Partei zu wählen. Es dürfte auf Jans oder Pult hinauslaufen, auch wenn aus bürgerlicher Sicht beide durchaus Angriffsflächen bieten.
Für Beat Jans spricht, dass er die Berner Mechanismen kennt – er war zehn Jahre im Nationalrat – und über Exekutiverfahrung verfügt. Die Bundesversammlung muss sich zudem fragen, ob sie nach der Nichtwahl von Eva Herzog erneut das wirtschafts- und finanzstarke Basel brüskieren will, das seit 50 Jahren nicht im Bundesrat vertreten war.
Als grösstes Handicap gilt der Widerstand der «Bauernfraktion». Obwohl Jans gelernter Landwirt ist, hat er sich als Nationalrat mit ihr angelegt. Allerdings sorgt der Machtanspruch der Bauern selbst unter Bürgerlichen im Parlament für Unmut. Hinzu kommt eine gewisse Ernüchterung über die mit bäuerlichem Schub gewählte Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider.
Beat Jans punktet zudem mit einem sympathischen Aufritt. Aber auch Jon Pult verkauft sich überzeugend. Er ist rhetorisch stark und beherrscht die vier Landessprachen. Und er ist trotz erst vier Jahren im Nationalrat gut vernetzt. Sein Problem nach Meinung vieler Bürgerlichen ist die einstige Rolle als einer der Neugründer der Jungsozialisten (Juso) in Graubünden.
Das ist eine verkürzte Sichtweise, doch Jon Pult steht für den grossen Einfluss ehemaliger Jusos in der SP-Fraktion, der bei den Wahlen nochmals gestärkt wurde. Sein linkes Image könnte ihm gegen den eher moderaten Beat Jans Stimmen kosten. Auch bei den Romands soll der Rätoromane gemäss den Tamedia-Zeitungen über wenig Rückhalt verfügen.
Eine Prognose ist schwierig. Vieles hängt von der SVP-Fraktion ab, der mit Abstand grössten in der Bundesversammlung. Bei ihr ist das landwirtschaftliche Element besonders stark, doch in ihren Reihen dürfte auch der Widerwille gegen das Juso-Etikett beträchtlich sein. Umso wichtiger ist für Jans und Pult ein überzeugender Auftritt im SVP-Hearing.
Im Prinzip könnte die SVP versuchen, Daniel Jositsch gegen den Willen seiner Partei in den Bundesrat zu wählen. Allerdings dürfte sie kaum Unterstützung von FDP und Mitte erhalten. Für die Freisinnigen steht mittel- bis langfristig der zweite Sitz auf dem Spiel. Die Grünen werden weiter angreifen, und auch die Mitte lässt Ansprüche durchblicken.
Richtig spannend wird es deshalb beim nächsten FDP-Rücktritt aus dem Bundesrat. Den Grünliberalen könnte dabei eine Schlüsselrolle zukommen. Bei der Gesamterneuerungswahl in zweieinhalb Wochen aber dürfte alles beim Alten bleiben und der nächste SP-Bundesrat Beat Jans oder Jon Pult heissen. Wobei das Rennen zum jetzigen Zeitpunkt völlig offen ist.
Man sollte auch nie vergessen, dass der Bundesrat in Bern Verbindungen braucht, auch wenn es so scheint, dass es unter den Räten Diskussionen gibt kommen die grössten Probleme für den BR oft von unten. Departemente und Vorsteher etc.